Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Promotion mit 40 plus?

Seit April 2011 läuft wieder unser Doktoranden-Frühjahrszyklus (hier versuche ich einigermaßen regelmäßig darüber zu berichten). Gesten hatten wir einen Workshop zu Online-Communities mit zwei interessanten Gästen: Swapna Kumar und Markus Marquard. An mehreren Stellen in der Diskussion sind wir auf die Frage des Alters in Bezug zu Lernen, Erfahrungsaustausch, aber auch Studium gekommen: Lernen Menschen jenseits des jungen Erwachsenenalters (wo man das festmacht, ist jetzt schwierig) anders? Interessierter? Mit mehr Erfahrung im Hintergrund? Wie ist das, wenn man jenseits der 40 promoviert? Lernt man anderes, weil man z.B. andere Fragen stellt? Und wie ist das, wenn man jenseits der 60 erstmals Wikipedia-Artikel schreibt? Das Thema stand gestern nicht im Zentrum , es schein nur ab und zu durch – vor allem deswegen, weil uns Markus Marquard einen Vortrag über das Projekt „Third Age Online“ gehalten hat, und da geht es um Online-Communities für ältere Menschen. Immer wieder aber kamen wir auf das Thema Alter zurück, und ich halte es für ein sehr wichtiges Thema, das uns schon in früheren Arbeiten zum Wissensmanagement immer wieder einmal beschäftigt hat: Insbesondere der Erfahrungsreichtum, der mit den Jahren steigt, ist ein Punkt, der in unserer Gesellschaft nach wie vor zu wenig gesehen und genutzt wird. Stattdessen neigen wir dazu, in nahezu allen Bildungsinstitutionen mit homogenen Gruppen zu lernen (in Graduiertenkollegs gilt das auch für Doktoranden, wo sich wahrscheinlich selten jemand mit 40 plus verirrt). Besonders ausgeprägt ist das auch an der UniBw München: Hier sitzt immer EIN Jahrgang in den Veranstaltungen und man hat kaum Möglichkeiten, die Jahrgänge zu mischen. Ich muss mir mal Gedanken machen, wie man das dennoch durchbrechen kann: Wir lernen definitiv zu wenig voneinander. Und wenn man mal die Gelegenheit dazu hat, merkt man, wie unerfahren wir damit sind, denn: Ich glaube nicht, dass allein das Zusammenbringen von Menschen aus verschiedenen Generationen ausreichend ist, um fruchtbare Austausch- und Lernprozesse in Gang zu setzen. Vielmehr denke ich, dass man das geschickt initiieren, begleiten und nachbereiten muss.

10 Kommentare

  1. Ich hatte bisher den Eindruck, dass das Mischen der Jahrgänge an der UniBwM viel besser funktioniert als an anderen Universitäten – natürlich nicht in den Lehrveranstaltungen, aber darum herum: Die Studierenden wohnen ja größtenteils auf dem Campus und die Wohnbereiche sind nach Studiengängen organisiert, wobei man eben nicht jahrgangsweise „clustert“. Es besteht also eine gute Chance, dass der Zimmernachbar im selben Studiengang, aber nicht im selben Jahrgang ist. Man stolpert also leichter mal über jemanden.

  2. Hallo Michael,
    ich meinte das jetzt auch tatsächlich bezogen auf die didaktischen Möglichkeiten IN Veranstaltungen. 🙂
    Gabi

  3. Hallo,
    ich denke schon, dass es eine andere Herangehensweise an das Lernen gibt, wenn der Lerner mehr Lebenserfahrung gemacht hat. Die Toleranz gegenüber „einfach mal lernen“ wird nach meiner Meinung geringer, d.h. ich möchte „unnützes Wissen“, wie oftmals in der Schule vermittelt, möglichst vermeiden und am Liebsten immer gleich den Grund mitgeliefert bekommen, warum das für mich relevant sein kann. Auch glaube ich, dass erfahrene Lerner koordinierter an das Lernen herangehen müssen, weil die „Ablenkungen“ durch Familie/Haushalt/Arbeitgeber/etc. größer sind als bei Jugendlichen und ein möglicher Misserfolg anders bewertet wird als in jungen Jahren.
    Mit 30 Jahren bin ich im 2.Semester meines Erststudiums und zähle ich mich persönlich definitiv nicht zu den Silver Surfern ;), bemerke aber doch Unterschiede zu meinen Kommilitonen, die frisch aus dem Abitur ins Studium gestartet sind.
    Dass entsprechende Unterschiede auch von anderen empfunden werden, kann ich auch aus Gesprächen mit Bekannten aus meinem Netzwerk berichten, das speziell berufstätige Menschen in der akademischen Erstausbildung unterstützt.
    Abschließend möchte ich hier ausdrücklich betonen, dass ich damit keine Wertung abgegeben möchte, welche Herangehensweise die bessere ist und es wesentlich mehrschichtiger ist, als dieser kurze Kommentar hier zulässt.
    Nicole

  4. Ja, aber klar doch! (Das war die Antwort auf die Headline 😉 Auch wenn es anstrengend ist und ich schon viele graue Haare habe (=> Silver Surfer)…gelebtes 3L-Konzept mit Spaß an der Erkenntnis. Ich sag nur TAO, Triangulation, CoP, zirkulär und E-Inclusion. Freu mich auf das nächste Kolloquium im Promovendenkreis von Gabi!

