Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Sich selber korrigieren – auch eine Form des Prüfens

Nun ist es erst ein paar Tage her, dass ich eine Art Tabelle zum Thema Prüfungen hier in diesem Blog veröffentlicht habe – wohl gemerkt als allerersten Entwurf meiner Überlegungen. Mir war von Anfang an klar, dass das theoretisch nicht konsistent ist, zumal da „mündliche – schriftliche – praktische Prüfungen“ nicht auf EINER Dimension liegen. Trotzdem findet man das genau so relativ oft auf Web-Seiten von Universitäten (z.B. auch bei der TUM – siehe hier). Mir ist dann selber aufgefallen, dass wahrscheinlich die tabellarische Darstellung ungünstig ist und ein Entscheidungsbaum sinnvoller sein könnte, bei dem man mit mehreren Dimensionen arbeiten kann. Ich habe das jetzt mal versucht und revidiere mich hiermit zeitnah gleich mal selber:

akademisches Prüfen

Wenn es darum geht, ein Modell zu entwickeln, das auch anschlussfähig an die gängige Praxis ist, dann scheint man – so mein aktueller Stand – nicht daran vorbeizukommen, zunächst einmal Kompromisse in der Konsistenz des Modells zu machen. Ziel wäre freilich – wenn man mal in der Prüfungspraxis weiter ist -, diese Phase zu überwinden und sowohl Ordnungs- als auch Gestaltungsdimensionen zu finden, die sich empirisch bewähren UND theoretisch konsistent sind.

3 Kommentare

  1. Liebe Gabi,
    ich verstehe dein Argument, dass eine Veränderung der Prüfungskultur an dem ansetzen muss, was aktuell den Prüfungsalltag darstellt. Noch habe ich – fürchte ich – nicht ganz verstanden, inwiefern diese Form der Aufbereitung der aktuellen Prüfungspraxis als Ausgangspunkt für eine Veränderung dieser dienen kann. Aber ich möchte gerne meine Überlegungen mit dir teilen, die mir bei der Lektüre durch den Kopf gegangen sind:
    Mit der Unterscheidung in traditionelle und alternative Prüfungsformen komme ich nur bedingt klar, denn was traditionell und alternativ ist, ist sicherlich von Kontext zu Kontext unterschiedlich (z.B. BWL versus Kunst oder Sport). Außerdem sind die konkreten Ausgestaltungsformen bei den traditionellen Formen teilweise bereits „moderne“ Adaptionen (z.B. eine E-Klausur). Deswegen stellt sich bei mir die Frage, worin denn genau das Traditionelle und das Alternative besteht. Vielleicht lässt es sich ja über eine Art Matrix lösen, bei der z.B. in der Horizontalen die Formen (Dialog, Vortrag, Hausarbeit etc.) stehen und in der Vertikalen untergliedert in etablierte und altnernative Varianten die jeweiligen Umsetzungsformen?
    Weiterhin ist mir durch den Kopf gegangen, dass für eine Darstellung als Entscheidungsbaum im engeren Sinne dieser eigentlich den Zweck des Prüfens zum Ausgangspunkt haben müsste (hier ist dann wieder diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis – de facto geht ja so wohl leider kaum jemand vor). Weitere Faktoren wie die Lerninhalte, im Kontext der Veranstaltung durchgeführte Lehr-Lernaktivitäten, die gewünschte Sozialform, der angedachte Medieneinsatz sowie Merkmale des Lehrenden (z.B. Ressourcen) und der Lernenden (z.B. Qualifizierungsstufe) müssten dann nach und nach zu einer passenden Auswahl führen. Da das ja aber nicht das Ziel deiner Darstellung ist, passt vielleicht einfach der Begriff „Entscheidungsbaum“ hier nicht so gut.
    Und schließlich – wobei das für mich persönlich der wichtigste Punkte wäre – stellt sich für mich die Frage, wie man von dieser tatsächlich im engeren Sinne auf das (punktuelle/summative) Prüfen ausgerichteten Darstellungsform die Diskussion mit Stakeholdern in Richtung „Verzahnung mit Lehr-Lernprozessen“ überführen kann. Solange Prüfungen als etwas Finales, am Ende des Lernprozesses stehendes, verstanden werden, sind positive Auswirkungen auf Lehren und Lernen unwahrscheinlich.

