Vor wenigen Tagen hat der Wissenschaftsrat „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Kommunikations- und Medienwissenschaften in Deutschland angesprochen“. Das Papier ist online zugänglich, nämlich hier.
Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Kommunikations- und Medienwissenschaften wichtige Impulse für kulturelle, ökonomische und technische Entwicklungen unserer Gesellschaft gibt, wie es in dem über 160-Seiten-Papier heißt. Aber was verbirgt sich hinter der Bezeichnung „die Kommunikations- und Medienwissenschaften“. Leider macht sich das Papier nicht zur Aufgabe, das zu klären, sondern gibt bereits eine Definition vor bzw. schlägt eine dreifache Ausrichtung der „die Kommunikations- und Medienwissenschaften vor, nämlich in die kommunikationswissenschaftliche Richtung, eine kulturwissenschaftliche Richtung und eine technologische Richtung, wobei letzteres ausschließlich auf die Informatik bezogen wird.
Ich möchte im Folgenden zu diesem Papier Stellung nehmen, zum einen weil wir mit unserem Studiengang „Medien und Kommunikation“ direkt betroffen sind (worauf ich hier allerdings nicht weiter eingehen werde, weil das eher Interna sind) und zum anderen – an der Stelle wichtiger! – weil ich meine, dass alle bildungswissenschaftlichen Fachrichtungen, die in den letzten Jahren einen erheblichen Anteil an der Erforschung vor allem digitaler Medien haben, systematisch ausgeklammert werden, was ich aus mehreren Gründen für geradezu fahrlässig halte. Wenn jemand Interesse an meinen Überlegungen hat, kann sich diese durchlesen:
3. Juni 2007 um 20:58
Liebe Gabi,
danke für deine Entdeckung des Papiers sowie deine Stellungnahme. Ich halte es für außerordentlich wichtig, der Arroganz der Medien- und Kommunikationswissenschaft, wie sie in diesem Papier zum Vorschein kommt, entgegenzutreten. Man mag zu den öffentlichen Diskussionen um Pfeiffer und Spitzer eingestellt sein wie man will, aber dadurch wird deutlich, dass Medien ein soziales, politisches und pädagogisches Phänomen sind und so auch wahrgenommen werden. Diese Perspektive zu vernachlässigen, heißt mit Scheuklappen durch die Medienwelt zu gehen. Ich denke, es notwendig ist,dass die professionspolitischen Verbände der Bildungswissenschaften zu diesem Papier offiziell Stellungnehmen.
Stefan Aufenanger
7. Juni 2007 um 05:42
Herr Spanhel hat mit folgende Mail gesendet und sich einverstanden erklärt, dass ich diese hier als Kommentar poste:
Liebe Frau Reinmann,
ich stimme Ihrer Stellungnahme zu dem Papier des Wissenschaftsrats zu den Kommunikations- und Medienwissenschaften weitgehend zu und unterstütze gerne Ihre Initiative. Insbesondere halte ich eine Klärung des Verhältnisses zwischen der Kommunikationswissenschaft und der Medienpädagogik für dringend erforderlich. Ich verweise dazu auf meinen eigenen Ansatz (Vgl. dazu meinen Beitrag in Sesink/Kerres/Moser: Jahrbuch Medienpädagogik 6. Wiesbaden 2007, S. 33 ff. Dort findet sich auch ein entsprechender Beitrag von Paus-Hasebrink, S. 315 ff. Ich möchte Sie zur Unterstützung Ihrer Argumentation auch auf den Sammelband von Paus-Haase u.a.: Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft Wiesbaden 2002 verweisen.
Beste Grüße
Dieter Spanhel
7. Juni 2007 um 05:48
Siehe auch
http://mediendidaktik.uni-duisburg-essen.de/node/3840
11. Juni 2007 um 14:34
Liebe Frau Reinmann,
überwiegend neige ich der Auffassung von Herrn Kerres zu (siehe Link unter 3.); halte es dennoch wie Stefan Aufenanger für richtig, die Berücksichtigung des Beitrags der Bildungswissenschaften einzufordern. Stärker wäre die Position natürlich, wenn die Bildungswissenschaften sich insgesamt engagierter der Medienthematik annehmen würden; das gilt ganz besonders für den Bereich der Neuen Medien. Die geringe „Sichtbarkeit“ dieses Beitrags ist m.E. nicht nur Ignoranz oder Blindheit. Dass es einige Kolleginnen und Kollegen gibt, die da Beispielhaftes leisten, soll damit keinesfalls in Abrede gestellt werden (darauf hat Dieter Spanhel hingewiesen). Aber sie bilden nicht gerade einen Mainstream im „großen Teich“ der Bildungswissenschaften.
Herzliche Grüße
Werner Sesink
11. Juni 2007 um 14:46
Hallo Herr Sesink,
ja, das stimmt freilich schon, dass sich viele Bildungswissenschaftler oder Pädagogen beim Medienthema „zurückhalten“ und/oder mit ihrer Arbeit nicht sichtbar sind. Da haben Sie völlig recht und das ist auch ein berechtiger Hinweis. Aber gehen Veränderungen denn vom „Mainstream“ aus? Ich definiere meine Ziele eher ungern an dem, was irgendwelche Gesellschaften oder Fachverbände oder „Leifiguren“ in einzelnen Fächern als wichtig erachten, sondern eher daran, was man beobachten kann, was praktisch relevant ist. Und beobachten kann man, dass Medien ein so relevanter Bestandteil der Lebenswelt sind und letztlich richtig viele und komplexe Kompetenzen erfordern, damit der Umgang mit diesen Medien verantwortungsvoll, sozial verträglich und persönlichkeitsbildend erfolgt (sowohl auf der Nutzer- als auch auf der Macherseite), dass es ein Unding ist, das Thema Bildung nicht zu sehen oder aber schlicht der Informatik zu übertragen.
Gabi
3. Juli 2007 um 13:23
Liebe Frau Reinmann,
nein, keinesfalls wollte ich empfehlen, sich am „Mainstream“ zu orientieren. Es ging mir nur darum, die mangelnde Sichtbarkeit nicht nur auf die Blindheit anderer Disziplinen zurückzuführen.
Wie Sie halte ich das Thema der Medien für ein so zentrales, dass es m.E. in den Kern aller grundsätzlicheren Überlegungen zu Stellenwert und Perspektive der Pädagogik gehört.
Ich selbst bin ja aus diesem Grunde von ganz „woanders“ her zur Medienpädagogik gelangt.
Im Forschungsschwerpunkt E-Learning (u.a. DFG-GK) an der TU Darmstadt haben wir ein höchst lebendiges Miteinander von geistes-, sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen. Und da ist auch völlig unbestritten, wie zentral das Thema Bildung dafür ist.
Beste Grüße
Werner Sesink