Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Hauptsache sichtbar!?

Wenn man die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gesamtstrategie der Universität Hamburg“ und vielleicht auch die Pressestimmen (z.B. hier oder hier) dazu gelesen hat, kann man an vielen Stellen hängen bleiben; an welchen, ist wohl eine Frage der Perspektive und der Rolle, die man selber hat. Nach dem ersten Lesen sind mir vor allem wiederkehrende Formulierungen und mehr oder weniger deutlich hervorgehobene Beurteilungsdimensionen aufgefallen, die mich fragen lässt: Was genau unterscheidet Wissenschaft und Bildung noch von Unternehmen? Natürlich: Universitäten brauchen Ressourcen, mit denen sie haushalten und dabei sehr verschiedene Interessen im Blick behalten, also auch ökonomisch handeln müssen; sie befinden sich außerdem in einem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld und sind damit Vergleichen ausgesetzt und müssen sich dazu verhalten. Aber lässt sich die Betrachtung von Universitäten bzw. von einzelnen Disziplinen oder einer ganzen Gruppe von Disziplinen darauf reduzieren oder auch nur fokussieren?

Ich frage mich das, weil ich kaum etwas von Inhalten lese, also kaum von den Erkenntnissen der Wissenschaftler/innen aus einer Vielzahl disziplinär organisierter Fachgemeinschaften, kaum etwas von den Möglichkeiten und Grenzen des Studierens an einer sehr großen und vielfältigen Universität. Die Rede ist stattdessen vor allem von Sichtbarkeit und Strategien, von finanziellen Erfolgen und Kooperationen, von Profilbildung und Interdisziplinarität u. ä. Interessiert es denn nur mehr marginal, was überhaupt für wen wozu sichtbar zu machen ist, wofür Geld investiert wird und welchen Sinn Strategien in und für Forschung und Bildung haben, wo man warum kooperiert und interdisziplinär forscht und lehrt? Und warum sind ein Motto und eine Profilbildung an einer Universität das Ziel, die so groß ist, dass es doch viele Programme und Profile geben kann, vielleicht sogar muss, damit sich die Größe überhaupt rechtfertigt? Was ist denn der Zweck einer Universität? Eine Marke zu etablieren, Kunden auf eine bestimmte Produktlinie einzuschwören und auf diese Weise Investoren anzulocken? Falls ja, wären die implizit und explizit gesetzten Kerndimensionen der Beurteilung nur konsequent. Falls nein (und ich hoffe ja, dass es „nein“ heißt), müssten die Dimensionen doch ergänzt, eine sinnvolle Gewichtung gefunden und insbesondere auf die Frage ausgerichtet werden, was Universitäten und speziell die Geistes- und Sozialwissenschaften für die Gesellschaft genau leisten sollten – inhaltlich –, welche Qualität von Erkenntnissen wir aus welchen Gründen erwarten, welche Bedingungen wir für diese Ziele als förderlich ansehen und welche nicht. Und das vermisse ich dann doch – auch auf die Gefahr hin, als hochschulpolitisch naiv zu gelten.

2 Kommentare

  1. In der Tat vermitteln die von Ihnen kritisierten Empfehlungen den Eindruck, als wolle (und könne) geistes- und sozialwissenschaftliche Lehre und Forschung operationalisiert und in Bezug auf „Outputoptimierung“ gesteuert werden. Bei solch programmatischen Vorgaben bleibt jedoch die Reflexion derselben immer auf der Strecke. Dies mag in hierarchischen Unternehmensstrukturen vielleicht Sinn machen und zum Ziel führen, verbietet sich aber in einem Umfeld, für das kritische Reflexion von Zielen und Methoden wesentlich ist, von selbst.

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