Sind die Lehrjahre vorbei?, so lautet die Frage für das 2. Symposium „E-Learning an Hochschulen“, veranstaltet vom Medienzentrum der TU Dresden (9. bis 10. März 2010; hier das Programm). Ich habe heute – am zweiten Tag – einen Vortrag mit dem Titel „Kino fällt aus: Erfahrungen und Folgerungen aus einem Pilotprojekt zur mediendidaktischen Umgestaltung einer Vorlesung gehalten“. Mit diesem Vortrag berichte ich nun von ersten Evaluationsergebissen und Folgerungen aus meinem „Vorlesungsexperiment“, über das ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet habe (Konzept, Zwischenbericht, Abschluss). Eine genaue Auswertung der Ergebnisse und deren Präsentation in einem Bericht stehen allerdings noch aus. Das kommt dann im Laufe des Frühjahrs. Gerne aber mache an dieser Stelle schon mal mein Vortragsmanuskript zugänglich.
Bezogen auf den Titel des Symposiums komme ich, was meinen Vortrag betrifft, ganz klar auf die Antwort, dass die Lehrjahre (im E-Learning) keineswegs vorbei sind. Die dauern an und sie dauern so lange an, bis wir Wege gefunden haben, eine Hochschulbildung zu praktizieren, die nicht einseitig instrumentalisiert wird – und das scheint mir eine Daueraufgabe zu sein.
10. März 2010 um 22:14
Interessant wäre es zu wissen, ob mehr Engagement in den unterschiedlichen Aktivitäten sich auch in der Prüfung auszahlt. Hier liegt vielleicht eine Schwäche der „Self-Made-Klausur“: Studierende stellen Fragen, in Formaten, die sie selbst erwarten, nicht unbedingt solchen, für die man sich intensiv und reflektierend mit den Inhalten auseinandersetzen muss.
Habt ihr Daten, ob die Nutzung der verschiedenen Angebote subjektiv (Selbsteinschätzung) und objektiv (Note) einen Vorteil für die Prüfung gebracht hat?
Liebe Grüsse,
Tobias
11. März 2010 um 07:42
Hallo Tobias,
die Auswertungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir könenn die Selbsteinschätzungen mit den vorliegenden nicht-rekativen Daten natürlich nicht 100% matchen, das wäre nur gegangen, wenn wir die Anonymität aufgehoben hätten. Wir können aber infolge der Verwendung von Codewörtern einige Verläufe nachzeichnen – aber das dauert noch ein bisschen.
Vorab aber muss ich sagen, dass die offenen Antworten bereits darauf hinweisen, dass man bei hohem Engagement in der Wiki-Arbeit vor allem MEHR lernt als einfach nur Faktenwissen, das einem in der Klausur etwas bringt. Fragen stellen – das wird wenig geübt und ist doch für ein wissenschaftliches Denken und Arbeiten so wichtig.
Zu deinen kritischen Anmerkungen in Bezug auf die Frageformen ist noch zu sagen, dass ich bzw. wir recht viel Zeit in die Betreuung der Wiki-Arbeit getseckt haben: Ca. 3 bis 4 Stunden habe ich bei jedem Thema ausführlich die Fragen und Antworten korrigiert und Korrekturen erläutert, Fragen auch gestrichen und dies erläutert sowie stets weiterführende Hinweise gegeben, worauf man bei Fragen an den Text achten muss. Das war also schon eine betreute Angelegenheit. Dazu kommen die Hinwiese der Tutoren während der Bearbeitungszeit. Es sollte also schon so sein, dass man mit dieser Aktion auch etwas lernt und nicht einfach nur Fragen und Antworten sammelt. Diese Betreuung wurde von den Studierenden auch sehr positiv eingeschätzt. Eine Einschränkung ist auf jeden Fall das Fragefromat, weil man einfach nicht in angemesser Zeit an die 100 Essays korrigieren kann.
Wer NUR die Klausur im Blick hat, wird viele Haken finden bei diesem Versuch. Wer AUCH im Blick hat, dass man Dinge lernt, die man in den folgenden Semestern brauchen kann, wird eine etwas andere Perspektive haben. Aber es ist klar und auch bis zu einem geiwssen Grad nachvollziehbar, dass das Assessment und der Nutzen dafür aus Studierendenperspektive erst einmal Priorität hat.
Wichtig ist mir abschließend noch zu sagen, dass ich mit so einem Experiment NICHT suggerieren will, dass das jetzt ein Weg ist, der anderen überlegen ist. Es ist EIN Weg, der EINMAL im Studium für einen Studierenden durchaus interessant sein und neue Lernchancen bieten könnte. Ziel ist es nicht, andere Assesmentformen damit zu ersetzen. Aber ich bin der Auffassung, dass man auch mal Neues ausprobieren kann und muss, um das Bestehende sinnvoll weiterentwickeln zu können.
