Gestern habe ich in der Online-Ausgabe der FAZ einen Artikel von Magnus Klaue gelesen – der wurde schon vor einem Monat veröffentlicht. Unter dem Titel „Lebenslanges Feedback“ behandelt der Beitrag genau genommen drei Themen in einem (Evaluation – Kompetenzorientierung – Hochschuldidaktik), vermengt diese auch und hat bei mir beim Lesen an einigen Stellen zustimmendes Nicken, an anderen ungläubiges Kopfschütteln und am Ende einen tiefen Seufzer bewirkt. Aber der Reihe nach:
Den Anfang des Textes macht ein kritischer Blick auf die allgegenwärtige Evaluation (zu diesem Thema kann ich auch einen Text von Gunter Dueck empfehlen). Interessanterweise wird die Evaluation hier mit der Prüfung verglichen und dargelegt, dass und warum Evaluationen (anders als Prüfungen) vordergründig auf flache Hierarchien setzen, am Ende aber (wie auch Dueck meint) zu einer „totalen Evaluation“ führen und alle unter Kontrolle stellen. Hier bin ich noch nickend mitgegangen – da ist was dran. Stutzig bin ich allerdings bereits beim Übergang zum zweiten Thema geworden, nämlich zum Thema „Kompetenzorientierung“; an diesem Übergang wird „das Evaluierungswesen als Symptom einer Pädagogisierung des Wissenschaftsbetriebs“ bezeichnet. Wieso? Ich habe trotzdem weitergelesen. Klaue geht im weiteren Verlauf auf den Verlust der Gegenstände im universitären Lehr-Lernbetrieb ein. Diese Passagen kann ich ebenfalls gut nachvollziehen und haben mich an eigene Blogbeiträge (z.B. hier) und an einen SZ-Beitrag von Christoph Türcke erinnert. Aber auch da taucht schnell wieder die Pädagogik als Schuldige auf: Dass leerer Pluralismus in Lehrveranstaltungen den Meinungsstreit und objektloses Lernen des Lernens (für den Erwerb beliebig einsetzbarer Kompetenzen) das exemplarische Lernen ersetzen, haben wir, so Klaues Ansicht, der Pädagogik zu verdanken. Ich vermute, er meint die Didaktik (und nicht die Pädagogik) bzw. genauer: die Hochschuldidaktik. Das jedenfalls wird dann am Ende des Beitrags klar, an dem er die „Totalisierung der Pädagogik“ beklagt: „Für alles, was früher von Studenten und Lehrenden in spontanem Zusammenspiel einfach nur getan wurde, muss es heute eine eigene Didaktik geben, während der Gegenstand, um dessentwillen die pädagogische Bemühung geschieht, als störend oder überflüssig erscheint“. Das war dann die Stelle mit dem tiefen Seufzer und der Frage: Sind das die Folgen einer völlig misslungenen Hochschuldidaktik und/oder einer völlig misslungenen Kommunikation, was Hochschuldidaktik leisten kann und will? Kann man diesen Karren noch irgendwie aus dem Dreck ziehen? Oder ist Klaues Ansicht nur eine Einzelmeinung? Ich fürchte, Letzteres ist nicht der Fall ….
4. April 2013 um 17:49
Ich kenne tatsächlich Fälle, die deine letzte Befürchtung bestätigen. In meinem früheren Umfeld wurde beispielsweise Hochschuldidaktik gerne mit „Erleichterungspädagogik“ gleichgesetzt. Der Begriff war in einer Schrift von Josef Kraus aufgeschnappt worden und schien mir als willkommene Begründung genutzt zu werden, weshalb an der eigenen Lehre nichts geändert werden müsse. Unterstützung der Studierenden etwa durch eine didaktisch überlegten Aufbau einer Veranstaltung(sreihe) wäre als unzulässige Hilfestellung beim Lernen verstanden worden, gerne mit Verweis auf die lateinische Herkunft des Wortes „Student“. Schlechte Ergebnisse seien ein Zeichen für einen mangelnden Leistungswillen der Studierenden, sich den Stoff (das Objekt) erschließen zu wollen. Ja, ja, für die vorhandene Stoffmenge war ja sowieso nie genug Zeit da, was hätte da auch noch anders gemacht werden sollen?
Woher diese Haltung stammt, weiß ich nicht. Womöglich ist den betreffenden Personen die Hochschuldidaktik tatsächlich belehrend begegnet („Sie machen das falsch, Sie müssen das so und so machen“) oder bloß als bunter Strauß von Gruppenarbeitstechniken erschienen, vielleicht haben sie sich aber auch nie wirklich damit beschäftigt. Und möglicherweise steht doch auch der Gedanke dahinter, dass es doch genüge, die Objekte zu kennen, darzustellen und das „spontane Zusammenspiel“ den Rest erledigen zu lassen. Um auch Herrn Dueck heranzuziehen: „Ein gut gehütetes (falsches) Vorurteil lautet: ‚Wer gut in Forschung ist, ist wahrscheinlich auch so intelligent, dass er es einleuchtend erklären kann.'“ Der Schluss, es wäre für gute Lehre zwingende Voraussetzung, sich mit Hochschuldidaktik auseinanderzusetzen, soll natürlich auch nicht gezogen werden.
Tja etwas trübe. Schwarz sehe ich aber dennoch nicht – und dafür sorgen viele TeilnehmerInnen unserer Basisqualifizierung, die ich dort kennenlernen durfte.
5. April 2013 um 06:50
Gehört nur am Rande hierher, nämlich zur Evaluation von Dozenten durch Studenten, und was daran problematisch ist – aber ich wollte es trotzdem teilen:
http://mtprof.msun.edu/Fall1997/HOWTORAI.html
5. April 2013 um 08:47
Danke für die Erläuterungen, die einmal mehr zeigen, wie unterschiedlich didaktische Maßnahmen UND die Interpretationen didaktischen Bemühens an der Hochschule sind. Danke auch für den Link zum Thema „Wie beeinflusse ich eine Evaluation?“ Nur zur Info: „Dress casually“ hilft leider nicht so viel – da blicke ich auf 15 Jahre Erfahrung zurück 😉
Gabi