Mein erstes „Trimester“ liegt nun schon wieder zwei Monate hinter mir. Bald folgt die lange „Vorlesungsphase“ – nur von ganz wenigen Wochen (Weihnachten z.B.) unterbrochen, und ich bin mal gespannt, wie sich das so auf meine Arbeitsroutinen auswirkt, wenn die „Pause“ von Mitte/Ende Februar bis bitte April fehlt. Das ist das eine, das andere sind meine ersten Erfahrungen mit den Studierenden der UniBw. Wie fange ich da jetzt an? Vielleicht mit meiner falschen Annahme, ich wüsste, wie man Lehrveranstaltungen so gestaltet, dass zumindest die Mehrheit der Studierenden mitzieht und am Ende zufriedenstellende Ergebnisse resultieren. Genau das nämlich ist mir zwischen April und Juni 2010 eher nicht gelungen. Nun muss ich allerdings (zur Vermeidung allzu einseitiger Zuschreibungen) dazu sagen, dass ich bereits im letzten Augsburger „Vorlesungsexperiment“ (siehe z.B. hier) ziemlich ernüchtert war und auch im MuK-Studiengang Veränderungen in den letzten Semestern festgestellt hatte, was z.B. Experimentierfreude, Basisfähigkeiten und Engagement der Studierenden betrifft (wofür es viele Gründe geben kann, auf die ich hier jetzt nicht eingehe). Trotz dieser Relativierung muss ich zugeben, dass es mich in München erst mal besonders kalt erwischt hat. Zum Thema Didaktisches Design habe ich auf der Grundlage meines Studientextes (hier) eine Veranstaltung für insgesamt 70 Studierende angeboten und diese – so meine ich – einigermaßen interaktiv aufgebaut. Damit man sich ein Bild machen kann, hier das Konzept (der Leitfaden quasi für mich und meine beiden Mitarbeiter).
Ähnlich habe ich bereits in Augsburg mehrfach gearbeitet, etwa zum Thema Wissensmanagement, zu dem es einen analogen Studientext gibt (hier). Die Erfahrungen waren bei diesem Konzept immer recht positiv. Das war der Plan. Aber einiges kam anders. Da mein Laut-Denk-Protokoll etwas länger geworden ist, habe ich es in einem Dokument gespeichert. Hier ist es:
31. August 2010 um 16:47
Ja, Frau Reinmann, ich habe ähnliche Erfahrungen in der Jugendhilfe gemacht.
Aber ist es nicht so, dass wer gar nicht kommt auch nichts lernen kann.
Bei der Lektüre ihres Beitrages kam mir die Idee doch mal das Lehrangebot für die erste Hälfte in zwei Unterkurse zu teilen(sofern dies geht).Die Hälfte des Kurses kommt auf freiwilliger Basis, bei der zweiten Hälfte gibt es Anwesenheitskontrolle. Zur Mitte des Kurses kommen beide Kursteile zusammen und es gibt eine Lernstandsabfrage. Wenn Dewey Recht hat, müsste dieser Erfahrungsaustausch, zumindest bei einigen Studenten, die intrinsische Motivation erhöhen.
Na ja, vielleicht kann man ja sowas im Lehrbetrieb gar nicht machen. Aber ich dachte, schreibs mal auf.
Dieter Fischer
1. September 2010 um 05:45
Klra, immer aufschreiben! Wäre in der Tat ein interssantes Experiment! Und der Vergleich mit der Jugendhilfe – sehr schön – irgendwie ist das ja bisweilen auch so was wie Jugendhilfe, was man an der Uni macht 😉
Gabi
1. September 2010 um 21:19
Mir fiel bei der Lektüre des Gedankenprotokolls ein Spruch von meinem früheren Physiklehrer ein: „Schüler wie Elektronen gehen immer den Weg des geringsten Widerstandes.“ Das sollte in Bezug auf das Lernverhalten heißen: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“
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3. September 2010 um 20:47
Ein spannender Einblick. Ich wäre fleißig hingegangen, wenn es sich gelohnt hätte, ein paar Freunde auch, die meisten anderen nicht. So war es zu meiner Studienzeit. (Vorstellungen davon, wie Einführungsvorlesungen aussehen sollten, hatte ich allerdings gar keine, woher auch?)
