Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Rhetorische Macht eines Begriffs

Nun bin ich tatsächlich im Verzug mit Infos über die zurückliegenden Veranstaltungen zur hochschuldidaktischen Forschung, in die ich involviert war. Die vergangenen beiden Tage standen im Zeichen der Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre im Cluster Lehr-Lernformen (siehe hier). Und am Donnerstag und Freitag letzter Woche hatten wir am HUL eine Forschungstagung (siehe hier) mit rund 40 aktiv Beitragenden aus verschiedenen Forschungsrichtungen. Ich bleibe besser im chronologischen Modus und beginne mit letzter Woche.

Ziel der Forschungstagung war es, diejenigen zusammenzubringen und zu vernetzen, die nicht nur aktuell aufgrund laufender Projekte, sondern langfristig an einer hochschuldidaktischen Forschung interessiert sind und daran arbeiten, die Hochschuldidaktik (oftmals auch umschrieben als Lehren und Lernen an der Hochschule) als eigene wissenschaftliche Disziplin voranzubringen. Es gab einen Call zur Veranstaltung und das Interesse daran war gerade so passend, dass wir die anvisierte Zahl von acht Symposien (jeweils zwei davon parallel) an zwei halben Tagen zusammenstellen konnten – mit viel Zeit zum Austausch dazwischen. Bereits die Abstracts im Vorfeld der Veranstaltung hatten deutlich gemacht, dass – wie erhofft – ganz verschiedene Zugänge zu Fragen des Lehrens und Lernens an Hochschulen vertreten sein werden.

Die Dokumentation der Veranstaltung wird ein wenig dauern: Wir haben uns im Team (zu insgesamt sechs Personen) daran versucht, nach jedem Symposium jeweils einen Audio- oder Video-Dialog (im Sinne einer Tagungsphänografie) zu gestalten. Die Erfahrungen bei diesem Versuch waren für uns sehr positiv; allerdings sind wir natürlich noch ungeübt gewesen und in der Folge etwas unentschieden, was genau wir mit dem Material machen. Der Ansatz aber erscheint uns vielversprechend. Von einigen Vorträgen innerhalb der Symposien konnten wir Videos erstellen. Ich hoffe, dass wir diese bald verfügbar machen können. Nicht alle aber wollten ihre Beiträge in dieser Form zugänglich machen, was selbstverständlich zu akzeptieren ist. Im Raum steht zudem noch der Plan, eine Buchpublikation in 2017 folgen zu lassen. Da derzeit sehr viele Dinge parallel laufen und die Veranstaltung quasi nebenher zu organisieren war, müssten sich hier alle Interessierten noch etwas in Geduld üben.

Natürlich konnte ich selbst nur vier der insgesamt acht Symposien miterleben, sodass meine folgenden ganz persönlichen Eindrücke entsprechend begrenzt und – das liegt in der Natur eines persönlichen Eindrucks – auch selektiv und geprägt sind von meinen eigenen Erfahrungen und Interessen:

Unter dem Dach „Bildung durch Engagement“ (siehe hier), dem sich das erste Symposium widmete, versammeln sich derzeit viele Initiativen, die ich vor allem in meiner Zeit in Augsburg (von 2001-2009) selbst als sehr fruchtbar erlebt habe: Unser damaliges „Begleitstudium Problemlösen“ (siehe auch hier) hatte noch nicht die derzeit kursierenden Schlagwörter transportiert, wohl aber die Idee, praktisches und soziales Engagement mit forschendem Lernen projektorientiert zusammenzubringen. Ein wichtiger Hinweis im Symposium war aus meiner Sicht, dass auch die derzeitigen Bemühungen um „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ vergleichbare (wenn auch nicht die gleichen) Ziele wie z.B. Service Learning oder Community-Based Research (um nur zwei Varianten zu nennen) verfolgen, im Diskurs aber ohne nennenswerten Austausch nebeneinanderher laufen.