  2. Liebe Silvia,
    vielen Dank für deinen Kommentar, dessen Kernbotschaft ich sehr gut nachvollziehen kann, wenn man die Perspektive der Wissenschaft wie auch der Konstruktion von Prüfungsformaten aus einer didaktischen Sicht im Blick hat, bei der man sich von praktischen Erfordernissen (zunächst einmal) lösen kann. In diesem Fall sehe ich es ganz genau so, dass man von den Lehr-Lernzielen ausgehen muss (was ich ja auch im Studientext Didaktisches Design betone). Leider funktioniert diese Vorgehensweise in der Praxis außerhalb von Pioniergruppen nur mäßig bis gar nicht. Prüfungen haben an Hochschulen einen rechtlichen Status und inzwischen auch einen technischen, und beides ist höchst dominant und hemmt die Diskussion über die didaktische Gestaltung von Prüfungen enorm – vor allem, wenn man versucht, sie (erst einmal) auszublenden. Daher bin ich inzwischen der Überzeugung, dass man genau da auch ansetzen und von da aus versuchen muss zu zeigen, wie sich TROTZDEM Prüfungen ändern und eine Prüfungsgestaltung (im Idealfall auch Prüfungskultur) initiieren und entwickeln lässt, die die aktuellen Probleme zu lösen in der Lage sind.
    Die Begriffe „traditionell“ und „alternativ“ sind in der Tat Hilfskonstrukte (ich freue mich über bessere Vorschläge! ;-)) und sollen deutlich machen, dass es Prüfungen gibt, die man gut kennt und die in der Regel auch in Prüfungsordnungen stehen, und Prüfungen, die man eher vereinzelt vorfindet und meist auch in verschiedenen Bezeichnungen daherkommen. Dass man die an sich bekannten („traditionellen“) Formen so gestalten können, dass sie kreativ und in der Folge letztlich eine (bisher wenig bekannte) Alternative werden, ist richtig erkannt. Traditionell und alternativ sind also nicht wertend, sondern nur beschreibend gemeint – vielleicht wäre „gängig“ (bekannter „Standard“) und „ungewohnt“ (seltenere „Spezies“) eine passende Umschreibung? Man könnte aber auch Form X – Form Y schreiben – mir kam es nicht darauf an, etwas zu etikettieren.
    Wie schon betont, nutze ich den Blog, um Grundideen zu teilen und daher freue ich mich über den Kommentar! Es sind allerdings noch keine Folgerungen abzuleiten, weil von einem konsistenten Modell ja noch keine Rede sein kann. Was mir aktuell wichtig ist, ist: (a) Ordnungsversuche, die Prüfungsordnungen und technische Systeme erforderlich machen, nicht bekämpfen, sondern ausreichend berücksichtigen, aber von (b) Heuristiken trennen, die man braucht, um mit diesen generischen Formen dann zu arbeiten und diese (natürlich!) so auszuwählen und zu gestalten, dass sie auch zu den Lehr-Lernzielen und den dazugehörigen didaktischen Lehr-Lernszenarien passen. 🙂
    Gabi

  3. Liebe Gabi,
    vielen Dank für deine weiteren Erläuterungen. Dass die Gesprächsführung aus der Perspektive der Didaktik respektive aus der Sicht, was theoretisch wie auch empirisch (!) nachweislich Sinn macht, außerhalb von Pioniergruppen nur mäßigen Erfolg mit sich bringt, kann ich leider nur allzu gut nachvollziehen. Insofern ist es sicherlich der richtige Weg, zunächst mal über eine Art gemeinsames Vokabular den Einstieg in den Dialog zu suchen, bevor es wieder pauschal „geht nicht“ heißt.
    Wegen der Begriffsdiskussion um „traditionelle“ und „alternative“ Prüfungsformen: Vielleicht gewohnt/ungewohnt? Oder man macht ein „Etabliertheitskontinuum“ (und nicht diese zwei starren Kategorien)? Ich bin jedenfalls sehr gespannt, welche Reaktionen du in deinem Workshop darauf erhalten wirst!
    Silvia