Vom 5 bis 7. Juni 2019 fand die internationale Konferenz „Undergraduate Research Experiences“ an der Universität Hohenheim statt – mit erstaunlich vielen Rednerinnen (und wenigen Rednern) zu Hintergründen, Voraussetzungen, Wirkungen, Erfahrungen und Beispielen zum forschenden Lernen. Der Einstieg war überschattet von Ludwig Hubers Fehlen, der mit seinem Vortrag über die bildungstheoretische Begründungslinie für das forschende Lernen die Konferenz hätte einleiten sollen. Carolin Kreber hat den Part übernommen und Ingrid Scharlau kam extra angereist, um Ludwig mit einer persönlichen Rede zu würdigen, was ihr aus meiner Sicht ausgesprochen gut gelungen ist – und vermutlich allen, die Ludwig besser kannten, nahegegangen sein dürfte (mir jedenfalls schon).
Mein eigener Vortrag beschäftigte sich mit der empirisch-evidenzbasierten Begründungslinie, an die Peter Tremp dann mit einer institutionellen Begründungslinie anschloss. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, meinen Beitrag vorzustellen – es war eine Quintessenz aus einem Teilkapitel des Buches, das ich mit Ludwig noch fertigstellen konnte und hoffentlich noch im Sommer erscheinen wird.
Das Programm (hier) macht deutlich, dass es dem Hohenheimer Team aus dem Projekt „Humboldt Reloaded“ sehr gut gelungen ist, vielfältige Beiträge zu akquirieren und dabei tatsächlich einen internationalen Rahmen für forschendes Lernen abzustecken. Zu vielen Beiträgen kannte ich bereits damit verbundene Texte oder Bücher, sodass für mich weniger die Inhalte als vielmehr die dahinterstehenden Personen „neu“ waren (also neu in dem Sinne, diese in Aktion zu erleben). Und das gibt den Inhalten doch auch wieder eine eigene, besondere Note.
Meine auf der Basis eigener Recherchen und unserer eigenen Forschungsarbeiten am HUL gebildete Einschätzung, dass es nicht nur schwierig, sondern vermutlich auch riskant ist, ganz generell nach DER Wirksamkeit forschenden Lernens (angesichts der Vielfalt an Zielen und Erwartungen, Formen und Ausprägungen sowie Kontexten und Bedingungen) zu fragen, hat sich für mich in den letzten Tagen weitgehend bestätigt. Wünschenswert wäre, dass Geldgeber und Entscheider, beziehungsweise wohl alle Beteiligten die für das forschende Lernen erforderliche Ambiguitätstoleranz aufbringen und damit leben könnten, dass letzte und vor allem exakte Gewissheiten über den „Erfolg an sich“ und in der Folge auch didaktische Rezepte NICHT zu haben sind. Wie gerne würde ich jetzt hierzu Ludwigs Einschätzung hören ….
Als ausgesprochen interessant hat sich aus meiner Sicht das mit der Tagung verbundene Bemühen herauskristallisiert, ein Memorandum für forschendes Lernen zu erarbeiten – eine Aufgabe, der sich im Vorfeld bereits Cornelia Frank, Philipp Pohlenz und Peter Tremp angenommen hatten: Zunächst auf Deutsch hatten sie gemeinsam sieben Thesen aufgestellt und erörtert, die dann noch ins Englische übersetzt worden sind. Während der Tagung konnte man dieses Papier kommentieren, und die letzten eineinhalb Stunden der Konferenz waren der Darstellung der Kommentare und einer Diskussion im Plenum gewidmet. Das Ergebnis war (unter anderem), dass das internationale Publikum viele der Thesen und Erörterungen als zu Deutsch empfanden, auch mit der Übersetzung nicht sonderlich zurechtkamen und letztlich – so schien es – doch eher wenig mit diesem Memorandum anfangen konnten. Nun kamen in der Diskussion wichtige Unterschiede zwischen Bildungsinstitutionen zur Sprache, damit auch Unterschiede in Zielen von Universitäten und anderen Hochschultypen (als Zielhintergrund auch für forschendes Lernen), in Finanzierungsmodellen etc. Und man könnte sich fragen: Warum eigentlich erst jetzt am Ende der Tagung? Auch Übersetzungsprobleme, etwa von Begriffen wie Wissenschaft (neben der üblichen Schwierigkeit, Bildung zu übersetzen) wurden thematisiert, was aber auch schon am ersten Tag mit englischen Bezeichnungen wie „research-based“ und „inquiry-based“ angeklungen (eine Unterscheidung, die sich wiederum nicht klar ins Deutsche übernehmen lässt). Wenn nun aber forschendes Lernen im Deutschen vielfach als ein besonders geeigneter Modus für „Bildung durch Wissenschaft“ verstanden wird oder eben Forschung im Englischen unterschiedlich bekannt wird (inquiry, enquiry, research), dürfte klar sein, dass der internationale Austausch nicht automatisch durch einen simplen „Switch ins Englische“ möglich ist, sondern wohl intensiveres Aushandeln und Verständlich-Machen erforderlich macht – zumal, wenn nicht nur ein Transfer von Hier nach Da, sondern ein echter Austausch mit gegenseitigem Erkenntnisgewinn erzielt werden soll. Bei den Autoren des Memorandums habe ich eine gewisse Enttäuschung wahrgenommen, gar einen Anflug von Zweifel, ob man das Papier wohl überhaupt hätte verfassen sollen, doch ich sehe den Wert dieser Aktion (wie hier nur kurz skizziert) allemal; selber jedenfalls habe viel daraus gelernt!
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