Paul Ashwin hat ein Manifest zur Hochschullehre bzw. Hochschulbildung geschrieben: Das handliche kleine Buch trägt den Titel „Transforming University Education: A Manifesto“ und ist 2020 bei Bloomsbury Academic erschienen. Im Kern geht es Ashwin um den Beitrag der Universität zur „Transformation“ von Individuum und Gesellschaft.
Für Ashwin ist es eine Fehlentwicklung, dass die Gründe für den Ausbau des Hochschulsystems und die Inklusion möglichst Vieler in die Hochschulbildung vor allem ökonomisch begründet werden (etwa mit wirtschaftlichem Erfolg, Aufstiegschancen, höheren Gehältern). Beschäftigung dürfe nicht den primären Zweck der Universität bilden, und Prestige und Reputation dürften nicht zum Maßstab der Beurteilung der Qualität von Hochschulbildung sein. Darüber hinaus wendet sich Ashwin gegen die zunehmende Entwicklung, das Augenmerk vor allem auf generische Fertigkeiten zu richten und wissenschaftliche Inhalte in gewisser Weise beliebig werden zu lassen (dazu habe ich erst kürzlich hier etwas geschrieben).
Auch zum Lehren und Studierenden gibt es laut Ashwin eine ganze Reihe von Fehlannahmen – darunter ganz bekannte und ein paar weniger oft diskutierte. Die Erörterung dieser Fehlannahmen, so meine Einschätzung, läuft auch auf eine Kritik aktueller Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre hinaus:
- Hohe Lehrqualität sei – insgesamt betrachtet – vor allem ein kollektives, weniger ein individuelles Unterfangen, weshalb Lehrpreise in die Irre laufen können. Insbesondere Curricula bedürften eines gemeinsamen Aushandlungsprozesses.
- Es gibt nicht den einen guten Weg zur Lehre, sondern viele, weshalb sogenannte Best Practices mitunter problematisch seien, denn: Diejenigen, die als Pioniere in der Lehre erfolgreich sind, versuchen, ein Problem zu lösen, und das sei entscheidender als eine angeblich gute Methode zu kopieren.
- Die eine perfekte Lehrmethode sei ohnehin unsinnig und fixiere Lehrende auf Methodenfragen, obschon es am Ende vor allem darauf ankomme, dass Lehrende (und Studierende) den Zweck ihrer Interaktion verstehen und nutzen.
Immer wieder kehrt Aswhin in seinem Manifest zum Zweck der Hochschulbildung zurück und betont, wie wichtig es ist, dass Leitungen, Lehrende und Studierenden diesen Zweck reflektieren. Ein tiefes Verständnis von der „Sache“, die es zu lehren und zu erlernen gilt, ist für Ashwin ebenso unerlässlich wie ein Verständnis vom Wissen der Studierenden, mit dem sie in Veranstaltungen und Studienabschnitte gehen. Kohärenz ist ein häufig verwendeter Begriff für die Gestaltung von Lehre; Erfahrung wiederum ist ein oft genanntes Stichwort für das Studium: Lehre müsse es ermöglichen, dass Studierenden Erfahrungen machen – und zwar mit Wissenschaft bzw. wissenschaftlichem Wissen. Vielfältige Varianten des Begriffs „transformation“, so meine persönliche Folgerung, nutzt Ashwin für eine letztlich bildungstheoretische Erörterung des Zwecks der Universität, und ich meine, so einiges, was da steht, umschreibt das, was wir im Deutschen unter das Dach „Bildung durch Wissenschaft“ stellen.