Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Generation Z – und das war es dann hoffentlich?

Digital Natives …. Wer dachte, nach Rolf Schulmeisters mehrfach aktualisiertem Werk „Gibt es eine ´net generation´?“ (online hier) sei Schluss mit der Debatte um die „Digitalen Eingeborenen“, die sich wie Muttersprachler quasi ohne Anstrengung durch die digitale Welt bewegen, wird immer wieder aufs Neue eines Besseren belehrt. Ich habe mich in den letzten Tagen mal ein wenig umgeschaut, ob und wenn ja, was es aktuell zu diesem Thema gibt. Mein erstes Fazit: immer noch viel undifferenzierte plakative Verlautbarungen, ein paar interessante Studien und die gleichen eher ratlosen Schlussfolgerungen. Warum ich überhaupt danach gesucht habe? Für Anfang Juni bin ich an die Universität Wien eingeladen: zu einem Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Tag der Lehre 2015“. Und genau dieser steht unter dem Motto „Lehren und Lernen mit Digital Natives“. Mein anfänglicher Versuch bei den Organisatoren, mit meinem Vortragsthema von dem gewählten Motto abzulenken, schlug leider fehl.

Also muss ich mir mal wieder Gedanken über die „Digital Natives“ machen – und das in der festen Überzeugung, dass dieses Bild auch 15 Jahre nach dessen Kreation nicht sinnvoller geworden ist. Und siehe da, es gibt sie tatsächlich noch: etliche Texte zu den digitalen Eingeborenen, die nun aber nicht mehr uneingeschränkt positiv daherkommen – plakative Texte für die Praxis, aber auch der eine oder andere wissenschaftliche Text. Ich bringe hier mal nur zwei Beispiele.

Beispiel 1 ist der Text „Generation Z: Digital Native oder digital naiv?“ (online hier). Der Autor attestiert den Digital Natives eine schwindende IT-Kompetenz und dafür eine wachsende Bequemlichkeit, einen Hang zur Vereinfachung – auch in der verbalen Kommunikation – und den Wunsch nach freien Wochenenden. Das finden jetzt vielleicht einige Hochschullehrer/innen immerhin treffender als das Loblied auf die neugierige, selbstbewusste, Multitasking-fähige und tolerante Netzgeneration, wie sie vor allem US-amerikanische Autorinnen wie Prensky, Tapscott und Oblinger beschrieben und dann gefordert haben, die Lehre entsprechend umzustellen. Aber es ist nicht besser, weil die Idee einer allein durch Technologie geprägte Generation dem gleichen Hang zur Vereinfachung folgt, wie es den Digital Natives aktuell unterstellt wird. Was mir an dem Text gefällt, ist der Titel: Generation Z – das weckt zumindest die Hoffnung, dass man jetzt am Ende (des Alphabets) angekommen ist (aber irgendwer fängt vielleicht einfach wieder von vorne an).

Beispiel 2 ist der Text „Digital Natives vs. Digital Immigrants – fruchtbares empirisches Konzept für die Kommunikationswissenschaft oder populärwissenschaftliche Fiktion?“ (leider nur als Abstract online hier). Die Autor/innen beleuchten das Bild von den digitalen Eingeborenen theoretisch mit dem Generationenkonzept von Karl Mannheim und dem Individualisierungskonzept von Ulrich Beck. Zudem haben sie mit Sekundäranalysen repräsentativer Bevölkerungsbefragungen überprüft, ob es Unterschiede zwischen dem Mediennutzungsverhalten sowie anderen Verhaltensweisen und Einstellungen der nach und der vor 1980 Geborenen gibt. Obschon sich – was ja auch andere Studien zeigen – natürlich das Mediennutzungsverhalten über die Zeit geändert hat, fanden die Autoren/innen keine Anhaltspunkte dafür, dass Technik einen deutlichen Unterschied in anderen Verhaltensweisen und Einstellungen determiniert; auch theoretisch kommen sie nicht zu diesem Schluss.

Also tatsächlich nichts Neues zum Thema? Und was lässt sich daraus speziell für die Hochschullehre folgern? Gott sei Dank habe ich noch ein paar Wochen Zeit zum Überlegen. Wer noch hilfreiche Hinweise hat, kann sie mir gerne mitteilen.

3 Kommentare

  1. Mir fällt im Bsp. 1 sofort auf: Programmiersprache: keine.
    Folgt man nun Douglas Rushkoff, dann lernt diese Generation nicht mehr die „Schreibtechnik“ der aktuellen Medienepoche und muss den vorgegebenen (in diesem Fall Programm-)Strukturen folgen. Auch und gerade Geisteswissenschaftler sollten es sich nicht mehr leisten, die Programmierung (der Interaktion, der Gesellschaft) anderen zu überlassen. Sie wären eigentlich durch ihre Nähe zum begrifflichen Denken gut geeignet, in diesen Schaffensbereiche einzugreifen.

  2. Pingback: Wo sind die Digital Natives? | Gabi Reinmann