  5. Okay, mit 44,5 Jahren bin ich tatsächlich eine Promovierende der Gruppe 40 plus. Ich fühle mich oftmals auch etwas abgeklärter, ruhiger in der Herangehensweise bei manchen Veranstaltungen. Dennoch macht es unheimlich viel Spaß, neben Arbeit und Familie (3 pubertierende Töchter!) wieder in den Forschungskolloquien mit Jüngeren in Austausch zu kommen, meine Sichtweisen (alte?) neu abzugleichen aber auch einige Erfahrungen mitgeben zu können.
    Die Möglichkeit, berufsbegleitend in Magdeburg promovieren zu können, ist toll, und solche Programme sollte es viel mehr an Unis geben.

  6. Liebe Frau Reinmann,
    Lernen Jüngere anders als Ältere? Als Mitarbeiterin einer Universität stehe ich seit einigen Jahren unterschiedlichen Zielgruppen (Studienvorbereitung, Präsenzstudierende, Fernstudierende) mit einem Kursangebot zu den Themen Zeit- und Selbstmanagement, Lernorganisation und Lern-und Arbeitstechniken zur Seite. Ich glaube schon, dass Jüngere anders lernen. Zum einen sind sie eher noch „drin“ im Lernen. Ob nun gut oder eher schlecht als recht, steht auf einem anderen Blatt, aber zumindest ist es ihnen vertraut. Lernen hat gewissermaßen noch etwas von Selbstverständlichkeit an sich. Zum anderen sind Jüngere häufig in einer begnadeten Situation: Sie dürfen sich dem Lernen voll und ganz widmen, sie haben den Raum, es ist sozusagen ihre Arbeit, so sie nicht parallel über die Maßen einer studienfinanzierenden Arbeit nachgehen müssen. Das birgt wertvolle Möglichkeiten. Die Lebensrealität Älterer sieht mitunter ganz anders aus. Lernen bzw. Studieren ist ein Bestandteil neben Erwerbstätigkeit, Familie, Hausbau etc.
    Ich erlebe das in den Kursen immer wieder. Diejenigen, die gerade im Studium stecken oder in der Vorbereitungsphase sind, nehmen das Angebot wahr, weil sie das Gefühl haben, entweder aus Erfahrung etwas optimieren zu wollen, oder weil sie einen Abgleich und Bestätigung möchten. (Bin ich auf dem richtigen Weg?) Die Älteren mit einer gewissen Berufs-, Lern- oder einfach „Lebens“-biografie brauchen vielfach handfeste Unterstützung. Sie entscheiden sich oft viel zielgerichteter für ihr Studium und treten es zweckorientierter an. Sie haben andere Zeitfenster, in denen gewisse Dinge geschehen müssen und sehen von daher häufig deutlich konkreteren Handlungsbedarf. Sie studieren ausgesprochen zweckgebunden: Berufliche Neuorientierung, Nutzung der Familienphase, um am Ball zu bleiben oder in der Hoffnung später leichter wieder einsteigen zu können. In einem Fall entschied das Studium sogar über den Verbleib im Betrieb. Das sind ganz andere, häufig noch existenziellere Fragen und Motive, als sie jüngere Studierende mitbringen.
    Wenn sich in die Studienvorbereitung mal jemand Berufstätiges reinverirrt hat, erlebe ich immer mal wieder, dass die Jüngeren einerseits nicht so recht wissen, wie sie dieser Person begegnen sollen. Sie gehört nicht zur peer. Andererseits sind gerade diese älteren TN oftmals die reinsten Zugpferde.Sie trauen sich eher, sich aktiv zu beteiligen und bereichern mit anderen Standpunkten Diskussionen.
    Promotion mit 40 plus?
    Ich habe mich nach dem Studium vor knapp 10 Jahren bewusst gegen eine Promotion entschieden, obwohl es sich mein Professor damals gewünscht hätte. Mittlerweile bin ich Mitte 30, Mutter von zwei Kindern (3,5J. und 7 M.) und arbeite seit einigen Jahren an einer anderen Uni im Dienstleistungsbereich. Im Zuge gewisser Umstrukturierungen wurde auch hier die Frage immer lauter, ob der Einrichtung nicht ein paar Promotionen gut zu Gesicht stünden. Vor knapp zwei Jahren bekam ich ein neues Aufgabengebiet, das hier von Grund auf erarbeitet werden musste. Ich erkannte eine Chance die Arbeit mit einer Promotion zu verbinden. Letztes Jahr im August habe ich einen fetten Haken an das Vorhaben gemacht. Was war geschehen? Von Kolloquiumsterminen jenseits der Kita-Öffnungszeiten, bis hin zur Aufforderung mal eben mehrere Tage zu Tagungen zu reisen, über nicht eingehaltene Besprechungstermine und nicht beantwortete Arbeitsfragen, war so einiges geboten, was einer Promotion vor meinem Lebenshintergrund nicht zuträglich war. Mittlerweile denke ich, die realistischste Chance, noch zu promovieren, hätte ich mit 40plus, wenn die Kinder etwas größer sind, sich meine Freiräume dadurch anders gestalten ließen. Und selbst davon bin ich nicht überzeugt. Zu welchem Zweck, wäre dann die andere Frage, bringt es einem beruflich dann noch irgendwelche Vorteile oder hätte ich dann einfach mein akademisches Jodeldiplom (wenigstens etwas Eigenes…)? In meinem Freundeskreis befinden sich u.a. eine mittlerweile Zweifachmutter, die seit acht Jahren promoviert und kein Ende findet und eine Zweifachmutter, die gerade abgegeben hat und sagte, sie hätte sich den Stress nie angetan, wenn sie vorher gewusst hätte, was es bedeutet, in der Zeit Kinder zu bekommen und zu promovieren. Gerade für Frauen ist es schwierig, da es nur ein relativ kleines Zeitfenster gibt, in dem man gleichzeitig an Karriere und Familie basteln kann. Die herkömmlichen Betreuungsgewohnheiten vieler ProfessorInnen werden diesen Lebensrealitäten nicht gerecht. Für mich ergibt sich dadurch ein doppeltes Fazit. Promotion 40 plus wird sicherlich mit anderen Fragen und Problemen einhergehen, da die Ziele, die Motive anders sind, die Erfahrungen und Lebensstile mit einfließen. Gerade wer sich zusätzlich noch in einer Familienphase (blödes Wort eigentlich, da es genau betrachtet keine Zeitspanne beschreibt. Es gibt den Eintritt und in aller Regel keinen baldigen Austritt…) befindet, egal ob Mann oder Frau, oder beruflich eingespannt ist, braucht eine andere Betreuung, die flexibler auf den Promovenden eingeht und nicht umgekehrt auf den Betreuer/die Betreuerin und eventuell auch anders gelagerte Unterstützung erfordert. Ob so etwas möglich ist? Ich weiß es nicht.
    Viele nachdenkliche Grüße
    D. Lucas

