Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Einmal online und kein Peer-Review mehr?

Eigentlich versuche ich meine Mitarbeiter/innen ja immer mal, Arbeitsberichte zu veröffentlichen, um in kürzeren Zyklen und mit großer Aktualität interessante Gedanken und Ergebnisse bekannt und zugänglich zu machen. Früher, als ich noch bei Heinz Mandl an der LMU München gearbeitet habe, war es an sich gängige Praxis, Forschungsberichte auch dann zu verfassen, wenn geplant war, diese irgendwo als Zeitschriften- oder Buchbeiträge einzureichen. Das waren dann quasi Preprints und Vorversionen, denn z.B. bei Einreichungen mit Peer-Review kommt es ja – sinnvollerweise – oft genug noch zu Änderungen, im besten Fall Verbesserungen der Texte. Bei den meisten Zeitschriften geht nun genau das seit längerem schon nicht mehr. Gerne hätte ich z.B. meinen Beicht zum Thema Selbstorganisation in ein Review-Verfahren gegeben – geht nicht (mehr). Ist es dann noch schlau, Nachwuchswissenschaftlern zu Online-Publikationen zu raten, die zur sog. „grauen Literatur“ gehören? Komischerweise sind genau das die Texte, die sich am weitesten verbreiten – die aber keinerlei Wert etwa bei Bewerbungen um akademische Stellen haben.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um Open Content ist das schon eine irgendwie anachronistische Angelegenheit, für die man eine vernünftige Lösung finden müsste. Nun bin ich ja auch an einer Zeitschrift beteiligt (Zeitschrift für E-Learning) und wir setzen uns seit längerem immer wieder mit der Frage auseinander, wie wir für uns die „Open Content“-Frage lösen (ich verspreche es: Wir lösen es auch irgendwann) . Mir ist also das Problem nicht nur seitens der Autorenrolle, sondern auch seitens der Herausgeberrolle bewusst – und auch die Sicht der Verlage ist mir da durchaus bekannt (wobei in unseren Fächern Privatpersonen sehr selten ein Abo haben; meist sind das Bibliotheken).

Die Sache mit der online publizierten „Grauen Literatur“ allerdings ist ja nochmal eine etwas andere Angelegenheit: Da geht es dann um die Frage, ob der Beitrag für eine Zeitschrift wirklich Neuheitswert hat. Natürlich ist der im Falle einer Online-Vorabversion in gewisser Weise eingeschränkt. Da eine Online-Vorabversion allerdings sehr schnell möglich ist, ist damit über den Aktualitätsgrad ja noch gar nichts gesagt: Umgekehrt ist es immer wieder frustrierend, wenn Beiträge in Zeitschriften erst nach einem Jahr oder länger endlich publiziert sind (wo ist da eigentlich der Neuheitswert, mal zeitlich verstanden?) Wie auch immer: In der Folge ist es einfach sehr schade, dass solche Beiträge systematisch aus dem Peer Review ausgeschieden werden. Ach, das wäre ein wichtiges Thema für die diesjährige GMW gewesen – na ja, vielleicht ergeben sich in den pausen entsprechende Gespräche oder es findet sich ein spontaner Ad hoc-Workshop mit Ideengenerierung am Rande zusammen.

6 Kommentare

  1. Pingback: Von grauer Literatur, zeitgeistigen Urheberartikeln und Guerilla artists « mediaXpuzzle: medien und schule

  2. Na ja, was geht jetzt als „harte Fakten“ durch? Eine empirische Studie habe ich dazu nicht gemacht. Es sind eigene Erfahrungen und viele Zeitschriften verlangen bei Einreichung eine schriftliche Bestätigung, dass der Beitrag auch online noch nicht zugänglich gewesen sein darf.
    Gabi

  3. Liebe Gabi,
    schön, dass du das Problem aus Autorensicht aufgreifst. Was nützen Appelle wie die Budapester Open Access Initiative, die Berliner Erklärung zu Open Access und weitere Empfehlungen z.B. zur Nutzung von universitären Dokumentations- und Publikationsservern, wenn am Ende (zumindest für Nachwuchswissenschaftler) nur die klassischen, hoch gerankten Zeitschriften karriereförderlich sind und das, obwohl von den meisten eingestanden wird, dass auch dieses Rankingsystem keine objektiven Maßstäbe liefert. Vielleicht hilft es, wenn hier die etablierten Wissenschaftler, die nicht mehr auf berufungsrelevante Publikationslisten achten müssen, Vorreiter spielen. Es sind doch häufig gleichzeitig diejenigen, die ihre (meist unentgeltlichen) Dienste als Herausgeber und Gutachter einbringen; das könnten sie ebenso gut bei Open Content und diesen damit qualitativ konkurrenzfähig machen.
    Bei der Zeitschrift für E-Learning habe ich es deshalb doppelt bedauert, dass es nicht zu einer online und Open Access-Publikation gekommen ist. Bin gespannt, was „irgendwann“ bei euren Bemühungen heisst 😉
    Joachim

  4. […]Diese Frage hat sich Gabi Reinmann in ihrem e-Denkarium gestellt, genauer gesagt:[…] (manueller Trackback)

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