Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Blogsterben

Vielleicht liegt das ja nur in meinem persönlichen Umfeld, aber meine Annahme auf Grundlage meiner (unsystematischen) Beobachtung ist: Als Wissenschaftler bloggen und folglich über Dinge berichten, die man für mitteilungswürdig hält, erste Ideen oder interessante Fundstücke teilen und öffentlich reflektieren über das, was einen bewegt, scheint keine Konjunktur mehr zu haben – von Ausnahmen, nämlich der „Eröffnung“ neuer Blogs wie den von Tobias, mal abgesehen ;-). Blogs einzelner Wissenschaftler werden tendenziell eher eingestellt oder sind verwaist oder auf Links und Wiedergaben von Inhalten ohne eigene (nennenswerte) Kommentierung reduziert. Wo sind die Meinungen, die Positionen, die Kritik? Und was sind die Gründe für das Blogsterben? Keine Zeit (mehr), weil man die man für Forschungsanträge und Administration braucht? Kein unmittelbarer Gewinn für die eigene Arbeit, ohne den es nicht mehr geht? Angst vor Kommunikationsabteilungen, die das gar nicht gerne sehen, wenn nicht alle kommunikative Energie in die PR der Organisation fließen? Sorge gar, die Unileitungen könnten sich an der öffentlich geäußerten Meinung ihrer Wissenschaftler stoßen? Hemmungen, weil Blogs keine Hochglanz-Produkte sind, die inzwischen auch die Universitäten (früher nur die Firmen) pflastern? Oder von allem ein bisschen?

Ich weiß es nicht. Mag jemand dazu mal eine Studie machen – also zum Blogsterben in der Wissenschaft (falls es ein solches tatsächlich gibt)? 🙂 Die Gründe wären schon sehr interessant; sie könnten vielleicht auch ein Indikator (von vielen anderen) für den Zustand unseres Wissenschaftssystems sein.

4 Kommentare

  1. Studie habe ich nicht vor. Fühle mich aber „ertappt“ und kann überlegen, warum mein Blog verwaist ist. Zunächst was keine Gründe sind: Angst vor Unileitungen und Kommunikationsabteilungen. Entmutigung wegen Hochglanzanspruch.
    Dann, was Gründe sind: a) Keine Konjunktur mehr – ja, im Sinne von Herdentrieb: Die Zeiten, bei Neuem (was Bloggen mal war) dabei zu sein, sind vorbei und da viele auf Micro-Blogging gehen, macht man das auch eher. b) Mangelnde Rückmeldung. Blogs waren ja als Gespräch gedacht, sind aber doch fast nur 1-zu-viele Kommunikation. Wenn man keine Rückmeldungen bekommt, sinkt die Motivation. Likes – Retweets, kurz kommentierte, liefern da zwar dünnes Feedback, aber immerhin Reaktionen – und menschlich ticken wir halt doch (fast) alle. c) keine Zeit für Bloggen übrig – was eher heisst, dass man anderes Wichtiger findet. In den Anfängen meiner regeren Blogger-Aktivität hatte ich auch mehr Zeit, da die Kompetenzen/Erfahrung, die ich mir damit auch erworben habe, noch nicht so gefragt waren, hinsichtlich der Wissensweitergabe. Jetzt ist man gut beschäftigt, zu diesen Themen an Projekten zu arbeiten. Und die freie Lernzeit, die man früher fürs Bloggen eingesetzt hat, investieren viele vermutlich an anderen digitalen „frontiers“. d) keine Zeit mehr, gilt aber auch für die Rezipienten. Das Leseverhalten hat sich m.E. geändert; die Leute lesen lieber kurze Häppchen, jedenfalls in Online-Medien. Und wer Schreibt tut das ja meistens, weil man sich an Leser/innen richtet, und nicht nur zur Selbstreflexion.
    Soweit meine ersten Gedanken zu dem Thema.
    Dieses Phänomen beobachtet man auch in der Praxis, nicht nur Academia. Hier scheinen einige statt des Blog (wieder) eher auf Newsletter zu setzen.

  2. Liebe Andrea, danke für diesen sehr interessanten Beitrag und den Einblick in deine Gründe!

  3. Die Beobachtung (danke dafür) kann ich in Teilen teilen. Die meisten Aktuere, die ich bloggend wahrnehme, bloggen schon lange und relativ regelmäßig. Gleichzeitig habe ich aber auch das Gefühl, dass wenig neue Blogger_innen nachkommen. Vielleicht sucht sich „der Nahwuchs“ da eventuell andere Diskursräume? Vielleicht auch z.T. eher (teilg)eschlossene Räume wie bspw. Slack?
    Untersuchungen zur Blognutzung von Wissenschaftler_innen kenne ich von ein paar Kolleg_innen, die könnte man noch mal heranziehen und ggf. auch gewinnen, z.B. hier http://nfgwin.uni-duesseldorf.de/sites/default/files/Puschmann.pdf oder hier https://jcom.sissa.it/sites/default/files/documents/JCOM_1303_2014_A05.pdf
    Weil ich das Blogging für eine gute Möglichkeit halte, um gerade in das von ganz verschiedenen Zugängen geprägte Feld der Hochschuldidaktik einzusteigen und offene, diverse, kontrovers konstruktive Diskussionen zu ermöglichen, habe ich vor einiger Zeit mal versucht, bloggende Akteure aus Hochschuldidaktik (und offener Wissenschaft) zu sammeln, ggf. gibt es ja Personen, die sich noch eintragen wollen oder jmd ergänzen wollen. Vielleicht auch nützlich, wenn man eine solche Forschung angehen will: https://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:Timovt/HDbloggt%26openscience

  4. Ganz herzlichen Dank für diese informativen Ergänzungen. Wir sollten an dem Thema dranbleiben 🙂