In meinem Vortrag in Hamburg vor eineinhalb Wochen habe ich aus der Schrift der Bundesassistentenkonferenz von 1970 zitiert und u.a. darauf hingewiesen, dass schon die damaligen Verfechter des forschenden Lernens begleitende Lernformen vorgeschlagen haben – und zwar nicht nur das genetische und das reflexive (bzw. kritische) Lernen, sondern durchaus auch das rezeptive Lernen. Letzteres sei vor allem dann sinnvoll, wenn es einen konsensfähigen Wissenskanon gäbe. Das sehe ich auch so, auch wenn es speziell in unseren Fächern keinen so klaren Konsens darüber gibt, was man wissen sollte (Kanon) und was exemplarisch bleiben kann und muss. Dennoch meine ich, dass man sich zumindest auf einen Kern an Inhalte einigen könnte, den man in bildungswissenschaftlichen und mediendidaktischen Studiengängen oder Modulen kennen sollte. Für solche Zwecke ist die gesamte Diskussion um „Reusable Learning Objects“ (um die es wieder ruhiger geworden ist) wichtig.
Und genau hierher gehören aus meiner Sicht Materialsammlungen, für die jetzt Michael Kerres mit seinem Team einen Beitrag auf YouTube leistet (hier): Das finde ich sehr gut und sicher werde ich das eine oder andere Video nutzen. Aber unabhängig von den konkreten Videos wäre es aus meiner Sicht wünschenswert, dass wir als Lehrende an der Hochschule beginnen, überhaupt solche Fundstücke und Materialien systematisch ! zu teilen, von denen man zumindest erwarten oder hoffen kann, dass sie zu einem Wissenskanon gehören. Wir Lehrende sind in dieser Hinsicht eigentlich eine schlechte Community, jedenfalls keine Vorzeige-Community. Es ist zwar richtig, dass es nicht so einfach ist (wie man es mal geglaubt hat), einzelne Materialien wie einen Legostein (so eine Metapher, die auch Peter Baumgartner mal gebraucht hat) auf die bereits bestehenden Legobauten draufzusetzen oder diese untereinander zu ersetzen, denn immerhin gibt es – im Idealfall – so etwas wie eine innere Logik einer Veranstaltung (oder eines Moduls). Trotzdem: Oft suche ich ewig nach einem guten und geeigneten Text zu einem Thema für die Studierenden, nach einem Audio oder Video und verbrauche dabei sehr viel Zeit. Hier könnten wir uns letztlich schon besser untereinander unter die Arme greifen. Wir müssten da eine entsprechende Community of Practice aufbauen, Inhalte nach einer bestimmten Logik sammeln und kommentieren und diese Inhalte auch pflegen und könnten auf diesem Wege womöglich – mittelfristig zumindest – viel Zeit sparen.
19. Juni 2009 um 19:37
Es wäre alles viel einfacher, würde nicht hier und anderswo in der deutschen Academia dilettantischstes Unwissen über Open Access und Open Educational Resources vorherrschen. Digitale Analphabeten sehen es natürlich nicht ein, dass es absolut selbstverständlich ist, Peter Subers Open Access News täglich zu lesen oder Blogs über OER zu verfolgen.
Siehe etwa
http://archiv.twoday.net/stories/5412409/
http://archiv.twoday.net/stories/5252935/
19. Juni 2009 um 20:02
Danke für die Hinweise, allerdings denke ich nicht, dass es hilfreich ist, allzu schnell andere als dilletantisch und als Analphabeten zu bezeichnen. Bei jedem von uns gibt es zig Dinge, die man nicht weiß bzw. wo andere mehr wissen. Gegenseitige Information und Austausch ja, aber keine zu raschen Urteile.
Gabi
20. Juni 2009 um 13:30
Wieso allzu schnell? Ich lese dieses Blog lange genug (habe mir nicht notiert, wann zum ersten Mal, aber vermutlich mindestens 1 Jahr wenn nicht noch länger).
22. Juni 2009 um 10:45
Ich denke das Grundproblem ist die verbreitete Ansicht, dass jeder Lehrer/Dozent/Professor denkt, dass sein Unterricht mit seinen Schwerpunkten so individuell ist, dass es gar nicht möglich wäre, anderes Unterrichtsmaterial einzusetzen. Dozenten sind daher Einzelkämpfer und keine Teamplayer und daher haben es auch Communities schwer. Die bisherige Lehrstruktur unterstützt diesen Ansatz. Es ist immer irgendwie genug Geld da, um alles selbst zu machen, über eine Zusammenarbeit nachzudenken, war nicht erforderlich. Erst der Einsatz von High-Qualitiy Content (z.B. Animationen, Podcast, Videos) macht eine kooperative Zusammenarbeit erforderlich. Daher ist E-Learning auch mehr als nur ein Werkzeug, es könnte der Anstoss für Communities sein 🙂
Gruss aus dem Norden
Andreas
22. Juni 2009 um 11:18
Ja, das ist sicher einer der Gründe! Auch Unsicherheit aber könnte eine Rolle spielen, nach dem Motto „Sind meine Sachen überhaupt gut genug?“
Gabi