Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Trends beschreiben oder setzen?

Das Institut für Medien- und Kompetenzforschung (ein privates Forschungsinstitut; das ist aus meiner Sicht schon wichtig zu wissen, da der Begriff „Institut“ eine Verbindung zu Hochschule nahelegt) hat einen neuen Trendmonitor zum E-Learning in Unternehmen (online hier abzurufen) vorgelegt (siehe auch den Blogbeitrag dazu von Jochen Robes). Zugrunde liegt eine Befragung von 53 Experten aus der „Bildungswirtschaft“, die auf der CeBIT befragt wurden (das Vorgehen wird kurz auf Seite 9 dargestellt). Nicht ganz klar ist mir, inwiefern es sich dabei wirklich um eine Delphi-Befragung (hier findet man eine gute Darstellung der Delphi-Methode von der Uni Leipzig) handelt, der mindestens zwei Befragungszyklen zugrundeliegen müssen (diese sind mit dem Hinweis auf Interview und Online-Fragebogen zu erahnen, aber leider nicht genau zu erkennen). Soweit zum Methodischen.

Was die Ergebnisse angeht, so zeigt sich u.a., dass Learning Management Systeme kaum mehr eine Rolle spielen, wobei zu vermuten ist, dass diese zur Selbstverständlichkeit geworden sind (was man z.B. an Hochschulen oder gar Schulen leider immer noch nicht in dieser Form behaupten kann). Online-Communities und Wikis wird eine hohe Zuwachsrate prognostiziert. E-Leraning und Wissensmanagement werden – so heißt es – „einander näher kommen“ (siehe hierzu auch das Themenheft der Zeitschrift für E-Learning aus dem letzten Jahr, wo wir ja offenbar einen Trend vorweggenommen haben ;-)). Interessant fand ich schließlich folgenden Satz: „Dass Hochschulen für die Weiterbildung in Unternehmen künftige eine „wichtige Rolle“ spielen werden, erwartet etwa jeder zweite Experte (48%), und 41 Prozent rechnen damit, dass Open Content sich stärker durchsetzt und „jeder Lerncontent verändern und weiter vertreiben“ kann.“ Mich würde interessieren, wie diese Rolle aussehen könnte – hoffentlich nicht nur so, dass man von den Hochschulen die Bereitstellung von Open Content erwartet – das wäre ein bisschen mager und vor allem sehr einseitig.

Ich finde solche „Trendmonitore“ sehr interessant – nicht nur im Hinblick auf ihre Ergebnisse. Interessant ist nämlich auch die Frage, welche Funktionen sie erfüllen: Wird ein Trend aufgezeigt (dann wäre man ausschließlich beschreibend tätig)? Oder wird er eher gemacht (indem Entwicklungen quasi herbeigeredet oder auch mitgestaltet werden)? Wahrscheinlich ist es beides! Wer auch immer jeweils „die“ Experten sind: Sie geben natürlich ihre Beobachtungen wieder, aber sie äußern selbstverständlich auch ihre persönlichen Präferenzen und Erwartungen. Damit möchte ich Prognosen dieser Art nicht abwerten: Ich denke nur, dass man sich als Beteiligter wie auch als Rezipient dieser Doppelfunktion bewusst sein sollte.

2 Kommentare

  1. Als einer der 53 Experten (wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt) teile ich die Anmerkungen und Fragen: Es sind interesante Schnellschüsse, Spotlights, sicher mit weniger Delphi als es aus akademischer Sicht schön wäre, und am liebsten möchte man vor einer Beantwortung solcher Fragebögen zuerst einmal in Ruhe den Fragebogen selbst redigieren. Auch der hier diskutierte Trendmonitor konfrontiert z.B. zum zweiten Mal die Bildungswirtschaft mit dem Stichwort „Open Educational Resources“ und hier, spätestens hier, bin ich sicher, dass viel Raum für Phantasie bleibt, weil nur die Wenigsten OER so verstehen, wie es z.B. auf Wikipedia festgehalten ist. Aber am Ende liefern kleine Umfragen wie der Trendmonitor doch Stoff für nützliche Diskussionen oder Fragezeichen, gleich, ob sie wirkliche oder künstliche Trends betreffen. Und manchmal entwickeln die Antworten von 53 Experten auch eine Reichweite, über die man nur schmunzeln kann. In diesem Sinne sommerliche Grüße, JR

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