Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Ideen säen

Dirk Baecker – inzwischen wieder an der Universität Witten-Herdecke – schreibt im Blog der Fakultät für Kulturreflexion – hier über die Universität als Plattform. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich alles verstanden habe. Plattformen, so Baecker, seien ein Versprechen: Sie würden Vorhersagen über die Erwartungen und Wünsche ihrer Nutzer treffen und auf Netzwerkeffekte setzen, dabei aber nicht notwendig manipulativ, sondern tendenziell einladend sein. „Die Pointe dieses Versprechens ist allerdings, dass nur der Nutzer selbst es erfüllen kann. Mein eigenes Verhalten ist dafür verantwortlich, dass die Plattform für mich leistet, was ich mir von ihr versprochen habe“ – ein Satz, der mir deswegen gut gefällt, weil er klar macht, dass die Verantwortung für akademische Bildung eine geteilte ist.

Konkreter wird es mit der Frage: „Bietet eine Bildungsplattform Seminare und Vorlesungen oder Kurse oder etwas Drittes, noch Unbenanntes an?“ Hier möchte ich Baecker ausführlicher zitieren, weil er meiner Einschätzung nach gut auf den Punkt bringt, wie sich Lehrformate verändert haben:

„Seminare und Vorlesungen waren die Formate der Vor-Bologna-Universität. In Seminaren (lat. seminarium, die Pflanzschule) wurde Ideen gesät, die später aufgehen sollten, in Vorlesungen wurde die Ausarbeitung von Ideen erprobt, die noch nicht zu Publikationen gereift waren. Bevor Vorlesungen dazu dienten, vorzulesen, was man auch nachlesen konnte, dienten sie dazu, vorher zu lesen, was erst nachher geschrieben wurde. Der Bologna-Universität ist beides unheimlich. Unberechenbare Seminare und riskante Vorlesungen kann man weder in die Spur eines Curriculums bringen noch international vergleichen. Die Bologna-Universität stellte daher um auf Kurse, deren Lernziele es ermöglichen, Lernschritte zu definieren, die mit Kreditpunkten bewertet werden können, die als internationale Währung den Wechsel zwischen den Universitäten erleichtern. Doch es ist ähnlich wie mit dem Euro. Die Identität der Recheneinheit garantiert nicht die Identität der Kaufkraft“.

Dem, so Baecker, stünden heute „Kurse“ gegenüber: „Die Inhalte der Kurse sind Vorwände für die Produktion und Garantie von Kreditpunkten. Der Studiengang wird zur Plattform der Bewertung der Möglichkeit des Wechsels an eine andere Universität. Das kann man wollen. Das kann man sogar verkaufen. Es rechnet mit Studierenden, die Bildungswege berechnen können“.

Es stellt sich für Baecker die Frage: „Welchen Namen gibt man einer Veranstaltung, die kein Seminar, keine Vorlesung und kein Kurs ist, sondern eine Übung in Kompetenz, eine Übung in Praxis, eine Übung darin, im Medium eines Sachverhalts eine Erfahrung mit sich selbst zu machen, die zu Entscheidungen darüber führen kann, welche weiteren Übungen man sucht?“

Es freut mich, dass nun auch noch einmal aus einer anderen Perspektive der Gedanke des Übens thematisiert wird – einer aus meiner Sicht vergessenen Form des Lernens (siehe dazu hier). Ich bin der Meinung, dass man auch heute noch an Universitäten von der frühen Idee der Vorlesung, natürlich von Seminaren – vor allem solchen, in denen man forschend lernt – und eben auch von verschiedenen Formen des Übens profitieren kann (siehe z.B. hier).

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