Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Pendelblick (12): Rebellierendes Wissenschaftlerherz

Nein, ich habe das Pendeln nicht eingestellt, sondern nur den Blick in den letzten Wochen einfach aus Zeitmangel schlecht zurückwerfen können. Die Studierenden an der ZU haben ihre Vorlesungszeit schon beendet und stecken tief in den Prüfungen. Und ich steck(t)e in vielen Gremien sowie Diskussionen und Entscheidungen im Zusammenhang mit Änderungen in mehr als einem Studiengang. Programmentwicklungen an mehreren Stellen gleichzeitig waren mir an der Universität Augsburg (2001 bis 2010) noch unbekannt; meine bzw. unsere Arbeit konnte sich auf einen Studiengang konzentrieren. In München (2010 bis 2013) bekam ich in meiner Zeit als Studiendekanin eine erste Ahnung davon, was es heißt, mehrere Änderungen in Studienprogrammen und deren Konsequenzen im Blick zu behalten. In meiner jetzigen Funktion an der Zeppelin Universität (ZU) seit September 2013 potenziert sich das gerade. Das ist deswegen einigermaßen herausfordernd, weil die Gestaltung bzw. Anpassung von Studiengängen grundsätzlich eine komplexe Angelegenheit ist. Warum?

Im Rahmen der Programm(weiter)entwicklung ist vor allem die Zusammenarbeit zwischen der administrativ orientierte Lehrkoordination/-organisation (siehe dazu auch hier) einerseits und der wissenschaftlich ausgerichteten Programmgestaltung andererseits bedeutsam. Beide Seiten sind wichtig, zwischen beidem muss eine Balance gefunden werden. Aber damit nicht genug: Zur Logistik und Wissenschaft gesellen sich die Orientierung an der Berufswelt und die damit zusammenhängenden Bedürfnisse von Studierenden und Studieninteressierten. Das heißt: Es gilt, bei der Studiengangentwicklung zwischen mindestens drei Anspruchsgruppen und deren jeweils berechtigten Referenzsystemen einen Ausgleich zu schaffen oder anzustreben – wohl wissend, dass hier selten ein Zustand erreicht werden wird, der alle ausnahmslos zufriedenstellt. Auf der Ebene der operativen Steuerung der dazu erforderlichen Aushandlungsprozesse führt das zu hohen und auch zeitaufwändigen Anforderungen.

Nun kann ich mich an sich in alle drei Perspektiven (Administration, Wissenschaft, Studierende) an sich ganz gut hineinversetzen – vor allem in die administrative und wissenschaftliche. Da denkt man ja erst einmal: Was für ein Vorteil. Aber inzwischen bin ich mir da gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich ein Vorteil ist. Mein Wissenschaftlerherz rebelliert schon ab und zu gewaltig gegen manche administrativ vernünftige Vorstellung. Aber was folgt daraus? Auf welcher „Seite“ stehe ich denn dann? Aber vermutlich ist diese Frage in dieser Form auch falsch gestellt. Wahrscheinlich ist es eher eine Frage des richtigen Zeitpunkts oder der angemessenen Phase, wann welche Perspektive in welcher Weise dominant sein kann und muss.

Hochschuldidaktik verbinden viele ja hauptsächlich mit der Mikroebene, also mit dem, was vor, in und nach einer Lehrveranstaltung passiert. Aber Hochschuldidaktik findet auch auf der Mesoebene statt – und dazu gehört die genannte Studienganggestaltung mit all ihren Anforderungen etwa des Ausbalancierens von logistischen, fachwissenschaftlichen und studentischen sowie „externen“ Ansprüchen. Die Beziehung zwischen der hochschuldidaktischen Mikro- und Mesoebene ist keinesfalls geklärt. Ich denke mir, man muss diese Beziehung zwingend herstellen, merke aber im konkreten Handeln auch, dass das gar nicht so einfach ist.

Was bedeute „Pendelblick“? Siehe hier

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