Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

So wichtig wie lange nicht

„Hochschulen sind nicht nur Hüter wissenschaftlicher Debatten, sondern auch ein Diskursraum, in dem Meinungsfreiheit gilt – im Rahmen des Grundgesetzes und der Demokratie. Auch wenn es nun zu unangenehmen Diskussionen und Momenten kommt, die den gesellschaftlichen Wertekonsens infrage stellen, bietet das Ermöglichen einer solchen Debattenkultur Chancen für die Hochschulkommunikation. Beweist sie sich als Ort des argumentativen Austausches, stärkt sie das nach innen und außen – und nutzt ihr mehr als Hochglanzflyer und schmucke Webseiten“, so Eric Wallis in einem Beitrag (hier) im Oktober 2019 in der DUZ.

Dem werden viele unmittelbar zustimmen. Eine Wissenschaft ohne „Debattenkultur“ erscheint wenig denkbar, wenn man sich darauf besinnt, dass Wissenschaft immer auch auf Mitteilung, Kritik und Aushandeln angelegt ist (zum damit verbundenen Stichwort der Wissenschaftsdidaktik siehe z.B. hier). Und wie ist das, wenn sich Politisches dazwischen mischt? „Im Hörsaal und im Labor wird um Erkenntnisse gerungen und es wird keine Politik gemacht. Deswegen dürfen in einer Universität auch nur Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen lehren, nicht Politikerinnen und Politiker“, so Dieter Lenzen, der Präsident der Universität Hamburg hier. Natürlich – da wird man nicht widersprechen wollen. Eric Wallis aber gibt im oben genannten Text zu bedenken: „Hochschulen sind immer schon politische Bühne gewesen. Bestimmte politische Entwicklungen wären ohne sie gar nicht denkbar.“ Also ist es doch nicht so einfach oder selbstverständlich, Politisches aus der Universität herauszuhalten? Es ist einleuchtend und überzeugend, wenn wiederum Dieter Lenzen sagt: „Politik hat in der Wissenschaft nur Platz als Gegenstand der Forschung und der Lehre, nicht als Versuch, Menschen für parteipolitische Zwecke zu funktionalisieren“. Aber wie ist es, wenn es nicht um Politiker als Redner oder um parteipolitische Zwecke geht, sondern um die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Forschung, Lehre, Gesellschaft und Politik und/oder, worauf ich vor allem Wallis bezieht, um das Hineintragen des Politischen etwa in die Lehre? Wallis plädiert dafür, dann auch den „Dialog“ zuzulassen und eigene „Diskussionsrahmen“ zu schaffen. Auch Lenzen sieht Professorinnen in der Pflicht als intellektuelle Bürgerinnen „für die Demokratie einzustehen, dies aber nicht unter Bezug auf ihren Beruf, sondern auf ihre humanitäre Berufung“. Gegen Ende seines Statements stellt er allerdings auch klar: „Wissenschaft ist also nicht Politik, aber sie ist oft durchaus politisch.“ Was das genau heißt, ist also gar nicht so leicht zu entfalten, denn: Es ist einerseits ja völlig richtig: „Der Wissenschaftler, der sie für seine eigenen privaten, parteilichen oder weltanschaulichen Zwecke missbraucht, ist am falschen Ort“ (Lenzen). Andererseits muss zumindest ich schon auch beipflichten: „Es scheint, dass die Stimmen der Hochschulen im Bereich der Demokratiekommunikation heute so wichtig sind wie lange nicht“ (Wallis).

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