Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Soll er doch zu Facebook gehen

Seit der letzten „Bahnhofsgeschichte“ sind jetzt mehrere Jahre vergangen (siehe hier und hier). Es ist nicht so, dass sich in Zügen und auf Bahnhöfen für mich so lange nichts ereignet hätte, aber offenbar hat es für einen Blogbeitrag doch nicht recht gereicht. Heute aber möchte ich von einer ganz kleinen, aber doch sehr bezeichnenden Episode vor einer Zugfahrt nach Karlsruhe berichten.

Es ist 6.30 Uhr und die Menschenschar am Hauptbahnhof in München ist noch einigermaßen überschaubar. Ich stehe an einem der vielen „Backwaren-Verkaufsinselns“ und bestelle einen Latte Macchiato. Während ich auf meinen Pappbecher warte und mir wie immer denke, wie schön doch jetzt eine Porzellantasse wäre, höre ich unweigerlich zu, wie sich die beiden jungen Verkäuferinnen im Innern ihrer Insel in aller Kürze austauschen. „Da war gerade wieder dieser Typ.“ – „Schon wieder?“ – „Der fragt immer, wie es uns geht.“ – „Hm.“ – „Du, ich glaub, der will mit uns reden, so wie der immer fragt.“ – „Dann soll er doch zu Facebook gehen!“ …. „Bitteschön, Ihr Latte.“

7 Kommentare

  1. Hallo Gabi,
    ja spannende Beobachtung – hatte vor kurzem etwas ähnliches erlebt.
    Ein Junge hat über das Gleis zu einem Mädchen geschrien ob Sie ihm seine Nummer gibt. Diese hat etwas verlegen geschaut. Daraufhin der Jung: „Ach du bist eh in Facebook, ich schreib dir dort“.
    Spannend wie normal es geworden ist über Soziale Netzwerke zu kommunzieren, auffindbar zu sein, in ihnen zu leben, als hätte es nie etwas anderes gegeben.
    Auch passend dazu – ein Film meiner Studierenden rund um das Thema „Zukunft von Lehrmaterialien“ – Wo führt die Technik uns noch hin? Ist es das wirklich was wir wollen?
    http://youtu.be/Wwp3siH2wuw
    Liebe Grüße

  2. Na immerhin gabs noch vorab die mündliche Kommunikation 🙂
    Danke für den Link!
    Gabi

  3. Mit Verlaub: das schreit förmlich nach einer Verlinkung – mit Facebook. 😉

  4. Hallo Frau Reinmann,
    auch wenn die rasante digitale Entwicklung vieles notwendig macht:
    an manche Dinge muss man sich nicht gewöhnen, wie z.B. Latte Macchiato in einem Pappbecher:-)
    Viele Grüße aus dem Ruhrgebiet,
    Petra Wiemer

  5. Ich habe einen Pappbecher aus Porzellan. Gibt es in der Migros. Schweineteuer. Aber gut. Und der Deckel aus Gummi hält den Kaffee warm. Das mit Facebook ist eine nette Geschichte. Ich lasse mir von meinen Studierenden auch immer Erlebnisse erzählen. Ein junger Mann hat mit seiner Freundin Schluss gemacht (oder umgekehrt). Am meisten entsetzt war sie darüber, dass er seinen Status sofort auf SOLO gesetzt hat. Ein anderer junger Mann hat eine Freundin abbekommen. Am meisten gestört hat sie, dass er seinen Status (SOLO) nicht sofort geändert hat.

  6. An den Beispielen erkennen wir sehr schön, wie sehr Facebook zum „Sozialleben“ junger Menschen geworden ist. Ich frage mich, wie effektive Lehr-/Lernszenarien mit Facebook aussehen?
    Eine Freundin von mir ist Dozentin an der Facets Film School in Chicago (http://www.facets.org/pages/filmschool.php — Therese Grisham). Vor einigen Wochen begann sie damit, Standbilder aus Filmen auf Facebook zu posten mit den Fragen: Welcher Film ist das? Wer hat ihn gedreht? Wer ist/sind Schauspieler in dieser Einstellung?
    Es ging ein lustiges Raten, bis hin zu Erläuterungen der eigenen Antwort, in den Kommentaren los. Meist brachte der eine oder andere Kommentator noch geschichtliche Hintergründe zum Film oder dem Regisseur ein. Zum Schluss gab es die Antwort: Wenn dies nicht schon einem Kommentator gelang, dann gab Therese nach spätestens 24 Stunden die Lösung bekannt. Auf gings es in die nächste Runde: Neues Standbild, gleiche Fragen…
    In einer email gratulierte ich meiner Freundin zu dieser m.E. exzellent umgesetzten Übung im sozialen Netzwerk und dass sie sich ihrer Studenten in zukünftigen (doch recht preisintensiven) Seminaren sicher sein kann.
    Überrascht war ich bezüglich ihrer Antwort: Sie schrieb, dass sie in ihrer Facebook Freundesliste nur ehemalige Studierende hat „because of the ethics involved in having current students as friends.“
    So sehr ich ihre Einstellung verstehe und sehr weit auch teile, wären es aus meiner Sicht gerade die aktuellen Studenten, welche von diesem Quiz erheblich für ihr Studium profitieren würden.
    Therese ist nicht die Einzige Vertreterin dieser Ansicht; ich habe diese Befürchtungen schon mehrfach gehört. Warum haben Universitätsdozenten solch ein Problem, Facebooks „nützliche“ Seite für das Studium und den Kontakt zu Studierenden zu nutzen? Weil es jede Woche einen neuen ‚Skandal‘ um FBs Datenschutzrichtlinien gibt? (wobei ich dieses wirklich ernsthafte Problem hier nicht herunterspielen möchte!)
    Oder sind es die ‚Altlasten‘, welche auch meine Lehrtätigkeit an der Universität weitestgehend bestimmten: Ich kann nicht mit den Studenten aus meinem Seminars befreundet sein, da ich sie später mit einer Note bewerten muss!
    Warum denn nicht?
    Da ich mittlerweile nicht mehr an der Universität lehre, interessiert mich nun ganz besonders, ob es in dieser Hinsicht Änderungen zu beobachten gibt…
    Grüße von Jana Meißner

  7. Ich denke nicht, dass es ein Muss ist, nun ein spezielles soziales Netzwerk in der Lehre einzusetzen. Meine Erfahrung ist auch die, dass Studierende gar nicht so begeistert sind, wenn man „ihr“ Medium der sozialen Interaktion nun auch für Lehr-Lernprozesse nutzt. Umgekehrt denke ich, dass es noch sehr viel Potenzial in der Nutzung verschiedenster Web-Anwendungen in der Hochschullehre gibt: Dazu gehören auch soziale Netzwerke und Community-Software, Blogs und Wikis. Dahinter aber müssen brauchbare didaktische Konzepte stecken, in denen diese Werkzeuge auch einen Sinn ergeben. Sich einfach nur modern geben zu wollen und daher zu allen möglichen Werkzeugen zu greifbn, stiftet in der Regel nur Verwirrung als dass es dem Lehren und Lernen dienlich ist.