Gabi
11. März 2010 um 09:06
Hallo Gabi,
hmm, ich bin gerade zwiegespalten. Zum einen freut es mich, dass die Wiki-Arbeit als lehrreicht im Wortsinn empfunden wurde. Zum anderen befriedigt es mich nicht, dass (wie so oft bei guten und interessanten Lehrexperimenten) diejenigen in den „Genuss“ der lehrreichen Erfahrung kommen, die scheinbar ohnehin schon interessiert sind. Der Pädagoge in mir sagt, dass man doch auch und vor allem die kriegen müsste, die den Minimal-Approach fahren und damit auch (vielleicht sogar gut) durch die Klausur kommen. Denn: wenn auch die Minimalisten Erfahren, dass Engagement lehrreich ist (und vielleicht sogar noch Spass macht), ändert sich eventuell auch die Lernhaltung. Dann sind wir aber doch wieder beim Assessment, mit dem man solche Lernende „motivieren“ müsste.
Vielleicht wäre es interessant, über Klausurformate nachzudenken (vielleicht: Fragen formulieren oder Argumentationsstrukturen entwickeln als Aufgabe?), denn da wird das Massenproblem natürlich am eklatantesten (wie du gezeigt hast, kann man aktivierende Methoden mediengestützt auch bei grösseren Gruppen verwenden).
Den Beitrag übrigens nicht als Kritik verstehen – ich bin sehr begeistert vom neuen Vorlesungsansatz. Ist eher als Weiterdenken gemeint.
Tobias
11. März 2010 um 09:24
Hallo Tobias,
also man muss das im gesamten Kontext sehen. Ich stimme dir zu, dass es AUCH eine Aufgabe ist, möglichst viele Studierende abzuholen (nicht nur einzelne Gruppen). Die Evaluation speziell dieser Veranstaltung, um die es hier geht, hat allerdings ganz klar mehr Leute besser angeholt als die klassische Vorlesung (also jetzt bei dieser Einführung in diesem Studiengang). Dazu kommt, dass kein übermäßiges Engagement verlangt war – siehe den Hinweis zur Stoffreduktion im Konzept. Eher sind es da Gewohnheiten, die hinderlich wirken, aber nicht eine generelle Überforderung. Und schließlich handelt es sich um EIN Beispiel-Konzept. Andere Veranstaltungskonzepte, die ich schon verwendet habe und verwende, setzen andere Ansprüche und orientieren sich wieder an anderen Zielen. Man kann mit EINER Veranstaltungsform niemals alle erstrebenswerten Ziele erreichen. Man kann höchstens versuchen, dies in EINEM Studengangskonzept hinzubekommen. Und das ist eine ganz besondere und auch extrem wichtige Herausforderung!
Zu guter Letzt: Natürlich kann und soll man diese Erfahrungen hier (und das zugrundeliegende Konzept) kritisch beleuchten und jeder kann auch Kritik üben. Sonst würde ich es ja nicht online stellen. Nur durch solche Überlegungen und Fragen kommt man dann auch weiter, wenn es darum geht, Folgerungen aus den Erfahrungen zu ziehen.
Gabi
11. März 2010 um 10:41
Ich finde das neue Format als Alternative zur 90-Minuten-Vorlesung sehr spannend. Die Elemente zur Unterstützung der Lese- und Zuhörfähigkeiten, gekoppelt mit der Anreizsituation zur Mitbestimmung der Klausurfragen, eröffnet ganz einfach neue Lehr- Lernsituationen. Bleibt die Frage, wie man den „Deal“ mit den Studierenden (Stoffreduktion gegen Mitarbeit) noch deutlicher in den Vordergrund rücken könnte.
Vielen Dank für den horizonterweiternden Vortrag, verbunden mit der Bitte um Pardon für jenen Zuhörer, der mit seiner Nachfrage nach einem 3D-Kino die eigene Zuhörfähigkeit infrage stellte. Nein, Lesen und Hören sind keine antiquierten Methoden im E-Learning – es ist das Schnittstellen- und Effizienzdenken von Informatikern, das einem langsam zum Hals raus hängt ;-).
11. März 2010 um 12:06
Hallo Michael,
na ja, vielleicht ist der Tipp mit dem 3D gar nicht so schlecht, immerhin bekommt man in unserer technikgäubigen Welt eher Geld für neue Hard- und Software als für didaktische Konzepte, die mit Open Source auskommen ;-).
Aber im Ernst: Freut mich, wenn ich ein paar Impulse liefern und Erfahrungen weitergeben konnte!
