Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Panikmache

Was ist „German U15“? Auf der Web-Seite der U15 heißt es: „Wir U15-Unis bilden die strategische Interessenvertretung forschungsstarker und international sichtbarer medizinführender Universitäten. U15 ist unsere Kommunikationsplattform. Hier definieren wir gemeinsame Ziele und formulieren unsere Strategien.“ Gründungsaufgaben und Leitlinien sind eine „starke Grundlagenforschung auf Dauer zu ermöglichen, forschungsorientierte Lehre für unsere Studierenden anzubieten und Wissenstransfer in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu betreiben.“ Es geht also auch um Lehre, nämlich um „forschungsorientierte Lehre“ und dazu gibt es auch hier eine neue Broschüre zu „Perspektiven forschungsorientierter Lehre an den U15-Universitäten“.

Die Broschüre ist aus meiner persönlichen Sicht weniger interessant im Hinblick auf die dort abgedruckten Poster zu derzeitigen Lehrprojekten (z.B. QPL-Projekte) an den German U15. Viel interessanter finde ich die Statements der Prorektoren bzw. Vizepräsidenten, die für Studium und Lehre zuständig sind. Die Statements beziehen sich (neben vereinzelten Fragen zur Digitalisierung) auf Fragen wie: Was war ein bedeutendes Lehrerlebnis für Sie? Was haben Sie im Laufe Ihrer Lehrkarriere gelernt? Was braucht es für gute Lehre? Was bedeutet gute Lehre für Sie? Welche Kompetenzen muss ein guter Lehrender mitbringen? usw.

Etliche der Antworten thematisieren natürlich Rahmenbedingungen (inklusive mehr Anerkennung der Lehre), wie man das vielleicht auch von einer Leitungsperspektive erwartet. Viele Fragen werden aber aus einer individuellen Erfahrungsperspektive heraus beantwortet, wobei nicht selten auch die eigene Herkunftsdisziplin aufscheint. Leidenschaft, Begeisterung, Interesse, Motivation, Kreativität, Zeit, Freiraum, Muße – es werden viele Dinge vor allem im Zusammenhang mit „guter Lehre“ und Lehrkompetenzen genannt, die einerseits plausibel erscheinen, anderseits aber in vielen Modellen, Evidenzen und Kompetenzvorstellungen aus der heute oft favorisierten soziologischen und psychologischen Hochschulforschung nur am Rande vorkommen. Eine systematische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Verknüpfung von Forschung und Lehre wird bei einigen Statements deutlich, ist aber eher die Ausnahme. Einige setzen offenbar durchaus Hoffnung auf die Digitalisierung, andere zeigen sich eher reserviert (Beispiel: „Der Debatte um Digitalisierung und den damit einhergehenden Hype (zum Teil auch Panikmache) kann ich nur bedingt folgen …).

Exemplarisch führe ich in Ausschnitten ein paar Antworten auf eine der Fragen an, nämlich auf die Frage: „Was bedeutet gute Lehre für Sie?“

„Gute Lehre ist mir sehr wichtig. Ich bereite bis heute Vorlesungen, die ich schon vielmals gehalten habe, immer wieder vor, auch wenn es bereits von mir erarbeitete Unterlagen gibt. …“ – „Gute Lehre bedeutet für mich ´aktives Lernen´ – sowohl forschungs- als auch praxisorientiert. …“ – „Eine inhaltliche Vorbereitung der Lehrveranstaltungen ist zwar das ´A´ und ´O´, bildet aber nur das Fundament für eine gute Lehre. Ebenso wichtig ist die Frage, wie das Wissen didaktisch und mit Hilfe welcher Methoden vermittelt werden kann. …“ – „´Gute Lehre´ beginnt damit, da zu sein; Lehrende und Studierende sind damit gleichermaßen gemeint. Da sein heißt nicht nur physisch präsent, sondern aufmerksam zu sein, …“ – „Um gut zu sein, muss Lehre ein ganzes Bündel teils gegenläufiger Zielsetzungen berücksichtigen. Das Wichtigste ist, dass sie zum eigenen Arbeiten motiviert. …“ – „Guter Lehre gelingt es, das Interesse der Studierenden für ihr Fach zu steigern, sie neugierig zu machen und für die Herausforderungen des Faches zu motivieren. …“

Mein Fazit: Die Statements aus den Hochschulleitungen der U15, also forschungsstarken Universitäten, klingen zum überwiegenden Teil – ich sage mal – bodenständig, sind außerdem zu einem großen Teil an eigenen Erfahrungen orientiert und machen deutlich, dass eben diese durchaus wichtig sind. Aktuelle hochschuldidaktische Diskurse (und damit meine ich jetzt nicht nur Evidenzen aus der psychologischen Lehr-Lernforschung oder Fakten aus der soziologischen Hochschulforschung) scheinen aber doch noch nicht oder kaum angekommen zu sein – um es mal vorsichtig zu formulieren. Der eigene Erfahrungsbezug mag zwar allemal besser sein als jede Form von Panikmache. Sinnvoll und wichtig aber wäre wohl, die Hochschuldidaktik aus ihrer oft engen Service-Ecke zu holen und die bestehende didaktische Forschung und Theoriebildung heranzuziehen, wenn es um die Zukunft der Hochschullehre an unseren Universitäten geht.

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