Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Besser? Schlechter? Anders!

Konferenzen leben davon, dass man aufeinander zugeht, sich trifft, einander zuhört, miteinander spricht, sich bestätigt, sich gegenseitig kritisiert und bei all dem in der Regel sowohl auf Bekanntes stößt (man kennt ja „die Community“) als auch Neues erfährt und im besten Fall (also keineswegs in jedem Fall) mit interessanten Eindrücken (mitunter auch Vorsätzen) wieder nach Hause fährt.

Eine solche Konferenzatmosphäre mit ihren besonderen Potenzialen auch in die Hochschullehre zu integrieren, wird seit langem vielerorts praktiziert, vor allem im Zusammenhang mit forschendem Lernen. Auch unsere Projektkonferenz im Rahmen des Master Higher Education steht im Zusammenhang mit forschendem Lernen, wie im letzten Blog-Post (hier) bereits erwähnt. Seit dem Wintersemester 2017/18 veranstalten wir an einem ganzen Präsenztag diese Konferenz, auf der Studierende, die nach ca. drei Semestern ihre Design-Based Research-Projekte abgeschlossen haben – in der Hoffnung, dass die oben genannte Konferenzatmosphäre aufkommt; daneben verfolgen wir freilich noch andere spezifische Ziele (z.B. sollen die neu startenden Studierenden einen kompakten Einblick in die Möglichkeiten von DBR erhalten und ihre Beschäftigung mit DBR ganz anschaulich mit dem Kennenlernen durchgeführter Projekte beginnen). Nach fünf solcher Konferenzen dann der große unerwartete Wechsel zur „digitalen Konferenz“ – erst mal ungeplant und notgedrungen.

Aus dem PräsenzTAG haben wir eine DigitalWOCHE gemacht, drei synchrone Videokonferenztermine angesetzt und alle Referenten um die Aufzeichnung ihrer Präsentationen (ca. 15-20 min) im Vorfeld gebeten. Verteilt auf eine Woche konnten sich alle Beteiligten, also die Referenten selbst, die neue Studierendenkohorte, alle Lehrenden sowie interessierte Studierende aus anderen Kohorten, die insgesamt zehn Vorträge anschauen und asynchron diskutieren – getaktet durch die synchronen Treffen 2 und 3, die sich jeweils der Hälfte der Vorträge gewidmet haben. Im Schnitt waren wir alle zusammen ca. 30 Personen in den Videokonferenzen.

Es ist naheliegend, einen Vergleich zu ziehen. Allerdings sind bereits die Fragen, die man für einen solchen Vergleich stellen kann, durchaus verschieden und lenken den Blick auf Verschiedenes. Man kann fragen: War die Digital-Variante besser als die Präsenz-Variante oder war sie schlechter? Mit einer solchen Frage schickt man beide Varianten in einen Wettbewerb, was sich allerdings nicht bewährt, zumal dann nicht, wenn nicht geklärt wird, worauf genau sich ein Besser oder Schlechter jeweils bezieht. Man kann aber auch fragen: Konnten wir den Ausfall der Präsenz-Variante mit der Digital-Variante gut oder ausreichend kompensieren? Fragen dieser Art stellt man sich im Moment vermutlich oft, wenn man davon ausgeht, dass die gegenwärtigen eher ad hoc geschaffenen Online-Varianten (von an sich in physischer Präsenz geplanten Angeboten) den Charakter von „Emergency Remote Teaching (oder Conferencing)“ haben (siehe hier). Allerdings impliziert eine solche Frage von vornherein, dass die gewählte Alternative eher die Schlechtere ist. Nun hatten wir bei unserer digitalen Projektkonferenz letztlich doch einen gewissen Planungsvorlauf (weil sie nicht zu Semesterbeginn startete), sodass wir nicht nur eine Notfall-Reaktion bieten konnten, und vor diesem Hintergrund würde ich die Frage eher so formulieren: Was war in der Digital-Variante anders als in der Präsenz-Variante und wie bewerten lässt sich das bewerten?

