In einer aktuellen Pressemitteilung (hier) berichtet die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) von einer gemeinsamen Erklärung der Rektorenkonferenzen aus fünf europäischen Ländern. Sie „warnen davor, das Wesen der Promotion als erster Phase forschungsbasierter Arbeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verwässern“. Diese Gefahr nämlich bestehe, wenn, wie offenbar geplant, die Promotionsphase im Zuge des Bologna-Prozesses nun tatsächlich als ein dritter Zyklus dem Bachelor und Master „äußerlich und strukturell“ angeglichen werden soll. Das heißt dann: Lernergebnisse operationalisieren, Credit Points vergeben, ein „Diploma Supplement“ mit einer Kompetenzbeschreibung erstellen. Parallel dazu dränge – so die Erklärung – die EU-Kommission darauf, dass Teile der Promotion darin bestehen, „arbeitsmarktorientierte Zusatzqualifizierungen“ zu durchlaufen.
Der Widerstand gegen ein solches Ansinnen ist überfällig. Die Arbeitsmarktorientierung – so meine Einschätzung – wächst sich allmählich zu einer Krake aus, die andere Zwecke und damit andere wichtige gesellschaftliche Bereiche und deren Erfordernisse sträflich missachtet.
Überfällig wäre im Übrigen auch eine Reform des European Credit Transfer System (ECTS). Nach 15 Jahren eigener Arbeit mit diesem System komme ich zu dem persönlichen Schluss, dass es nicht die erhoffte Orientierung für Fragen der Arbeitsbelastung im Studium und eine bessere gegenseitige Anerkennung von besuchten Veranstaltungen und/oder abgelegten Prüfungen gebracht hat. Eher hat es bei Studierenden ein (am Ende durchaus konsequentes!) Verhalten und eine Haltung befördert, die dazu führen, dass das strategisch klug geplante formale Erfüllen von Anforderungen die Entwicklung inhaltlicher Interessen, Fähigkeiten und Kenntnisse weit übersteigt. Für Lehrende haben sich Credit Points teilweise in eine Währung verwandelt, mit der man (analog zu anderen numerischen Darstellungsweisen von guter und wichtiger Forschung in Form von Drittmittelhöhe und Publikationsindizes) die Relevanz des eigenen Fachs oder Themengebiets demonstriert.
Das ist alles andere als überzeugend und es wäre an der Zeit, darüber nachzudenken, ob man keine andere Lösung für die Anerkennung von Studienleistungen jenseits der völlig fiktiven Zeitangaben finden könnte. Wie wäre es z.B. mit Farben statt Punkten? Man stelle sich vor, Studierende sammeln und kombinieren statt Punkten Farben und gestalten damit ihr Bild vom Studium – die einen mehr unifarben (disziplinär in die Tiefe), die anderen eher bunt (interdisziplinär in die Breite), die einen mit sichtbarer Rhythmik in der Farbgebung, die anderen assoziativ mit einer sich nur langsam erschließenden Gestalt. Was würde das aussagen im Vergleich zum Punktestand? Wie würde ein solches System das Handeln der Studierenden und der Lehrenden beeinflussen? Es ist bald Weihnachten … ich dachte, man kann sich ja mal was wünschen 😉
20. Dezember 2014 um 22:26
Das erinnert mich ein wenig an die Farbuhr
http://whatcolourisit.scn9a.org/
oder Programmierung mit Farben
http://www.matthias-ernst.eu/
Lehrende müssten dann Faben bei Klausuren verteilen. Je nachdem, wie eine Aufgabe gelöst wurde, bekommt man verschieden große Farbkleckse. Die Maximalmenge an Fabe definiert 100%. Wenn man eine Arbeit nun zu 50% kreativ und zu 50% logisch gelöst hat, bekommt man zwei Kleckse mit jeweils 0,5cm^2 Fläche.
Ich kann mit sowas gut in der Grundschule vorstellen, wo man keine Noten mehr verteilen möchte/kann/darf. Bei weiterführenden Schulen wäre es auch ein interessanter Ansatz. Das Ergebnis ist visuell besser/schöner erfassbar.
22. Dezember 2014 um 11:22
Klar, warum nicht? Das wäre eine sehr individuelle Darstellung und sicher ein sehr dekorativer Wandbehang. Endlich Schluss mit dem Schwarz-auf-Weiß-Denken! Aber, im Ernst: Musik lässt sich ebenfalls in Farben abbilden. Grundlage sind hier ja auch gewissermaßen „Punkte“ mit bestimmter Wertigkeit und ein rhythmischer Verlauf in der Zeit.
Für mehr „Farbe bekennen“ im Studium – Fröhliche Weihnacht!