4. September 2010 um 00:15
Danke für diese tolle Reflexion und Einblicke in die Erfahrungswelt eines „Lehr-Profis“. Ich als „Lehr-Novize“ hatte letztes Semester leider ein ähnliches Erlebnis, was mich wirklich beschäftigt und teilweise auch demotiviert hat. Dank dem Text bin ich jetzt wieder etwas optimistischer. Allerdings will auch ich nach wie vor keine Anwesenheitslisten führen, denn wenn die Studierenden nicht selbst auf den Trichter kommen, dass sie alle hier freiwillig sitzen (inwiefern diees auf die Lernenden an der UniBW zutrifft weiss ich nicht), dann kann man ihnen vermutlich auch nicht helfen.
VG,
Crossyard
4. September 2010 um 05:49
@Herr Rau: Das mit den Erwartungen ist in der Tat eine wichtige Sache. Als Studienanfänger (in meinem Fall waren die Studierenden allerdings bereits im dritten Trimester) weiß man nicht genau, was einen erwartet, aber man hat dennoch diffuse Vorstellungen und da müssten wir die Studierenden besser abholen und von Anfang an daran arbeiten, dass eine andere Haltung zur Hochschulbildung entsteht: Diese erfordert nämlich das Zutun der Lehrenden UND der Studierenden. Aber das ist nicht leicht: Ich versuche das an sich immer – mit Worten, Folien und natürlich auch indirekt durch Lehrangebote selbst … aber Hören ist das eine, Verstehen das andere.
@Crossyard: Kurze Erläuterung zur „Freiwilligkeit“: Auch junge Menschen, die sich für ein Studium an einer der beiden Universitäten der Bundeswehr entscheiden, tun das natürlich freiwillig. Logisch gibt es auch Leute, die vor allem zur Bundeswehr wollen und das Studium (das für einen Beruf NACH der Bundeswehr ausbilden soll) dann „in Kauf nehmen“, aber ähnliche Phänomene hat man an den Landesuniversitäten („ich will X werden, na gut, da brauch ich halt dieses Studium“). Auch kommt nicht jeder in den Studiengang, den er an sich will, wenn die Plätze voll sind – aber auch das gilt ja leider an den Landesuniversitäten ebenfalls. Und das sind schon das Interesse einschränkende Faktoren – dazu kommt, dass man sich freilich nicht für alles brennend interessieren KANN.
Wenn der Text ermutigend wirkt, dann hat er jedenfalls seinen Zweck erfüllt! Es erscheint mir wichtig, dass nicht jeder, dem es ähnlich geht, denkt, er habe das Problem allein :-).
Gabi
4. September 2010 um 12:32
Danke für diesen offenen Beitrag! Er macht auch mir als „Lehr-Novize“ Mut – obwohl ich andersherum auch selbst schon hellauf begeistert war vom Engagement von Studierenden; es hat also auch schon mal gut geklappt 🙂
Anwesenheit zu erzwingen finde ich übrigens auch nicht sinnvoll. Studierende sind erwachsene Menschen, die selbst entscheiden (können) sollten, ob sie eine Veranstaltung besuchen oder nicht. Mich würde interessieren, ob das mit der „Absage“ klappt, um Planungssicherheit für die Anzahl der Teilnehmer zu bekommen.
4. September 2010 um 15:05
Ja, Gott sei Dank gibt es auch Erfolge! Natürlich. Sonst hätte ich wahrscheinlich schon viel mehr als nur ein paar einzelne graue Haare ;-). Es gibt immer sehr engagierte Studierende und das hat vor allem in Augsburg zu einer besonderen Kultur geführt. Negative Erfahrungen sollen und dürfen das selbstverständlich nicht nivellieren.
Ob das mit dem „Abmelden“ klappt, kann ich im Winter gerne berichten.
Gabi
7. September 2010 um 14:16
Hallo Gabi, kann es nicht auch daran liegen, dass die Fähigkeit, sich auf etwas länger zu konzentrieren, abnimmt? Wünschst Du Dir mehr Lernbereitschaft oder mehr Lernfähigkeit?
7. September 2010 um 15:17
Nein, das glaube ich nicht, dass es quasi „evolutionsbedingte Fähigkeitsänderungen“ gibt – nicht in so kurzer Zeit jedenfalls ;-). Die Lernbereitschaft ist zunächst wichtiger. Um Fähigkeiten aufzubauen, sind ja AUCH die Lehrenden da; das obliegt durchaus der gemeinsamen Verantwortung.
Gabi
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