Nach dem Konzept des Student Engagement „lernen Studierende umso mehr […], je mehr sie sich während ihres Studiums mit sinnvollen Lernaktivitäten beschäftigen“. Wie bitte? Ja, besser nochmal lesen, das ist nämlich ernst gemeint und steht so in einem aktuellen Beitrag (2017) der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft von Lars Müller und Edith Braun. Unter dem Titel „Student Engagement. Ein Konzept für ein evidenzbasiertes Qualitätsmanagement an Hochschulen“ (online hier abzurufen) berichten die Autoren, wie sie das US-amerikanische Konzept des Student Engagement an deutsche Verhältnisse anpassen und als Befragungsinstrument an Hochschulen einsetzen.
Das Konzept selbst, so meine Einschätzung, ist in der hier demonstrierten Verwendungsweise an Trivialität kaum zu überbieten. Ich wiederhole nochmal: Man lernt umso mehr, je mehr man sich mit Lernaktivitäten beschäftigt. Aha! Dank dieses Konzeptes und diverser empirischer Erkenntnisse wissen wir jetzt auch, dass Lehrenden die Aufgabe zukommt, „Lerngelegenheiten anzubieten und Interaktionen zwischen den Studierenden sowie mit den Lehrenden zu ermöglichen, um das studentische Lernen zu unterstützen […]“ (Müller & Braun, 2017, S. 3). Und noch was: Diese Aufgabe kommt den Hochschulen nun „im Sinne der Qualitätsentwicklung“ zu.
Also, man kann da schon sprachlos werden, wenn solche Konzepte im Gewand der Lehr-Lernforschung als evidenzbasierte Heilsbringer an Hochschulen angepriesen werden, wo offenbar nur Wissenschaftler tätig sind, die noch nie auf die Idee gekommen sind, mit ihrer Lehre Lernen zu ermöglichen, und auch nie darauf kämen, dass Lernen etwas mit Aktivitäten zu tun hat, die von den Studierenden selbst zu erbringen sind. Was soll man da noch sagen? Bruce Macfarlane und Michael Tomlinson haben einen lesenswerten Beitrag mit einer Kritik zum Konzept des Student Engagement verfasst – in der Zeitschrift Higher Education Policy, ebenfalls 2017 (hier das Abstract). Die Autoren kritisieren das Konzept als konfus und suggestiv und weisen auf ähnliche Gefahren einer Rückkehr des Behaviorismus hin, wie das in einem kritischen Beitrag zu Learning Outcomes Mari Murtonen, Hans Gruber und Erno Lethinen tun (siehe hier). Macfarlane und Tomlinson arbeiten in ihrem Text verschiedene mögliche Deutungsrahmen von Student Engagement heraus: Engagement-as-Performativity, Engagement-as-Marketing, Engagement-as-Infantilisation, Engagement-as-Surveillance, Engagement-as-Gamification, Engagement-as-Opposition. In jedem Fall eine lohnende(re) Lektüre!