Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Verstanden, respektiert und ernst genommen

In der methodologischen Diskussion von Design-Based Research (DBR) in den Bildungswissenschaften sind immer auch verwandte Ansätze und Diskurse aus anderen Disziplinen interessant. An sich naheliegend, im Kontext von DBR aber trotzdem gar nicht so häufig thematisiert, sind in diesem Zusammenhang Ausführungen aus der Design-Forschung mit Passung oder Ähnlichkeit zu DBR. Ich bin in diesem Umfeld schon des Öfteren auf die skandinavischen Autoren Ilpo Koskinen und Peter Gall Krogh gestoßen (die auch gerade ein neues Buch veröffentlicht haben – dazu an anderer Stelle mehr).

Design-Based Research im Kontext der Hochschuldidaktik (auf dieses Feld konzentriere ich mich) ist nicht das Gleiche wie „constructive design research“ (im Folgende abgekürzt mit CDR) – so die gewählte Bezeichnung der Autoren Koskinen und Krogh, was an anderer Stelle gleichgesetzt wird mit „research through design“. Aber: Es gibt erstaunlich viele Parallelen zwischen DBR und CDR, sodass man sich aus dem CDR-Diskussionsstrang Impulse für DBR holen kann. Der Text, auf den ich mich beziehe, ist schon ein paar Jahre alt, thematisiert vor allem die Verknüpfung von Theorie und Praxis und lässt sich über researchgate online hier abrufen: Koskinen, I. & Krogh, P.A. (2015). When design research entangles theory and practice. International Journal of Design, 9 (1), 121-127.

Ein zentrales Konzept ist für die beiden Autoren im Rahmen von CDR ist „design accountability“. Es lässt sich wohl am besten analog dazu verstehen, dass man von der Wissenschaft sagt, sie sei „der Wahrheit verpflichtet“ (epistemolocically accountable). Koskinen und Krogh geht es darum, dass Forschung durch Design weder allein der Wahrheit noch allein etwa der Kunst verpflichtet sei, sondern eben dem Design, und das wiederum bedeutet (p. 121): „Researchers who hold themselves accountable to design aim to do research that practitioners will understand, respect, and take seriously“. Mit Forschung wie CDR, so Koskinen und Krogh, werde beispielsweise neues Wissen für Design geschaffen oder es werden Veränderungen in Design-Methoden und -Prozesse angestoßen oder Designer werden ermutigt, die Annahmen hinter ihrem Design kritisch zu hinterfragen – je nach konkretem Forschungsansatz. Ich denke, hier zeigen sich bereits erste Parallelen zu DBR in der Hochschuldidaktik: Hochschuldidaktisch Forschende, die sich dem Design verpflichtet fühlen (und deshalb DBR praktizieren), wollen so forschen, dass es von Lehrenden in der Hochschulpraxis verstanden, respektiert und ernst genommen wird. Mit ihrer Forschung können sie neue Erkenntnisse zu Hochschullehre generieren, einen Wandel im Lehren und Lernen (z.B. methodisch) anregen und mitunter auch zum kritischen Hinterfragen bisheriger Lehrpraxis beitragen.

CDR – das verwundert jetzt nicht – bearbeitet Design-Probleme mit designspezifischen Mitteln, generiert nach Koskinen und Krogh Design-Ergebnisse, zum einen mit Blick auf die Praxis, zum anderen aber auch basierend auf Theorie, und ist eine „die Welt gestaltende Disziplin“ (world-making discipline) (p. 122). Letzteres unterscheide CDR sowohl von den Natur- als auch von den Humanwissenschaften: Es geht nicht primär darum, das zu beschreiben, zu erklären und vorherzusagen, was existiert, sondern sich neue (mögliche) Welten vorzustellen und zu konstruieren. Ähnlich habe ich mit Werner Sesink vor nunmehr schon ca. zehn Jahren argumentiert, dass DBR im Bildungskontext vor allem die Realisierung neuer Welten im Blick hat und infolgedessen weniger vergangenheits-, sondern stärker zukunftsorientiert agiert (siehe hier).

Eine wichtige Frage in CDR ist laut Koskinen und Krogh die Beziehung zur Theorie und die Nutzung theoretischer Ansätze aus anderen Disziplinen (pp. 123 ff.): Einerseits sei es höchst fruchtbar und mitunter auch unverzichtbar, sich theoretischer Konzepte – und gemeint sind hier auch Methoden – anderer Disziplinen sozusagen auszuleihen; genannt werden zum Beispiel Verfahren der interpretativen Sozialforschung. Andererseits tue man sich damit nicht immer einen Gefallen, insbesondere dann nicht, wenn diese Theorien oder Methoden die Oberhand gewinnen: „Giving control over key abstractions to other disciplines, however, may lead to turf contests“ (p. 123). Hier kommt noch einmal das Konzept der „design accountability“ zum Tragen: Die Verpflichtung zum Design helfe zu entscheiden, wie man mit Theorien und Methoden anderer Disziplinen umgeht. Es komme letztlich, so die Autoren, darauf an, eine rechte Balance zu finden zwischen Design-Anforderungen und Anforderungen an den Einsatz von Methoden (aus anderen Disziplinen) – was im Text „methodology“ genannt wird: „Going too far in the direction of methodology makes research unintelligible and irrelevant for practioners […]. If we are to take design accountability seriously as a research ideal, then research methods and processes understandable to designers must be put in the driver´s seat” (p. 124). Bei DBR in der Hochschuldidaktik steht man ebenfalls unter anderem vor der Herausforderung, wie man die zahleichen und allesamt im Prinzip einsetzbaren empirischen Methoden etwa aus der Psychologie, Soziologie und empirischen Pädagogik heranzieht, ohne mit deren Anwendung aus einem DBR-Projekt ein vor allem empirisches Projekt zu machen, das sich am Ende von anderen empirische Projekten nicht oder im schlimmsten Fall nur nachteilig unterscheidet (z.B. aufgrund kleiner Fallzahlen).

Design-Forscher wie Peter Gall Krogh, Ilpo Koskinen oder Jon Kolko sind aus meiner Sicht für DBR vernachlässigte Inspirationsquellen, insbesondere im Hinblick auf die Frage, was DBR von anderen Forschungsansätzen in der Bildungsforschung und speziell in der hochschuldidaktischen Forschung unterscheidet.

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