Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Sich selbst beforschen

Ich muss zugeben, dass mir bisher die „Gesellschaft für Hochschulforschung“ nicht sonderlich präsent war. Nun hat mich Sandra auf eine „Bestandsaufnahme der hochschulforschenden Einrichtungen“, verfasst von Martin Winter und René Krempkow, aufmerksam gemacht – erfreulicherweise online zugänglich hier (erschienen bereits im Dezember 2013). Das Dokument hat mich vor allem vor dem Hintergrund der Frage interessiert, wie Hochschuldidaktik und Hochschulforschung zueinander stehen. Die knapp 90 Seiten sind in jedem Fall für all diejenigen lesenswert, die sich hin und wieder fragen, warum es eigentlich so schwer ist, Hochschuldidaktik auch als ein Fach und einen Zweig der Forschung und nicht nur als Service zu verstehen und in welche große Disziplin die Hochschuldidaktik unter dieser Perspektive eigentlich gehört. Meine eigene Auffassung ist die, dass die Hochschuldidaktik zur Erziehungswissenschaft gehört, wobei mir persönlich lieber wäre, am würde angesichts der Schwierigkeit des Erziehungsbegriffs eher von Bildungswissenschaft sprechen – auch wenn das andere Probleme mit sich bringt. Zusammen mit einigen Kollegen/innen arbeiten wir gerade daran, Argumente zu sammeln, um die Relevanz der Hochschuldidaktik als eigenständiges Theorie-, Empirie- und Praxisfeld in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) aufzuzeigen. Aber zurück zur besagten Bestandsaufnahme.

Es werden im Hauptteil des Textes vorrangig verschiedenen Institutionen, teilweise auch einzelne Lehrstühle beschrieben, die Hochschulforschung entweder namentlich betreiben (also in ihren Bezeichnungen auch von Hochschulforschung die Rede ist) oder unter anderen Bezeichnungen in der Hochschulforschung tätig sind. Eine wichtige Erkenntnis daraus ist, dass Hochschulforschung offenbar keine eigenständige Disziplin darstellt, sondern „so etwas“ wie ein Fach ist (S. 12). Des Weiteren wird die Hochschulforschung als eine Form von Sozialforschung bezeichnet (S. 13), was die Beispiele auch bestätigen. Als „Standarddisziplinen“ – und das ist jetzt für die Hochschuldidaktik durchaus interessant – gelten die Fächer Soziologie, Politikwissenschaft und Erziehungswissenschaft (S. 15). Das Fazit am Ende des Textes fällt zwiespältig aus (S. 75 f.): Beklagt wird einerseits, dass es nach wie vor nur wenige Einrichtungen gibt, die ausschließlich Hochschulforschung betreiben. Positiv hervorgehoben wird jedoch andererseits, dass die Einrichtungen mehr werden, die unter anderem über die Hochschule und Hochschulbelange forschen.

Für meine Fragen besonders relevant sind die Kapitel „Hochschulforschung in der Bildungsforschung“ und „Hochschulforschung in der Hochschuldidaktik“. Gleich zu Beginn von Kapitel 5 („Hochschulforschung in der Bildungsforschung“) wird festgehalten, dass die Forschung zu Hochschulen in der Bildungsforschung keine große Rolle spielt – was ich bestätigen, aber leider überhaupt nicht nachvollziehen kann. Aber es ist nun mal so: „Im Zentrum der empirischen Bildungsforschung stehen vor allem schulische Prozesse“ (S. 44). Hochschuldidaktik – so gut sie auch thematisch in die Bildungsforschung passt – wird kaum zur Kenntnis genommen. Dagegen zeigt die Geschichte der Hochschulforschung eine große Nähe zur Hochschuldidaktik. Aktivitäten des BMBF gehen zwar heute in eine andere Richtung – hier werden die Hochschulen seit einiger Zeit explizit unter die empirische Bildungsforschung subsumiert. In der wissenschaftlichen Community aber scheint das allenfalls mit großer Verzögerung und Abschwächung anzukommen. Den Anfang von Kapitel 6 („Hochschulforschung in der Hochschuldidaktik“) machen Hinweise zum Servicecharakter der Hochschuldidaktik bzw. hochschuldidaktischer Einrichtungen: „Sofern sie Forschung betreiben, geschieht dies im Rahmen ihrer Dienstleistungstätigkeit ….“. Allerdings wäre es ja ein verkürzter Schluss, die Beobachtungen aus hochschuldidaktischen Einrichtungen auf die Hochschuldidaktik als ein Fach zu übertragen. Weiter unten heißt es denn auch: „Zwischen der Hochschuldidaktik und der Hochschuldforschung sind die Grenzen fließend, sowohl inhaltlich – was die Forschungsfragen betrifft – als auch organisationell: viele der hochschuldidaktischen Institute und Professuren betreiben sowohl hochschuldidaktische als auch Hochschulforschung“ (S. 50). Akzente aber sind ebenfalls deutlich: „Die Hochschuldidaktik ist näher an der Pädagogik und … der Didaktik, die Hochschulforschung dagegen ist stärker soziologisch und politologisch verankert“ (S. 51).

Interessant fand ich schließlich auch die Ausführungen zum „Verhältnis von Hochschulforschung, Wissenschaftsforschung und Hochschuldidaktik“ (S. 78-82). Diskutiert wird hier, welche Vor- und Nachteile es hätte, wenn man entweder zwischen Hochschulforschung, Wissenschaftsforschung und Hochschuldidaktik nicht trennt („integrale Definition“) oder die Unterschiede dieser drei Fächer deutlich akzentuiert, auch wenn sie sich faktisch überschneiden und in der Folge auch Kooperationen naheliegen. Die Autoren plädieren für letzteres.

Dass Wissenschaftler über eine für sie wichtige Institution – die Hochschule – forschen, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Naheliegend ist, genau das auch für die Bildungsforschung zu fordern: Müsste Hochschule als Bildungsort in der Bildungsforschung nicht viel mehr Relevanz haben? Es kommt ja noch hinzu, dass Wissenschaftler an Hochschulen gleichzeitig Hochschullehrer sind, Bildungsforscher also letztlich auch sich selbst beforschen könnten und müssten. Genial an einer Hochschulbildungsforschung ist ja nun doch, dass der Forschende in der Regel gleichzeitig Praktiker ist. Die methodologischen Konsequenzen dieser Sondersituation sind eines Wissens bislang wenig reflektiert worden. Hochschulbildungsforschung könnte folglich AUCH selbstreflexive Forschung (interessant wäre in diesem Zusammenhang z.B. die Autoethnografie – siehe z.B. hier).

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