Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Ein Recht auf Lesen und Schreiben

Bisher dachte ich immer, dass es vor allem ein Recht darauf geben sollte, Lesen und Schreiben zu lernen – also überall. Inzwischen denke ich, dass es außerdem ein Recht darauf geben sollte, überhaupt zu lesen und zu schreiben  – und zwar für Wissenschaftler und Hochschullehrer an Universitäten. Wenn ich mal, wie die letzten sieben Tage, damit verbringe, einen Artikel zu schreiben, meinen Studientext zum Didaktischen Design zu aktualisieren (stelle ich demnächst online) und dazu einige Artikel aus Büchern oder Zeitschriften lese, dann fange ich an, mich dafür zu entschuldigen; ich spreche davon, mir diese Zeit „leisten zu müssen“ und stelle klar, dass ich nicht im Urlaub bin. Obschon ich alle einlaufenden E-Mails beantworte und „eilige“ Dinge, die in weniger als 30 Minuten zu erledigen sind, täglich abarbeite, türmen sich nach nur sieben Tagen die „noch zu erledigenden Aufgaben“ bedrohlich auf. Und besonders schlimm ist: Ich habe auch noch ein schlechtes Gewissen – ein schlechtes Gewissen, weil ich mir erlaubt habe, etwas zu lesen und zu schreiben statt Prüfungen zu korrigieren, Modulhandbücher zu modifizieren, Formulare aus der Verwaltung auszufüllen, Fragen der Unleitung zur Fakultät zu beantworten, nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau zu halten, meine Veranstaltung zu evaluieren, Telefonate von irgendwelchen Leuten entgegenzunehmen, die irgendeine Idee haben und auf kostenlose Unterstützung der Uni hoffen, Konzeptpapiere für Sachen zu erstellen, die dann doch keine haben will ….

6 Kommentare

  1. Hallo Gabi,
    ich wäre auch dafür, dass es ein Recht auf Lesen und Schreiben geben sollte. Schließlich ist es etwas, was aus meiner Sicht dazugehört, wenn man wissenschaftlich tätig ist. Man kommt dazu aber oft viel zu wenig und wenn man es dann einschiebt, dann kommt, wie du schon schreibst, oft das schlechte Gewissen, dass in der Zeit andere Dinge liegen bleiben. Im kleineren Rahmen erlebe ich das im Moment auch: auf der einen Seite der Artikel, den ich unbedingt schrieben will, und auf der anderen Seite das Projekt, das beendet werden muss. Und der Berg an Artikeln, die ich mal lesen will, wächst immer mehr. Was ich sehr schade finde. Vielleicht sollte man sich einfach regelmäßig Zeit dafür einplanen? Eine wirkliche Lösung habe ich aber noch nicht gefunden.
    Ich hoffe nur, dass ich dir mit meinem Artikel nicht zu viel Zeit gestohlen habe in den letzten Tagen. 🙂
    Liebe Grüße
    Tamara

  2. NEIN, die Zeit, die der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern dient, empinde ich NICHT als gestohlene Zeit, eher schon die, die bürokratische Dinge in Anspruch nehmen 😉
    Gabi

  3. Tja, dasselbe Problem habe ich auch. Ich versuche gerade, mich derart umzustrukturieren, dass ich mir wieder Freiräume für Lesen und Schreiben schaffe. Darunter fällt:
    1) Keine Anträge schreiben für Dinge, auf die ich sowieso nicht wirklich Lust habe.
    2) Vorsichtig sein beim Annehmen neuer Dinge/Aufträge/Verpflichtungen
    3) Alle möglichen offenen Sachen jetzt mal abschließen.
    Ich bin eigentlich ganz guter Dinge, dass sich ab dem neuen Semester alles ändern wird. 🙂

  4. Ich frage mich darüber hinaus: Habe ich nicht auch ein Recht, abzuspülen, die Wohnung sauberzumachen, das Bad zu putzen, den Müll runterzubringen, das Auto zu waschen? Wann soll ich eigentlich DAS machen?

  5. @Christian: Viele Männer lösen DIESES Problem (immer noch), indem sie heiraten (was sich auch auf der Steuerkarte gut macht) – obwohl … na ja, das mit dem Auto ist vielleicht nicht inbegriffen 😉
    Gabi

  6. Ich lese seit einigen Wochen fast täglich mit einem E-Book-Reader im Zug. Das schafft einen angenehm festen Zeitrahmen und bringt mich dazu, jeweils eine Publikation während der Fahrtzeit abschließen zu wollen. Der feste Rahmen erleichtert es auch, einzuschätzen, wie viel ich pro Woche lesen kann.