Im Newsletter des Deutschen Hochschulverbands (auf der Webseite noch nicht online, aber bereits per Mail verschickt) und bei bildungsklick kann man es nachlesen – ein paar Verlautbarungen des Präsidenten des DHV, Professor Bernhard Kempen, anlässlich des 61. DHV-Tags in Potsdam. Z.B.: „Forschung an Deutschlands Universitäten ist ohne die Einwerbung von Drittmitteln und erfolgreich begutachteten Anträgen nahezu unmöglich geworden. Das Verhältnis von angemessener Grundausstattung, Programmförderung und thematisch freier Förderung ist auf Grund der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen aus dem Lot geraten“ – ja, allerdings nicht erst seit gestern, aber richtig ist, das man zumindest den Eindruck hat, es wird immer schlimmer. In der Pressemeldung heißt es weiter, Kempen weise darauf hin, dass die Handlungsfreiheit von Wissenschaftlern durch zunehmende Managementaufgaben und wachsende Weisungsabhängigkeit von Dekan, Rektor oder Präsident eingeschränkt und Forschung immer mehr durch Förderprogramme gesteuert werde – auch das ist ein Prozess, der schon seit langem begonnen hat, und der als Belohnungssystem für Anpassung fungiert. Allerdings haben sich viele Wissenschaftler natürlich auch aktiv daran beteiligt, denn auf diese Weise ist es einigen ausgesprochen gut gelungen, den Mainstream nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. So etwas fällt ja nicht vom Himmel. Die Folgen werden jetzt eben besonders drastisch sichtbar. Wortlaut Kempen: „Unkonventionelles Denken, das innovative Wege eröffnet, wird strukturell benachteiligt.“ und: „Erfolg in der Wissenschaft bemisst sich nicht mehr allein am Erkenntnisgewinn, sondern an Zielvereinbarungen mit quantitativen Parametern wie Drittmitteln und Publikationsleistungen.“ Nun, das ist jetzt auch keine neue Erkenntnis. Gerade gestern habe ich ein Gutachten für die Zwischenevaluation im Rahmen einer Juniorprofessur geschrieben und dabei genau festgelegte Kriterien für die Bewertung der Forschungsleistungen vorgelegt bekommen – das ist schon lange Realität und man kann nur versuchen, diese Kriterien, wenn man denn begutachtet, zumindest da auszuhebeln, wo sie einem begründet nicht einleuchten! Und bei jeder Berufung wird darum geschachert, wie viel man an Drittmitteln einwerben MUSS, um das schlechte Grundgehalt ein wenig aufzuwerten; man darf da gar nicht so viel darüber nachdenken, denn das hat alles mit Wissenschaft nichts mehr zu tun – schon lange nicht mehr! Kempens Schlussfolgerung: „“Wissenschaft wird zum Betrieb, und der Betrieb bedroht die wissenschaftliche Freiheit“. Sein Lösungsvorschlag: „Die Einzelförderung für Wissenschaftler muss ausgebaut werden. Hervorragende Wissenschaftler müssen ausreichend Mittel erhalten, um Forschungen ohne inhaltliche Vorgaben vorantreiben zu können“. Und wer bestimmt wie, wer „hervorragend“ ist? Das soll eine Lösung sein? Wie wäre es mit einer prinzipiell besseren Ausstattung und ideellen Aufwertung von Wissenschaft und Bildung, mit einem Umdenken in unserer Gesellschaft in die Richtung, dass es noch mehr Verpflichtungen als ein schnelles und kontinuierliches Wirtschaftswachstum gibt?
Aus dem Lot geraten
19. April 2011