Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Sitzungsgeschädigt

Sitzungen an der Universität sind unvermeidlich und wohl auch unverzichtbar. Die Übernahme von Ämtern in der akademischen Selbstverwaltung ist ebenfalls eine Notwendigkeit und Professoren sind dazu verpflichtet – es gehört AUCH in ihr Aufgabengebiet. Je mehr Aufgaben und Ämter es gibt und je stärker bürokratische Vorgänge aufgebläht werden, umso höher wird der Informations- und Kommunikationsbedarf an den Fakultäten. Das wiederum führt zu zahlreichen Sitzungen, und die – so meine zunehmende Erfahrung – laufen im harmlosen Fall einfach nur ineffizient, im schlimmsten Fall zermürbend ab. Zermürbend wird es dann, wenn man zu keinen oder nur halben Entscheidungen kommt, obschon man großen Informations- und Kommunikationsaufwand betrieben hat. Ich denke, jeder kennt es: Es kommt leider oft vor, wenn auch sicher nicht immer. Ich jedenfalls fühle mich zunehmend sitzungsgeschädigt. Insbesondere zweifle ich am Sinn besonders vieler und langer Sitzungen, die manche für notwendig halten, um etwas auszudiskutieren. Aber: Bereits nach zwei Stunden lässt bei den meisten die Konzentration nach und die Stimmung wird gereizter.

Gestern war wieder so ein Tag und dann stelle ich mir schon die Frage, ob man dieses Problem nicht zumindest angehen müsste. Zum einen ist es ein strukturelles Problem, das man nicht individuell lösen kann: Es ist ein Unding, dass der Zeitanteil für Aufgaben außerhalb von Forschung und Lehre dermaßen überdimensional wird. Warum kann man sich dagegen nicht wehren? Meine These ist, dass einer der Gründe für diesen Umstand darin besteht, an den Universitäten (und nicht nur dort) wirklich ALLES regeln zu wollen, was dann die bürokratischen Vorgänge wachsen lässt. Zum anderen ist es aber auch ein operatives Problem. Ich denke, in vielen Aspekten könnte man mit verfügbaren Sitzungszeiten auch effizienter umgehen: Eine stringente virtuelle Vor- und Nachbereitung könnte schon mal Entlastung schaffen und – so meine nächste These – die Qualität von Diskussionen und Entscheidungen auch verbessern. Das aber erfordert Disziplin und eine gewisse Medienkompetenz (was wir ja auch von den Studierenden fordern). Und da hakt es schon mal. Daher wird es wohl vorerst dabei bleiben, dass man so manchen Abend sitzungsgeschädigt nur noch mit völlig leerem Kopf etwas Anspruchsloses konsumieren kann.

7 Kommentare

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  2. „Meine These ist, dass einer der Gründe für diesen Umstand darin besteht, an den Universitäten (und nicht nur dort) wirklich ALLES regeln zu wollen, was dann die bürokratischen Vorgänge wachsen lässt.“ Max Weber war schneller mit der These 🙂
    Meine Erfahrungen mit Sitzungen an Unis sind ähnlich, wenngleich ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter natürlich deutlich weniger Einblicke habe; vorher war ich als Unternehmensberater in der Praxis und habe es dort ganz anders erlebt.
    Die genauen Rahmenbedingungen bei euch kenne ich nicht, aber hier hakt es auch meines Erachtens an der Vor- und Nachbereitung. Habe es schon häufiger erlebt, dass man zu einem Termin eingeladen wird, aber noch nicht einmal eine Tagesordnung zur Vorbereitung mitgeliefert wird – aber auch das könnte man umgehen.
    Als sehr hilfreich empfinde ich statt eines Textprotokolls (wenn es das denn mal gibt) ein schlichtes Tabellendokument, das fortlaufend gepflegt wird und in dem Informationen und Beschlüsse festgehalten werden, aber vor allem auch ausstehende Aufgaben samt Frist, Verantwortlichkeit und Status. So behält man den Überblick. Das kann man im einfachsten Fall nach einer Sitzung aktualisiert verteilen, oder eleganter „in der Wolke“ vorhalten und dort (ggf. sinnvoll verteilt) pflegen und dort auch für den nächsten Termin (den man direkt vereinbaren sollte) sehen, was vom vorherigen Treffen noch offen oder neu auf die Agenda gekommen ist. Undisziplin weil unvorbereitetes Erscheinen wird man dadurch auch nicht bei allen beseitigen, aber es hilft, wenn Transparenz geschaffen wird.
    Während einer Sitzung hilft oft nur ein klar festgelegter und legitimierter Leiter, der zwar auch mal Abschweifungen zulässt, aber stets das Ziel vor Augen hat und entsprechend lenkt. Sonst kommt man manchmal einfach nicht voran.
    Ist eigentlich alles nur Handwerk.

  3. So ist es. Das sind sinnvolle und auch im Prinzip leicht umsetzbare Vorschläge. Aber wo wird dieses Handwerk tatsächlich praktiziert? Und was nutzen z.B. Dokumente in virtuellen Räumen, wenn sie dann doch niemand betritt (einiges schon versucht). Die Sache mit der „Medienkompetenz“ ist wirklich DAS Problem – was Max Weber leider noch nicht vorhersehen konnte 😉
    Gabi

  4. Wie gesagt, Praxis der Unternehmensberater. Sie bereiten die Infos im Hintergrund so auf, wie sie der Kunde am besten verarbeiten kann und koordinieren Dinge im Hintergrund, haben beispielsweise auch zwischen Sitzungen den Überblick über offene Aufgaben, …
    Eigentlich kein Hexenwerk, aber offenbar werden solche Dienstleistungen eingekauft, weil sich einige nicht um so etwas kümmern.
    Ist das wirklich eine Frage der Medienkompetenz? Das könnte man auch alles (sicher umständlicher) mit ganz einfachen Mitteln erledigen. Wenn aber Zeit oder Wille dazu fehlen… Am Anfang steht vermutlich die Einsicht, dass es sinnvoll wäre, etwas zu ändern. Dazu kann man dann eine Sitzung abhalten… 😉

  5. Ja, das ist schon richtig: So schwer ist es eigentlich nicht (mehr), sodass es naheliegt, den Grund im Wollen zu suchen. Aber weiß amn es genau? 😉
    Gabi

  6. Es gibt eine interessante Idee aus dem Softwaretechnik: Stand-up meetings.
    Es gibt keine Stühle, höchstens Stehtische. Ich träume sogar von ein Whiteboard-Touchscreen mit Bluetooth Tastatur, damit ein Protokoll entstehen kann. In der SCRUM Methodology gibt es täglich eine Stand-up meeting, maximal 15 Minuten. Klappt allerdings nur in kleineren Gruppen…

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