Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Nicht zu Ende gedacht

Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat am Dienstag mit Vertretern des Aktionsbündnisses Bildungsstreik, Studentenvertretern und Vertretern des deutschen Hochschulsystems beraten. Viel schient nicht dabei herausgekommen zu sein. In der Pressemeldung des bmbf heißt es: „Ich möchte fünf konkrete Punkte benennen, die zentral sind und die wir mit dem heutigen Tag auf den Weg bringen werden“. Was sind das für fünf Punkte? Ich zähle mal auf (Zitate aus der Pressemeldung) und mache mir dazu meine eigenen Gedanken:

(1) „Strukturreform muss verbunden werden mit der Erneuerung der Curricula.“ Wie wäre es, wenn man die Fachvertreter selbst entscheiden ließe und endlich den Akkreditierungsunsinn stoppen würde, der zu seltsamen Curricula geführt hat? Dazu allerdings wird nirgendwo gesagt. Akkreditiert wird offenbar weiter, obwohl man sich ja einig ist, dass nicht die „Idee Bologna“, sondern die durch Akkreditierungsagenturen wesentlich mitbestimmten Umsetzungen das Problem sind.

(2) „Für die Länge des Bachelor-Studiums brauchen wir mehr Flexibilität. Es kann auch erforderlich sein, statt sechs auch sieben oder acht Semester im Bachelor-Studiengang zu studieren.“ Ja, das ist ja sinnvoll, scheint man doch allmählich einzusehen, dass man nicht alle Fächer in einen Topf werfen kann. Wer sagt es den Agenturen? Das vergisst man hoffentlich nicht.

(3) „Der Übergang vom Bachelor zum Master muss problemlos möglich sein. Studierende sollten selbst entscheiden können, ob sie einen Master machen wollen oder nicht. Ich bin gegen eine Quote.“ Ja, gute Idee, nur dann muss bitte auch eins passieren: Nämlich die Master-Studierenden bei der Berechnung von Kapazitäten mit einrechnen! Sonst landen wir nämlich wieder bei Seminaren mit einer Teilnehmerzahl von 60! Es ist ja ein Unding, den Master für die Unis und Fachvertreter als Luxus zu deklarieren und ausschließlich die Bachelor-Studierenden für Kapazitätsberechnungen heranzuziehen. Ich bin auch dafür, dass das jeder Studierender selbst entscheiden soll, ob er einen Master macht, aber es kann ja wohl nicht sein, dass Lehrende diese quasi nebenbei versorgen sollen. Genau das aber ist vielerorts der Fall, um zeigen zu können: Ja, wir schaffen es, Studienplätze zu schaffen! Dass die aber rechnerisch nach dem Bachelor aufhören, sagt man nämlich nicht dazu. Das ist ja wohl (wie so oft) nicht zu Ende gedacht!

(4) „Beratung und Betreuung der Studierenden müssen noch wesentlich besser werden.“ Ja, dafür bin ich auch – ich berate gerne Studierende (das mache ich lieber als Formulare ausfüllen und sinnlose Berichte schreiben), aber nicht hunderte gleichzeitig, weil das nämlich schlicht nicht geht. Und wenn wir nicht permanent so viele bürokratische Hürden hätten, bräuchten wir auch nicht so viel Beratung: Denn die Beratungen, die wir leisten, sind nur zu einem kleinen Teil inhaltlicher, aber zu einem großen Teil verwaltungstechnischer Art (ein Beispiel liefert Michael Kerres hier zum Thema Studiengebühren).

(5) „Wir werden eine Studie in Auftrag geben, die untersucht, wo die Bachelor-Studenten nach ihrem Abschluss unterkommen – in Unternehmen, in der Wissenschaft oder in einem anderen Bereich. Das erlaubt dann konkrete Aussagen darüber, wie gut Bachelor-Absolventen für den Beruf qualifiziert sind.“ Was genau ist das Ziel einer solchen Studie? Zu überprüfen, ob Unis schon Fachhochschulniveau haben? Es ist aus meiner Sicht höchste Zeit, sich ernsthaft über die Bedeutung des Begriffs „Berufsausbildung“ im Zusammenhang mit einem Universitätsstudium Gedanken zu machen. Das nämlich wird auch die Items einer Befragung in Rahmen einer solchen Studie stark beeinflussen – womit wir im Übrigen auch wieder beim Zweck der Universität wären: Vielleicht sollten wir erst mal eine Studie machen, was anspruchsvolle Berufe heute in der Wirtschaft und anderswo eigentlich an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten fordern (Stichwort: Wissensarbeit)? Vielleicht käme dann heraus, dass wir ohnehin auf dem Holzweg sind, wenn wir meinen, ein Universitätsstudium würde direkt für einen konkrete Beruf ausbilden und für die dort verlangten Tätigkeiten unmittelbar „qualifizieren“?