  7. Liebe Frau Lucas,
    vielen Dank für ihren ausführlichen Beitrag, der mir viele Hinweise gegeben hat.
    Gruß,
    A. Rüllmann

  8. Pingback: War’s das? | kristinalucius

  9. Also ich promoviere jetzt mit 46 … Wobei lebenslanges Lernen für mich schon immer selbstverständlich war. Ich habe normal mein Erststudium (E-Technik) absolviert, dann später im Rahmen eines Fernstudiums Wirtschaftsingenieurswesen studiert und promoviere nun in diesem Bereich. Was sind die Gründe? Nach Gutenberg steht man ja schnell im Verdacht, dass wegen dem Titel zu machen. Ich möchte aber Wissen erwerben und Dinge besser verstehen. Auch ist die normale Arbeit nach Jahren oft so eingeschliffen und tröge, das ich mir nicht vorstellen kann, bis zum (und nach) dem Renteneintritt dasselbe weiterzumachen. Ich hoffe, dass sich ganz neue Möglichkeiten ergeben… Anerkannt wird das aber von der Gesellschaft (und den meisten Arbeitgebern nicht). Meine Promotion erfolgt „heimlich“ – ansonsten würde ich wohl Probleme bekommen. Folgende Reaktion bzgl. meines Zweitstudiums: „Also ich hätte das nicht gemacht!“, „Haben Sie zuviel Zeit?“, „Ihren Marktwert haben sie damit nicht gesteigert!“, „Was wollen sie überhaupt damit?“ …

  10. @Olaf
    Dann oute ich mich auch mal als „Heimliche“, zumindest was das RL betrifft und zwar aus genau den Gründen, die Du in den Reaktionen beschrieben hast. Inzwischen ist es mir aber egal geworden, wer etwas darüber weiß und denkt. Ich m-u-s-s es einfach machen, auch wenn sich danach beruflich zum Glück rein gar nichts für mich ändert. Es ist der Prozess an sich, der so irre viel Spaß macht.
    Viel Erfolg wünscht Dir Luci