Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Aus didaktischer Sicht bedenkenswert

Nachdem wir am HUL Ende Oktober den Bericht zur Lehrendenbefragung an der Universität Hamburg (UHH) online gestellt hatten (siehe hier), folgt nun die Veröffentlichung der Ergebnisse der Studierendenbefragung seitens des Teams Evaluation an unserem Zentrum (hier). Es sich um die Ergebnisse aus dem Sommersemester 2021 – dem dritten Semester, in dem pandemiebedingt fast ausschließlich digitale Lehre an der UHH stattfand.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden Lehre und Prüfungen überwiegend positiv bewerten – und das trotz der natürlich nach wie vor belastenden Rahmenbedingungen. Mit der Kommunikation mit Lehrenden und Mitstudierenden waren die Befragten sogar zufriedener als im Wintersemester 2020/21. Was die eingesetzten Technologien und Formate in der Lehre betrifft, hat sich aus Sicht der Studierenden im Vergleich zum vorangegangenen Semester eher wenig verändert. Das Folgende Zitat aus dem Bericht (Seite 3) sollte uns aus didaktischer Sicht zu denken geben:

„Als besonders hilfreiche Lernarrangements bewerteten die Befragten Videoaufzeichnungen von Vorlesungen (77,7 %) und die Bereitstellung von Lernmaterialien mit Aufgaben (74,3 %) 12. Weiterhin wurden Lernpartnerschaften unter Studierenden (61,5 %), Audioaufzeichnungen mit oder ohne Präsentationsfolien (60,1 %) und Online-Tutorials oder Webinare (59,3 %) von der Mehrheit der Befragten, die Erfahrungen mit diesen Formaten gemacht hatten, als hilfreiche Lernarrangements eingeschätzt, auch wenn diese eher selten in der Lehre zum Einsatz kamen. Als weniger hilfreich empfanden viele Studierende studentische Präsentationen in Videokonferenzen (38,6 %) und Arbeitsaufträge für studentische Kleingruppen (50,5 %). Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Einschätzungen aus dem Wintersemester 2020/21.“

Vermittelnde Lehraktivitäten – didaktisch oft gescholten – scheinen also bei den Studierenden (unter digitalen Bedingungen) besonders gut anzukommen: Video- und Audioaufzeichnungen sowie bereitgestellte Lernmaterialien. Letztere sind in der Befragung allerdings mit Aufgaben, also einem didaktischen Element kombiniert, das die aktiv-konstruktive Bearbeitung der Inhalte fördern kann. Vergleichsweise schlecht weg kommen dagegen Arbeitsaufträge für Kleingruppen – da also, wo soziale Lernprozesse stattfinden können, die didaktisch eher gepriesen werden: Die Hälfte jedenfalls ist damit offenbar unzufrieden. Woran liegt das? An ungeeigneten Arbeitsaufträgen? Am höheren Aufwand? An zu wenig, fehlender oder unpassender Begleitung der gemeinsamen Bearbeitung von Arbeitsaufträge? Online-Tutorials, bei denen man eher mit Programem denn mit Menschen interagiert, werden dagegen besser bewertet. Soziale Bedürfnisse scheinen aber wiederum gut über Lernpartnerschaften gedeckt zu werden. Dieser Befund wirft die Frage auf, wie sich das noch umfänglicher in die (digitale) Lehre integrieren ließe.

Es fällt da schon auf, dass das, von dem man tendenziell annimmt, dass es die Lehrqualität erhöht (z.B. das Lernen und Arbeiten in Gruppen), nicht unbedingt so bei Studierenden auch ankommt, und umgekehrt, dass das, von dem man tendenziell sagt, dass es die Lehrqualität mindert (z.B. Vermittlung in der Lehre) Studierende durchaus zufrieden macht. Es ist eben doch nicht so einfach, wie es manche gerne hätten – also einfach in dem Sinne, dass man nur ein paar hochschuldidaktische Tipps befolgen muss und schon klappt alles 😉

Ein Kommentar

  1. Die Ergebnisse überraschen nicht, sie sollten aber nicht in den Pflichtkursen verwendet werden, um die Lehre in diese Richtung umzugestalten, weil zwischen dem was sinnvoll ist und was Studenten sich wünschen eben ein Unterschied besteht. Allerdings werden Universitäten immermehr zu Service-Einrichtungen, die meinen ihre Kunden glücklich stellen zu haben, also wird dies wohl dennoch in diese Richtung vollzogen werden.

    Die gewünschten / gut bewerteten Lehrformen zeigen, dass es vor allem die passiven (!) Lehrformen sind, die gut ankommen bei den Studenten. Sich vor den Bildschirm parken, sich womöglich den Zeitpunkt selbst auswählen zu können, wann das geschieht, nicht selbst aktiv tätig zu werden, sondern sich berieseln lassen mit Infos, das mögen Studenten, weil es einfacher ist als Eigeneinsatz zu zeigen. Vorlesungsähnliche Formen erfreuen sich größerer Beliebtheit (obwohl sie faktisch als langweilig empfunden werden und wenig an Infos hängen bleibt), weil sie kräfteschonend sind.

    Bei den Formen mit bereitgestellten Aufgaben, sollte man nicht den Fehler machen und denken, dass die Bereitstellung von Aufgaben auch mit einer tatsächlichen Bearbeitung einhergeht. Studenten schauen sich diese Aufgaben an und lesen sie sich vielleicht durch, aber wieviel % bearbeiten sie dann auch wirklich? Oft nur dann, wenn sie direkt verpflichtend sind um ECTS Punkte zu kriegen.
    Die Bereitstellung von Aufgaben wird von Studenten eher als „Freistellung von Aufgaben“ interpretiert, weil die Bearbeitung optional ist.

    In meinen Seminaren biete ich schon seit Jahren nicht mehr die kräftefordernden Formen an, weil wenn ich z.B. Gruppenarbeiten durchführen lasse mit Aufgabenstellungen, dann kommen die Studenten nicht mehr in der nächsten Woche, weil in der Gruppenarbeit offenbart wird, wer den Literaturtext wirklich gelesen hat und wer nicht, kann nichts beitragen und das wird in Anwesenheit der Gruppe als „unangenehm“ empfunden. In meinen Seminaren gibt es daher nur studentenfreundliche Formen: jemand, der einen Text nicht gelesen hat, muss dies nicht zugeben, hat nicht zu befürchten, dass dies offenbart wird und so kommen dann auch mehr Studenten und ab einer gewissen Mindestgröße klappt es dann auch gut.