Natürlich kann ich diese Frage hier nur aus meiner eigenen Perspektive aufgreifen. Alle Lehrenden, die ebenfalls beide Varianten kennen, können dies ebenfalls und kommen vielleicht zu anderen Schlüssen. Die Referenten können die Frage zumindest aus verschiedenen Rollen heraus beantworten, denn als Novizen haben sie die Präsenz-Variante erlebt, als Expertinnen die Digital-Variante; das führt sicher auch zu verschiedenen Einschätzungen. Die Studierenden der aktuellen Kohorte können allenfalls einen Vergleich mit analogen Präsenz-Konferenzen im Kontext der Lehre anstellen. Im Folgenden also nur mein persönlicher Eindruck.

(1) Anders war für mich die Rezeption der Vorträge: In Präsenz habe ich genau eine Chance, die dargebotenen Inhalte und Berichte aufzunehmen und zu verstehen. Im asynchronen Modus habe ich die Videos ab und zu angehalten und über das eine oder andere nachgedacht, hatte also mehr Zeit und Ruhe für die Rezeption. In Präsenz hätten wir bei zehn Vorträgen wohl zwei Tracks machen müssen; in der Folge hätte ich nur die Hälfte gehört (außer natürlich, wir hätten die Vorträge aufgezeichnet; verfügbar wären sie dann aber erst mit zeitlicher Verzögerung gewesen). In Präsenz nehme ich allerdings einen – ich sage mal – ganzheitlicheren Eindruck der Referenten mit: All die Mühen und das Engagement, die Leidenschaft für ein Thema, das Bedauern über eventuell verpasste Möglichkeiten oder der Frust über Hindernisse, die man erfahren hat, werden in der physischen Präsenz wahrnehmbar, lassen sich in einer Aufzeichnung und in einer Videokonferenz zwar auch erahnen, sind aber doch weniger gut erkennbar.

(2) Beobachtet habe ich zudem eine andere Form der Vernetzung der Experten und Novizen: Die zeitlich verteilte und noch kompakte Form (begrenzt auf eine Woche) der Projektkonferenz unter digitalen Bedingungen hat die Möglichkeiten erweitert, sich gegenseitig auszutauschen – wenn man das wollte! Fragen im Vorfeld wie im Nachgang der Videokonferenzen über das Forum, die synchronen Termine selbst und der Umstand, dass alle zusammen länger Zeit hatten, sich – zumindest über die Vorträge – kennenzulernen, bewirkt meiner Einschätzung nach eine relativ reflektierte Form des Austausches. Die Projektkonferenz in physischer Präsenz an einem Tag dagegen ist eindeutig emotionaler, ermöglicht, so mein Eindruck, eine andere Form der sozialen Interaktion, vielleicht auch mit mehr Interesse an der Person selbst.

(3) Infolge der Umstellung auf ein komplett „digitales Semester“ haben wir auch die Platzierung der Projektkonferenz verändert: Während diese im Präsenz-Format gleich zu Beginn innerhalb der Blockwoche stattfindet (und zwar aus organisatorischen Gründen, weil viele unserer Teilnehmenden von weiter her anreisen), konnten wir die Positionierung der Konferenz in diesem Semester allein an didaktischen Aspekten ausrichten. Und so haben wir die Projektkonferenz genau nicht an den Anfang des Semesters gesetzt, sondern an den Beginn derjenigen (geblockten) Veranstaltung, die dazu dient, in DBR einzuführen. Diese Platzierung ist aus meiner Sicht eindeutig besser, weil wir nun in der kommenden Woche direkt an den Projekterfahrungen und an die ersten Einblicke in DBR-Projekte anknüpfen können. Die digitale Variante hat uns also von organisatorischen Erfordernissen befreit und eine didaktisch begründete Entscheidung ermöglicht.

Daher mein Fazit: Bezogen auf die Projektkonferenz in unserem Master ist die Digital-Variante in der skizzierten Form weder besser noch schlechter, sondern schlichtweg anders – mit eigenen Qualitäten. Und meine Vermutung ist, dass sich dies durchaus auch auf „echte“ Konferenzen – zumindest kleinere Konferenzen – übertragen lässt. Aber: Natürlich kommt es auf die Art der gewählten Digital-Variante an, sodass sich auch dieser (erste) Schluss keinesfalls generalisieren lässt. Digital ist eben nicht gleich digital, wie dies für die Präsenz in gleicher Weise gilt. Von Pauschalurteilen sollte man sich daher rasch verabschieden.

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