Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Legitime Ignoranz?

So, das war sie also, die Fachtagung „Universität 4.0“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGFE). Meinen Vorab-Beitrag zum Streitgespräch mit Roland Reuß habe ich bereits hier gepostet. Dass ich schon mal in einer Podiumsdiskussion mit Roland Reuß das Vergnügen hatte (der Blog wird nicht 100 Jahre halten, aber für sieben Jahre reicht es allemal und so kann man das hier nachlesen), habe ich tatsächlich verdrängt. Das liegt aber vermutlich daran, dass ich Podiumsdiskussionen generell ganz gern verdränge, weil sie in der Regel wenig ergiebig sind (und ich mir auch geschworen habe, an diesen nicht mehr teilzunehmen). Anders ein Streitgespräch, das durchaus fruchtbar werden kann. Allerdings hat das konkrete Streitgespräch zur Universität 4.0 einige Zuhörer eher nicht so überzeugt (so jedenfalls kann man es den Twitter-Beiträgen entnehmen), aber in der Summe hat es sicher ein paar Anregungen gegeben – mir zumindest ;-).

Zugegeben: Das Gespräch franste immer wieder aus. Roland Reuß beharrte darauf, die Probleme im Zusammenhang mit Open Access in den Mittelpunkt zu rücken, auch wenn sich Rudolf Tippelt mehrfach redlich bemüht hat, den Fokus wieder auf andere, ebenso wichtige, Fragen der universitären Lehre zu rücken. Zustimmen kann ich in jedem Fall der Forderung nach Selbstbestimmung bei der Frage, wie Autoren in der Wissenschaft publizieren. Das gilt aber wohl an vielen Stellen: So müsste Selbstbestimmung auch die Richtschnur im Zusammenhang mit Learning Analytics sein usw. Es hat sich jedenfalls gelohnt, dass ich mir schon im Vorfeld des Gesprächs Gedanken gemacht hatte – auch zu Fragen, die am Ende gar nicht gestellt wurden, denn: Wie zu erwarten war, gab es (ein) wenig Raum, zu sagen, was ich sagen wollte ;-).

Auf der Fachtagung fanden – neben dem Keynote von Ulf Ehlers und einigen Poster-Präsentationen – zwei Mal vier Vorträge gleichzeitig statt, sodass jeder notgedrungen nur Ausschnitte der vielfältigen Beiträge mitnehmen konnte, so auch ich. In dem, was ich gehört habe, war „von allem“ etwas dabei: Praxisbeispiele für den Einsatz digitaler Medien, Forschungsprojekte zum Einsatz digitaler Medien, kritische Betrachtungen zur Digitalisierung, auf konstruktive Möglichkeiten gerichtete Überlegungen zur Digitalisierung. Also alles bestens? Wohl nicht ganz. Mir fällt auf, dass wir beim Thema „Digitalisierung und Universität“ immer noch dualistisch denken – und dann Aussagen, Ergebnisse, Pläne etc. immer noch vorrangig einteilen in solche von Mahnern versus Machern, Gegnern versus Befürwortern etc. Gerne wirft man sich dann gegenseitig Naivität vor. Das war auf dieser Fachtagung ebenfalls spürbar, wenn auch verhalten.

Deutlich wurde aber darüber hinaus ein sich abzeichnender Konsens (auch im Streitgespräch, was zu Recht angemerkt worden ist): Viele Stimmen, die ich auf der Fachtagung gehört habe, kritisierten, dass Universitäten einer Marktlogik unterworfen werden mit nicht zu leugnendem Einfluss auf Forschung und Lehre. Die Digitalisierung wird im Rahmen dieser Kritik als eng damit verwoben wahrgenommen. Gleichzeitig spielen die meisten von uns das „Markt-Spiel“ mehr oder weniger bereitwillig mit (in Bezug auf Drittmittelakquise, Publikationspraxis, „Sichtbarkeit“ etc.). Gute Gründe dafür finden sich ja irgendwie immer. Aber: Ich sehe in diesem sich abzeichnenden Konsens die Gefahr, daraus eine legitime Ignoranz gegenüber der Entwicklung digitaler Technologien abzuleiten und diese aus der universitären Lehre dann am besten gleich ganz herauszuhalten. Das aber wäre, so meine Ansicht, fatal, weil wir uns im Gegenteil einmischen müssen, und das kann man keineswegs nur aus einer Metaperspektive AUF die Digitalisierung tun. Wenn nun gleichzeitig aus dem skizzierten Konsens in der Ablehnung der um sich greifenden Marktlogik keine Konsequenzen gezogen werden (in dem Sinne, dass man sich einigen der neoliberalen Spielregeln schlicht nicht unterwirft), bewirkt die ganze Kritik wenig bis gar nichts, außer dass man sich gegebenenfalls etwas besser fühlt, mal gesagt zu haben, man sei ja „eigentlich dagegen“.