Im darauffolgenden Symposium, das sich der Motivation und motivationalen Verläufe widmete (siehe hier), war für mich (was jetzt die anderen Vorträge in ihrer Bedeutung nicht schmälern soll) Ingrid Scharlaus Co-Referat ein Highlight: Angesichts des in diesem Symposium formulierten Anspruchs, via Forschung Evidenz etwa für motivationsförderliche Maßnahmen in der Hochschullehre zu liefern, setzte sich Ingrid Scharlau kritisch mit dem Begriff der Evidenzbasierung und mit der rhetorischen Macht dieses Begriffs auseinander. Im Vordergrund stand die Frage, welche Probleme die Anwendung psychologischen Wissens in der Hochschullehre bereitet – und genau darauf, also auf der Anwendung empirisch gewonnenen oder geprüften Wissens für praktische Zwecke, fußt ja der Gedanke der Evidenzbasierung (zu diesem Thema siehe auch hier). Und es sind viele Probleme, was Ingrid Scharlau zu dem abschließenden Urteil kommen lässt, dass Evidenzbasierung letztlich auf eine Trivialisierung hinausläuft.

Die Beiträge zur Reflexion und Reflexionsförderung an Hochschulen (siehe hier) habe ich mit Spannung erwartet, denn ohne Zweifel haben wir es mit einem Spezifikum (nicht nur, aber auch) der Hochschulbildung zu tun. Das Symposium zeichnete sich meiner Einschätzung dadurch aus, dass es sozusagen besonders rund konzipiert war: von einem interessanten theoretischen Überblick über eine nach psychologischen Maßstäben durchgeführte Konstruktion eines Messinstruments bis zu praktischen Fragen der Förderung inklsuive einer kompetenten Moderation. Die Diskussion im Anschluss an die Vorträge ließ aus meiner Sicht einige interessante zusätzliche Aspekte aufscheinen: etwa die Frage nach dem Gegenstand der Reflexion in der Lehre, nach der Balance zwischen Selbstreflexion und Reflexion als Teil von Wissenschaft, nach dem Potenzial von Portfolioarbeit und Dialog zur Unterstützung von Reflexionsprozessen.

Sehr froh war ich schließlich darüber, dass wir auch ein Symposium auf der Tagung hatten, das die Möglichkeiten der theoretischen Forschung für die Hochschuldidaktik aufgezeigt hat: Peter Tremp, Balthasar Eugster und Rüdiger Rhein – moderiert von Tobias (sein Blogbeitrag dazu hier) – haben sich aus verschiedenen Perspektiven (vor allem historisch und wissenschaftstheoretisch) der Lehrfreiheit, der Lernfreiheit und der Lehre als Akt der Wissenskommunikation gewidmet (siehe hier). Im Vergleich zu den anderen drei Symposien, die alle – trotz der Verschiedenheit – im weitesten Sinne eine empirische Bildungsforschung repräsentiert haben, wurden hier ganz andere Zugänge zum Gegenstand der Hochschuldidaktik deutlich.

Die Frage, ob und wie man diese sehr verschiedenen Herangehensweisen sinnvoll aufeinander beziehen kann, haben wir zwar nicht beantwortet. Aber das war auch nicht zu erwarten. Wohl aber war es – so mein Eindruck – ein wichtiger Schritt, mit derart unterschiedlichen Sichtweisen an einem Ort zusammenzukommen und sich auszutauschen.

Jetzt im Rückblick empfinde ich es ganz besonders schade, dass ich die Hälfte der Beiträge nicht habe verfolgen können. Ohne zwei parallel laufender Symposien hätten wir allerdings weniger Gäste in Hamburg begrüßen dürfen und/oder weniger Zeit für den Austausch zwischen den Symposien gehabt. Und so bleibt zu hoffen, dass uns am Ende doch eine gute Dokumentation und vielleicht auch eine zweite Veranstaltung dieser Art gelingt.