8 Kommentare

  1. danke für diese auseinandersetzung. ich stimme da völlig zu.
    allerdings ist die frage, ob da wirklich was zu erreichen ist. derzeit haben wir das problem, dass unsere studierenden die massen einfordern. die qualität der lehre ist ihnen egal. das lassen die fachschaften verlauten. sie wollen schnell fertig werden…daher ziehen sie stellen aus studienmitteln vor, auf denen dann frische absolventen 13 sws im semester lehren…
    .
    dabei ist nicht nur nicht an qualität der lehre zu denken, sondern natürlich auch nicht an qualifizierung des nachwuchses

  2. „Master-Studierenden bei der Berechnung von Kapazitäten einbeziehen“ > wie bitte? das erscheint doch selbstverständlich? ein Problem des Instituts, der U Augsburg oder von BY? Bei der Akkreditierung zumindest muss doch das gesamte Lehrtableau einer Einrichtung angegeben werden …

  3. @Michael: Hmm, na ja, ich weiß nicht, wie es woanders gehandhabt wird: Wir haben bis jetzt den Master sozusagen immer als Add-on gestemmt. Erst seit kurzem haben wir uns hierfür eine Kapazität erkämpft, was aber bei den Studierenden natürlich so ankommt, als würden wir sie raushaben wollen. Doch alles, was wir haben sind, sind tragbare Lehr- und Studienbedingungen.
    @Marc: Es gibt sicher solche und solche Studierende. Schnell fertig werden, ist in der Tat keine seltene Hauptmotivation. Aber man muss sich auch fragen, woher die kommt: Viele Studienanfänger haben internalisiert, was man ihnen von allen Seiten einimpft, was sie aus den Medien hören etc. Das ist letztlich Ausdruck einer gesellschaftlichen Grundstimmung – leider.

  4. Deine Zeilen lassen mich grübeln und eine Frage bei mir wieder aufkommen. Wie ist das mit den Bachelor-Abschlüssen insgesamt. Ist den jeder BA-Abschluss gleich (Uni, Fachhochschulen, Staatliche Berufsakademie)? Was auch nicht geklärt ist, bitte verbessern wenn es nicht stimmt, Erkennt den jede Uni die belegten Module eines anderen Bundeslandes an? Ich wage jetzt nicht nach dem Wechsel zum Master über Ländergrenzen oder Staatsgrenzen zu fragen. Werde die Abschlüsse anerkannt? Ich weiß nur, dass ein Wechsel BA NRW zum MA Sachsen ein abenteuerliches Unterfangen ist.

  5. Ziel des Bologna-Prozesses ist es, eine gleichwertige Anerkennung von FH und Uni-Bachelor zu erreichen, sodass man mit einem FH-Bachelor auch einen Uni-Master machen kann. Letztlich aber regelt das die konkrete Prüfungsordnung (PO). Man muss sich also IMMER die POen genau anschauen. Modulanerkennungen sollen natürlich möglich sein, aber hier entscheiden jeweils die Prüfungsausschüsse, ob eine inhaltliche Äquivalenz der Module vorliegt. Das ist immer schwer zu beurteilen und kostet sehr viel Zeit. Auf keinen Fall kann man sich darauf verlassen, dass Module an vielen Orten anerkannt werden. Am Ende sind das alles Einzefallentscheidungen. Dass der Wechsel von BA zu MA schwer ist, liegt u.a. auch an organisatorischen Gründen: Man brächte das BA-Zeugnis für die MA-Bewerbung, aber das liegt fast nie zum erforderlichen Zeitpunkt vor – logischerweise, wenn man bis Semesterende noch die letzten LP macht und Dozenten auch nicht innerhalb einer Woche zig Abschlussarbeiten begutachten können. Also wie gegsagt: Alles NICHT zu Ende gedacht.
    Gabi

  6. Ich dachte immer BA=Vordiplom und MA=Hauptdiplom.
    Stimmt das nicht? Kann man im BA Studium keine MA-Scheine machen?
    Mein Diplom ist schon lange her und ich verstehe bald nichts mehr.
    Stimmt es eigentlich, dass der Bologna Prozeß Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen vorschreibt?
    Was hat denn das alles noch mit Uni zu tun?

  7. Nein, das stimmt so nicht: Der BA ist ein „berufsqualifizierender Abschluss“, während das Vordiplom kein Abschluss war. Im BA-Studium darf man keine MA-Scheine bzw. -LP machen. Das mir Anwesenheitspflicht dagegen stimmt so nicht: Das ist wie früher auch eine Entscheidung der Dozenten oder der Studiengangsentwickler. In den Bologna-Beschlüssen steht so etwas nicht.
    Gabi

  8. Sie hat doch wirklich „unterkommen“ gesagt/geschrieben/schreiben lassen.
    Da verrät die Sprache doch einiges über garantiert zukunfts-un-fähige Denkmodelle. Ich empfehle ein paar Texte von Wolf Lotter und die Interviews von Lotter, Sprenger und Friebe hier http://www.bahntv-online.de/btvo/site/index.php?s=5600&idts=208 (nicht wundern, das ist wirklich eine Website der Bahn 😉
    Karsten