Zwei Jahre ist es jetzt schon her, als ich kurz vor Weihnachten ein kleine „Weihnachtserlebnis“ mit einem Mädchen im Grundschulalter an der Bahnstation Haunstetter Straße in Augsburg hatte. Ihre Frage „Geht´s hier nach Italien?“ war der Aufhänger für meine kleine Geschichte zu Weihnachten 2008. Das war immerhin eine Frage, die man grundsätzlich beantworten konnte. Komischerweise habe ich in den letzten Tagen viel an eine Kinder-Frage denken müssen, die bereist 15 (!) Jahre zurück liegt – an die Frage eines Zweieinhalbjährigen, auf die ich erst mal keine Antwort wusste: „Wo war die Welt, als ich noch nicht auf der Welt war?“ Diese Frage habe ich nicht vergessen – ich kann sie gar nicht vergessen, und dennoch wundere ich mich, warum sie mir gerade im Moment wieder so häufig durch den Kopf geht. Das Interessante an dieser Frage ist ja, dass sie sich (grammatikalisch) auf die Vergangenheit bezieht und doch (inhaltlich) auf die Zukunft gerichtet ist, nach dem Motto: Ich wüsste gerne, was es vor mir gab, ob es da überhaupt was (ohne mich) gab; aber an sich interessiert mich, was jetzt und in Zukunft ist und welche Rolle ich dabei spielen werde. Aus dem Mund eines Kindes ist es eine Frage, die Zuversicht ausstrahlt: Jetzt bin ICH da und vielleicht verändere ich die Welt. Welche Frage stellt man sich wohl, wenn man vorzeitig und freiwillig wieder aus diesem Leben geht? Fragt man sich: „Wo wird die Welt sein, wenn ich nicht mehr auf der Welt bin?“ Wahrscheinlich nicht – jedenfalls nicht, wenn man schon drei, vier oder fünf Jahrzehnte gelebt hat, wenn man weiß (oder zu wissen glaubt), wie klein die Rolle ist, die man in der Vergangenheit gespielt hat. Aber vielleicht ist es ja genau nicht so. Vielleicht wandelt man es nur ein wenig ab und fragt sich: „Was macht die Welt, wenn ich nicht mehr auf der Welt bin?“. Dann würde sich der Fragende womöglich weiter im Mittelpunkt wähnen – aber ohne Zuversicht und ohne Chance, damit (noch) die Welt zu verändern. Gut, da werden mir jetzt gläubige Christen (gerade zu Weihnachten) widersprechen, aber als Anhänger des Humanismus (den ich leider nie auf Formularen finde, die sich neugierig nach meiner Glaubensrichtung erkundigen) kann ich nur in lebende Menschen meine Hoffnung setzen.
„Wo war die Welt, als ich noch nicht auf der Welt war?“ Ich glaube, ich habe damals keine Antwort geben können. Aber das ist womöglich gar nicht wichtig gewesen. Wichtiger als Antworten erscheint mir ohnehin, dass man Kindern und allen, die noch jung genug sind, daran zu glauben, dass sie die Welt verändern können, darin bestärkt, dass dies möglich ist – egal wie klein die Rolle letztlich ist oder sein wird, die man dafür zur Verfügung hat.
Ich wünsche allen (aller Glaubensrichtungen) ein schönes Weihnachtsfest. Ich melde mich wieder im neuen Jahr 2011.
23. Dezember 2010 um 04:35
Sehr schöner, nachdenklicher Artikel. Dieses Thema, wie kann ich die Welt ändern, sollte sich nicht nur auf Heranwachsende beziehen. Ich denke, dass mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter den meisten Menschen der Wille abhanden kommt ehrgeizig die Welt verändern zu wollen. Sonst würde die Welt bestimmt nicht so existieren wie zur Zeit.
Die Meisten haben nur den Wunsch etwas zu tun und zu wenige packen es an.Wir sollten mehr unser Augenmerk darauf richten, Erwachsene wieder dahingehend zu motivieren, dass sie die Verantwortung für tatkräftige Veränderungen übernehmen. Ich bin Atheist und das befreit mich von so manchen Stahlkorsetts gewisser Religionen, die durch ihre Vorgaben soziale Innovationen ausbremsen.
Die Welt zu verändern, das kann jeder!Mit der richtigen Einstellung. Von daher können wir Erwachsene, viel von unseren Kinder lernen.
Frohe Weihnachten und kommen Sie gut rüber!
Gruß aus Wesel