Die OECD-Mitglieder haben im März 2008 grünes Licht für ein Projekt zur „Erfassung des Wissens und der Fähigkeiten von Erwachsenen“ gegeben (hier die Meldung. Das Kürzel ist nicht ganz so eingängig wie PISA – es lautet PIAAC: Programme for the International Assessment of Adult Competencies. Schwerpunkt sollen die kognitiven und beruflichen Fähigkeiten (genauer: das Kompetenzniveau in Mathematik, Leseverständnis und beim Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien) sein, die zur erfolgreichen Teilnahme am Arbeitsleben Voraussetzung sind. Es soll daneben untersucht werde, wie diese Kompetenzen Einkommen, Beschäftigung und die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen beeinflussen.
Ich finde das gar nicht schlecht, was mich aber stört ist, dass der primäre Fokus mal wieder auf der Frage liegt, ob und inwieweit Wissen und Fähigkeiten der Erwachsenen dergestalt sind, dass es sich (so heißt es auch in der Pressemeldung dazu) positiv auf das „Humankapital“ der Länder im globalen Wettbewerb auswirkt. Wäre es nicht auch wichtig, neben dem verwertbaren Kompetenzniveau nach einem Bildungsniveau zu fragen und es zu untersuchen, das z.B. Demokratiefähigkeit i.w.S. stärkt? Kritikfähigkeit in einer Welt, die von Medien durchsetzt ist? Toleranz und Aufgeklärtheit in Gesellschaften, in denen religiöse Konflikte zunehmen? Ich bin kein „Ökonomiefeind“: Die Wirtschaft ist ein ganz wesentlicher Teil unserer Gesellschaft; Arbeit ist Teil des Lebens von Erwachsenen und sie ist wichtig nicht nur für den Lebensunterhalt, sondern auch für die eigene Identität. Unternehmerisches Denken ist eine spannende Angelegenheit und Unternehmen können viel bewegen, wenn sie verantwortungsvoll wirtschaften. Wir alle müssen täglich ökonomische Prinzipien berücksichtigen – und das ist im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen gut so. Warum aber engen wir in den letzten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, beinahe alles darauf ein?
Zurück zu PIAAC: „Leseverständnis“ – das ist z.B. hervorragend, dass man das erheben will (Nachtrag: Fragt sich nur wie; siehe hierzu den Kommentar zu diesem Beitrag): Denn nur wer lesen kann, wer versteht, was er/sie liest, wird in unserer Gesellschaft zurecht kommen. Es ist auch eine Voraussetzung für eigene Artikulationsfähigkeit – aber die brauche ich ja bei Leibe nicht nur, um meinen Job gut machen zu können: Das ist die Eintrittskarte für Teilhabe an einer Gesellschaft (und die besteht nicht nur aus Ökonomie, sondern auch aus Kultur und Politik), für sozialverträgliche Problemlösungen und und und. Ich glaube, es wird klar, was ich meine …. Mal sehen also, wie PIAAC letztlich umgesetzt wird: In den kommenden zwei Jahren wird das Instrumentarium entwickelt, 2010 soll es getestet werden, 2011 ist die erste Untrsuchung geplant.
21. April 2008 um 07:42
Zu den Anforderungen an eine solche Untersuchung und den Schwierigkeiten ihrer Umsetzung habe ich ausführlichere Anmerkungen gemacht unter:
http://www.agprim.uni-siegen.de/printbrue/brue.alpha-hh.druck.071022.doc.pdf
21. April 2008 um 07:51
Danke!! 🙂
Gabi Reinmann