„Zukunft jetzt – Wie wir leben, lernen, arbeiten“ – so heißt eine Reihe von SWR 2 Aula, die man auch online hier abrufen kann. Folge 8, auf die mich Sandra aufmerksam gemacht hat, dreht sich um die Universität. Es spricht Detlef Müller-Böling zum Thema „Autonom und forschungsintensiv – Die Universität der Zukunft“. 25 Minuten ca. dauert Müller-Bölings Zukunftsszenario der deutschen Universitäten und es gäbe eine ganze Reihe von Punkten, an denen man aus meiner Sicht viel und kontrovers diskutieren könnte. Wie zu erwarten, ist viel von Leistung, Exzellenz und Qualität die Rede. Aber auch das Wort Vielfalt hört man erstaunlich oft, als wolle man damit den kritischen Kommentaren gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln nehmen (nach dem Motto: Wenn Vielfalt herrsch, findet jeder Querulant schon irgendwo seinen Platz).
Aber ich möchte mich auf einen speziellen Aspekt konzentrieren, nämlich auf Müller-Bölings Postulat der Trennung von „Wissensproduktion“ – also von Forschung – auf der einen Seite und von „Wissensvermittlung“ – also von Lehre – auf der anderen Seite. Eine wie auch immer geartete Einheit von Forschung und Lehre ist für Müller Böling nichts als eine lästige Monstranz, die die ewig Gestrigen vor sich hertragen – blind für die moderne Welt, die nach Arbeitsteilung verlangt. Forschung und Lehre und dazu auch noch Prüfen – so sein Szenario – würden sich zunehmend voneinander trennen, bisherige Zusammenhänge, die hier bestehen, würden sich „auflösen“. Mit anderen Worten: Forschung in vielen Disziplinen gleichzeitig sei künftig wohl auf drei bis fünf Spitzenuniversitäten in Deutschland beschränkt. Ein bisschen Forschung in einzelnen Disziplinen sei an Hochschulen mit „Forschungsleuchttürmen“ möglich und dann gäbe es noch viele Hochschulen, die eine „regionale Versorgung mit Bildung“ sicherstellen sollten – ohne Forschung, versteht sich. Als Beispiel für die Sinnhaftigkeit einer solchen Trennung, bei der jede Hochschule dann das mache könne, was sie gut kann (oder umgekehrt, dass sie nicht mehr das machen müsse, was sie nicht kann), nennt Müller-Böling die Virtuelle Hochschule Bayern – als handle es sich dabei um eine eigene Hochschule und nicht um ein Verbundprojekt, das gänzlich andere Ziele verfolgt als eine normale Universität. Genauso deplatziert wie dieses Beispiel ist aus meiner Sicht der Vergleich reiner „Lehr-Hochschulen“ (wobei er diesen Begriff nicht nennt) mit dem Breitensport – als könne man nicht genau beim Sport wunderschön sehen, wie sich der Spitzensport vom Breitensport entkoppelt hat. Vielleicht hätte er diese Analogie besser mal zu Ende gedacht.
Damit man aber auf keine dummen Gedanken kommt und all diese ökonomisch höchst anschlussfähigen Formal-Forderungen in Zweifel zieht, ist das Schlusswort dann doch wieder recht pathetisch und scheinbar nah an den Vorstellungen derjenigen, die (noch) glauben, dass Forschung und Lehre sehr wohl zusammengehören. Er sagt: „Auch wenn die Universitäten im Detail sich grundlegend verändern, wenn sie anders aussehen in 20 Jahren als heute, …., so bleibt eines doch auf jeden Fall bestehen: Sie sind und sie werden bleiben Ort der Wahrheitssuche für Wissenschaftler und Ort der Ermutigung zur Wahrheitssuche für Studierende“. Wie das mit den vorangegangenen Forderungen zusammenpasst, ist mir ein Rätsel! Wer Universitäten haben will, die sich ausschließlich auf die Lehre konzentrieren, die „Kunden“ mit Bildungsware versorgen, und sich darauf beschränken, „Versorgungslücken“ zu füllen, der kann mir nicht erzählen, dass es ihm darum geht, Wahrheit suchende, fragende und aufgeklärte Menschen zu fördern.
1. November 2009 um 19:10
Ich will Studierende doch gar nicht mit Wissen versorgen (so wie es Müller-Böling formuliert). Ich will, dass sie wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen lernen. Wir sind gerade auf dem besten Weg, mehr kompetenz- und weniger inhaltsorientiert zu denken. Wenn wir eine Universität hätten, in der es nur um die Vermittlung von Wissen geht, wäre das ein totaler Rückschritt. Hinzu käme noch, dass diejenigen, die ausschließlich lehren, nicht mehr an der aktuellen Forschung partizipieren würden und damit relativ bald relativ veralteten Schmuh vermitteln würden, eben weil sie nicht mehr „up-to-date“ sind.
1. November 2009 um 20:18
Nun ja, ich finde Inhalte nicht unwichtig – im Gegenteil. Erst in der Arbeit MIT einem Inhalt kann man ja das Denken üben. Da reichen aber oft genug exemplarische Inhalte und nicht irgendwelche Listen an Inhalten. Zu klären wäre dann natürlich auch, was man unter Wissen versteht. Wissen im Sinne von Erkenntnisstrukturen sind Grundlage des Handelns und dann als solche kein Gegensatz zum modernen Kompetenzbegriff! Wissen im Sinne von bloßer Information dagegen führt wieder zu ganz anderen Konsequenzen.
Gabi