Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Auf den Kopf gestellt

600 waren eingeladen – ob alle gekommen sind, kann man schlecht sagen bei dieser Größe der zweiten Programmkonferenz zum Qualitätspakt Lehre (QPL). Die Veranstaltung begann gestern mit viel (Eigen-)Lob. Kritische Nachfragen oder gar substanzielle Hinweise, wie es weitergeht nach 2020, wie Hochschulen mit der Forderung nach Nachhaltigkeit umgehen und was sich tatsächlich ändert, gab am ersten Tag nur vereinzelt, am zweiten schon etwas öfter, wenn auch in der Gesamtheit verhalten.

Johanna Wanka beschwor zu Beginn der Veranstaltung die Zahlen, also die Milliarden Euro, die seit einigen Jahren an die Hochschulen fließen, gab ein paar Anekdoten aus dem eigenen Studium zum Besten und ließ freilich auch die Digitalisierung nicht aus, die uns alle herausfordert. Für die Länderseite sprach kurz auch Eva Quante-Brandt, machte sich für die Verbindung von Forschung und Lehre stark und lobte den durch QPL angestoßenen Kulturwandel, für den es deutliche Signale gäbe.

Lehre und Forschung gegeneinander nicht auszuspielen, war mehrfach eine Forderung, aber ganz offensichtlich gibt es da unter anderem zwischen den Hochschultypen und zwischen eher hochschulpolitischen und hochschulpraktischen Blickrichtungen große Unterschiede, wie die Verbindung von Forschung und Lehre überhaupt gesehen und gerahmt wird und wie man letztlich damit umgeht. Wie wichtig aber genau diese Frage ist, zeigte sich sowohl in der Podiumsdiskussion am ersten Tag als auch im Vortrag von Harm Hospers von der Universität Maastricht: Die Tendenz, eine „exzellente Lehre“ mit einer „Professionalisierung“ in dem Sinne zu verbinden, dass man sich entscheidet, Personen an Hochschulen nur noch für die Lehre einzustellen, damit sie sich auf Lehre konzentrieren können, scheint mir inzwischen unverkennbar auch bei uns an Fahrt aufzunehmen. Und ob das speziell für Universitäten der richtige Weg ist, bezweifle ich doch sehr (leider aber werden inzwischen ja offenbar alle Hochschultypen unterschiedslos in den Diskussionen behandelt).

In der Podiumsdiskussion des ersten Tages fand ich vor allem die Beiträge von Karin Donhauser von der Humboldt-Universität zu Berlin interessant: Sie war es dann auch, die nach den Lobeshymnen der ersten Stunden endlich auch mal auf den strukturellen Fehler des QPL hinwies, dass dieser nicht die langfristig erforderliche Erhöhung der Grundausstattung der Hochschulen wird auffangen können. Aus der Begutachtung der QPL-Anträge war klar geworden, dass nahezu alle Hochschulen ihre Ausführungen zur Nachhaltigkeit mit zwei Argumenten bestritten haben: Erstens werde man, wenn in den Projekten Investitionsarbeit geleistet worden ist, nachher ja nicht mehr so viele Ressourcen brauchen; zweitens werde man in absehbarer Zeit etwas weniger Studierenden haben. Wir alle wissen, dass beides falsch ist.

Der QPL hat – und das ist jetzt meine eigene Schlussfolgerung – die übliche Projektlogik auf den Kopf gestellt und daher schauen alle jetzt schon bange in das Jahre 2021, weil keiner so recht weiß, wie es weitergehen soll: Üblicherweise investiert man in Projekte, weil diese dazu beitragen sollen, ein neues Konzept, ein neues Programm o.ä. im Kleinen, sozusagen als Piloten, zu entwickeln und zu implementieren, um dann auf der Basis der gemachten Erfahrungen und Beobachtungen entscheiden zu können, ob und wie man die in diesem Piloten steckende Grundidee auf eine breitere Basis stellen oder vertiefen oder transfieren – jedenfalls irgendwie vergrößern kann. Beim QPL ist das genau umgekehrt: Man stellt viele Leute ein, beginnt mit einer Breite, wohl wissend, dass nachher gegebenenfalls (!) ein kleiner Teil davon verstetigt, das ganze also wieder verkleinert wird – die Projektlogik wird auf den Kopf gestellt. Im Alltag der Hochschulen nimmt das an einigen Stellen groteske Züge an, die man freilich immer nur in informellen Gesprächen erfährt und keineswegs das Problem einzelner Hochschulen sind – natürlich nicht, denn es ist ein strukturelles Problem.

Am zweiten Tag immerhin wurde diese Problematik in einer weiteren Podiumsdiskussion durchaus thematisiert – verbunden mit der bekannten, aber deswegen nicht minder wichtigen Botschaft, dass weder Forschung noch Lehre überhaupt dazu geeignet sind, diese vor allem oder auch nur schwerpunktmäßig wie ein Projektgeschäft zu behandeln, denn es sind Daueraufgaben – logisch. Also sind Rahmenbedingungen gefragt und damit auch die Politik sowie eine bessere Abstimmung verschiedener Logiken. Dass der Moderator Himmelrath diese Diskussion mit dem Hinweis abwürgte, jetzt käme das Politik-Bashing, fand ich reichlich unangemessen. Denn die Diskutanten waren nun alles andere als unsachlich.

Die Vorträge von Manfred Prenzel sowie von Uwe Schmidt und Susanne Heinzelmann (zur Evaluation des QPL) waren jetzt für mich persönlich nicht so ertragreich, weil ich deren Inhalte schon kannte – aus der dghd-Jahrestagung (siehe hier) sowie aus dem Expertenworkshop, veranstaltet von der Koordinationsstelle zur QPL-Begleitforschung (siehe hier). Das Thema Lehre, deren strategische Verankerung und wissenschaftliche Beforschung ist halt dann doch am Ende so begrenzt, dass man ständig auf dieselben Leute und Erkenntnisse trifft ;-). Dass wir mehr Forschung neben all den praktischen Bemühungen um eine Verbesserung der Lehre bräuchten, wurde mehrfach betont. Das ist gut! Nur müsste man dann noch mehr die Forschungsförderer mit ins Boot und zu solchen Tagungen holen.

Was ich über die Digitalisierung gehört in den letzten beiden Tagen gehört habe, enttäuscht mich immer mehr, denn wo ist der Fortschritt zum Stand von „vor der MOOC-Welle“, als das Thema wieder (mal) ins Bewusstsein der Öffentlichkeit drang? Immerhin habe ich nach langer Zeit wieder Nicos Apostolopoulos getroffen, der das viel besser beurteilen kann als ich. Ich meine herausgehört zu haben, dass er die engagierte Kreativität vermisst, die es offenbar doch noch leichter hatte, als Strategie, Management und Führung noch nicht in alle Winkel hineingekrochen waren 😉

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