Gabi
12. März 2010 um 00:25
Hallo Gabi,
ich wollte zu später Stunde nur kurz Interesse bekunden für eine Diskussion zu Punkt 5 „Kundenorientierung als Bildungshindernis“… vielleicht schaffen wir es medienvermittelt, dass auch Externe daran teilnehmen können 😉
Viele Grüße,
Sandra
12. März 2010 um 08:15
Hallo zusammen,
ja, ich möchte auch!! Weblog-Diskussionen sind zwar gut, um nicht mögliche Präsenz zu ergänzen, aber so ganz zufriedenstellend ist es im Vergleich zu reden halt doch nicht.
Tobias
15. März 2010 um 18:23
@Tobias – @Sandra: Was wollt ihr den jetzt genau? 😉 Ich verstehs nicht ganz.
Nur zur Klärung: Vergesst nicht – das ist ein Vortrag. Da spitzt man seine Botschaften natürlich auch ein bisschen zu. Für mich wichtg aber ist die Frage, was es heißen kann und darf, wenn man Lerner- oder Sudierenden-orientiert arbeitet. Man tut so, als sei das klar, aber das ist es ganz gar nicht!
Gabi
16. März 2010 um 12:02
Hier ein großes Lob für diesen Inspirierenden Vortrag. Ich finde es aber wichtig zu betonen, dass das vorgestellte Format nur EINE Alternative zur Präsenzvorlesung ist.
Schwer nachvollziehbar war mir jedoch, warum Studierende Schwierigkeiten beim Zuhören haben sollen. In Zeiten, wo sich Audio-Bücher, ja so gar Hörspiele und Features wachsender Beliebtheit unter jungen Menschen erfreuen und keine Generation je zuvor so viel mit dem Telefon kommunizierte, ist das für mich schwer nachvollziehbar. Die Anwendung von Audio-Podcats wirkte auf mich etwas aufgesetzt (weil lediglich unterhaltend) und prinzipiell austauschbar durch andere Medien und andere Konstrukte.
–niels
PS: Open Source und 3D schließen sich nicht gegenseitig aus und Gelder gibts auch für innovative OS Projekte.
16. März 2010 um 12:30
Hallo Niels,
selbstverständlich ist das Beispiel EIN Format von vielen möglichen und kein Ersatz für was auch immer. Daher war mir auch wichtig, die Kontextfaktoren und meine speziellen Motive für die Veranstaltung (in Augsburg) klar darzulegen. Ich hatte schon gehofft, dass das auch deutlich wird 😉 Warum das Zuhören so schwer fällt, würde ich auch gerne wissen. Das ist aber keineswegs eine singuläre Beobachtung und hat natürlich Gründe nicht nur auf der Rezipienten-, sondern auch auf der Produzentenseite. Ein Missverständnis (wie auch bei manchen Studirenden) ist, dass der Podcast vor allem der Unterhaltung dient – genau das ist NICHT der Fall – nachzulesen im Text 🙂
Gabi
17. März 2010 um 19:06
Hallo Gabi,
ich kann natürlich nur für mich und nicht für Tobi sprechen, aber ich fände es sehr spannend, wenn wir uns in kleinerer Runde (z.B. Kolloq) oder größerer Runde (gern webbasiert) einmal diese (grundsätzlichen) Fragen vornehmen könnten:
„Sind wir „kundenorientiert“ und tun das, was den Bedürfnissen des Kunden entspricht, damit wir bessere Evaluationsergebnisse und unsere Ruhe haben? Oder orientieren wir uns an Bildungszielen und tun das, was unsere Studierende in ihrer Aus- und Selbstbildung weiterbringt, ohne uns davor zu drücken, dafür auch die Verantwortung zu übernehmen?“ (S. 10)
Ich halte die Fragen für sehr zentral und meine, dass sich bisher wenige Gedanken darüber machen, welche Folgen Kunden- und/oder Serviceorientierung als Leitprinzip in der Bildung mit sich bringt und ob die Metapher Kundenorientierung im Zusammenhang mit Lernerzentrierung überhaupt taugt. Ich nehme mich da nicht völlig aus, da ich an sich auch lieber Lehrveranstaltungen anbiete, die bei den Studierenen Gefallen finden 😉
Liebe Grüße,
Sandra
18. März 2010 um 09:27
Ok – jetzt hab ich es verstanden. Ja, das werden wir 2010 als Thema auf jeden Fall in irgendeiner Form noch einmal aufgreifen 🙂
Gabi
18. März 2010 um 11:02
Super, das freut mich 🙂
Sandra
22. März 2010 um 14:28
Danke Sandra – so hatt ichs auch gemeint.
Tobias
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