An sich gehen mir ja diese Kompetenzdiskussionen allmählich auf die Nerven. Ich frage mich, ob wir uns nicht auch verstehen würden, wenn wir von Wissen, Können und Haltungen sprechen würden, meinetwegen auch von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen. In der eingesparten Zeit könnten wir uns stattdessen mehr Gedanken darüber machen, welche Bildungsziele wir eigentlich verfolgen, was für eine Idee (oder Ideen) von Bildung wir für welche Gesellschaftsbereiche warum bevorzugen, welchen Beitrag die Hochschulen dazu leisten, was überhaupt „Hochschulbildung“ ist etc. Ich denke mir das z.B. immer wieder, wenn ich diese formalisierten Kompetenzdarstellungen in Modulhandbüchern lese, die sich immer mehr wie Stellenangebote lesen. Und doch kommt man da nicht raus – z.B. dann nicht, wenn man selbst seine Module beschreiben soll, und auch dann nicht, wenn man gebeten wird, einen Beitrag für ein Handbuch zur Informationskompetenz zu schreiben: Meine Aufgabe war es, einen kurzen Handbuchartikel darüber zu verfassen, in welcher Beziehung das persönliche Wissensmanagement zur Informationskompetenz steht. Hier der Preprint:
Preprint_Informationskompetenz und persönliches Wissensmanagement
Ob es auch ohne den Kompetenzbegriff gegangen wäre?
Nachtrag am 13.08.2011: Leider muss ich den Preprint vom Netz nehmen, weil der Verlag dies nicht möchte. Erst ein Jahr nach Erscheinen des Bandes ist dies wieder möglich.
8. Juni 2011 um 17:49
Hallo Frau Reinmann,
ich kann Ihnen da nur zustimmen. Das Grundproblem dürfte sein, dass verschiedene Begriffsysteme zu Kompetenzen u.ä. nebeneinander existieren ohne dass diese auf den praktischen Bezug hin hinterfragt werden. Das geht los mit der Definition des EQF und der Kompetenzstufen zum Vergleich von Bildungsgängen. Wie viele damit nichts anzufangen wissen oder diese Dinge wieder auf Kenntnisse etc.pp. zurückführen, kannman an genau den Modulbschreibungen erkennen. Wieviele Abläufe (Didaktik) überhaupt zu diesen Kompetenzen führen können im klassischen Vorlesungs-Frontalstudium, ist da schon wieder eine ganz andere Frage.
In der Tat wären die von Ihnen aufgeworfenen Fragen, und die sind so neu nun wieder auch nicht (was das Dilemma eigentlich sichtbar macht), angesichts aktueller Entwicklungen im Bildungsbereich in Europa viel dringender. Es hätte ja auch Medienkompetenz sein können oder seh ich das zu eng?
Viele Grüße aus Berlin
Pingback: Verständigung auch ohne den Kompetenzbegriff? | weiterbildungsblog
9. Juni 2011 um 22:30
Ich mag den Kompetenzbegriff auch nicht. „Bildung“ gefällt mir viel besser. Oft werden beide Begriffe gegenübergestellt: Früher stand Bildung im Mittelpunkt, heute Kompetenz.
Ich denke mittlerweile, wir brauchen beides. Wenn man beispielsweise mal die Lehramtsstudiengänge nimmt: Was sollen wir da vermitteln? Wie sollen die Absolventen anschließend in die Schulen gehen? Gebildet, aber inkompetent? Kompetent, aber ungebildet?
🙂
9. Juni 2011 um 22:32
Zur Ergänzung: Der Kompetenzbegriff ist per se nicht schlecht, er wird nur zu sehr gehyped im Moment. Das macht ihn unsympatisch. Dafür kann er aber nix. Es sind diejenigen, die ihn über alle Maße hinaus verwenden, die ihm schaden… 🙂
10. Juni 2011 um 04:15
Tja, was Überschriften so alles auszulösen vermögen, ist immer ganz interessant zu lesen :-). @Christian: Ich bin ganz deiner Meinung: Den Kompetenzbegriff gibts schon lange, er taugte (!) an sich ganz gut zur Verständigung (z.B. in der Unterscheidung Kompetenz versus Performanz oder mit dem Hinweis auf Handlungsdispositionen etc.). Es ist in der Tat der inflationäre und völlig blinde Gebrauch des Begriffs vor allem in diesen Modulhandbüchern, bei „Selbstberichten“ von Studiengängen u.ä. (mit dem Glauben verbunden, dadurch würde jetzt alles besser werden), was gewisse Aversionen in Gang setzt …
Gabi