Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Abschaffen, Beibehalten, Verändern?

Heute war ich auf einer Veranstaltung mit dem Titel „Digital Learning“ in München. Organisatoren der Veranstaltung waren die Media Business Academy (MBA) in Kooperation mit dem Cluster Audiovisuelle Medien (CAM), mediennetzwerk münchen, Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU), dem Mediencampus München, Games Markt und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) – die mir bis dato alle kaum bekannt waren. Das Programm findet man hier. Als Konferenzziel war definiert: „Die Teilnehmer werden über die verschiedenen Formen des Digital Learning informiert und erhalten Einblick in alle wichtigen pädagogischen, inhaltlichen und technologischen Aspekte. Sie sollen verstehen, dass Digital Learning eine neue Kultur des Lernens ist, ohne die Freizeit und Schule von Kindern und Jugendlichen nicht mehr denkbar ist.“ Ich habe mich für ein eher grundsätzliches Thema entschieden, weil ich zunehmend der Überzeugung bin, dass wir keinen Ideenmangel, aber ein Umsetzungsdefizit haben – nicht nur in der Schule, aber da besonders. Statt der Folien, stelle ich wieder beim Redemanuskript zur Verfügung.

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7 Kommentare

  1. Liebe Gabi,
    ich habe gestern dank des Hinweises von Mandy Schiefer deinen Vortrag mit großem Interesse gelesen und kann dem, was du da wieder einmal sehr treffend auf den Punkt – nein 3 Punkte- bringst, aus meiner Erfahrung „an der Front“ als Lehrerin und Fortbildnerin nur zustimmen.
    Ich darf dazu noch ein paar Punkte aus der Praxis ergänzen:
    1. Wenn man Szenario III = Verändern als Ziel für den Unterricht und die Fortbildungen propagiert, erschreckt man viele Kollegen, denn genau das wollen viele ja nicht. Und genau hier ist auch immer mein Dilemma. Man muss den Leuten klar machen, dass mit den digitalen Medien allein (Szenario II) ja viele organisatorischen Dinge besser erledigt werden können, aber der Mehrwert erst dann zur Geltung kommt, wenn man auch das Lehren und Lernen umstellt. Dann wird man aber meist umgehend damit konfrontiert, dass doch gefälligst die äusseren Voraussetzungen dazu geschaffen werden müssten, um ein solches Vorhaben überhaupt zu ermöglichen. In diesem Falle verweise ich dann immer auf kleinschrittige Einheiten, die sehr wohl auch unter den kontraproduktiven äußeren Umständen möglich sind. Überhaupt mache ( nicht nur ich) immer wieder die Erfahrung, dass die Kollegen konkrete Anwendungsbeispiele haben wollen und da kann man dann durchaus auch „Neues Lernen mit unterjubeln 😉 .
    Was die von dir angesprochene Oragnisation im großen Rahmen betrifft, gebe ich dir 100% Recht, allerdings sagt meine Praxiserfahrung, daß wir uns da wohl noch auf einen langen Marsch durch die Bildungsinstitutionen gefasst machen müssen- heisst das also abwarten? Ganz im Gegenteil, wie du auch schreibst, gibt es sehr viele ganz tolle Beispiele von Engagement in der Umsetzung Neuen Lernens mit digitalen Medien- die allerdings oft im Verborgenen gedeihen. Aber wir haben auch ein gut funktionierendes Netzwerk, wie man an unseren vernetzten Blogs und Getwitter erkennen kann. Es gibt auch immer wieder Anzeichen, dass es uns gelingt, Wellen zu schlagen, die dann wieder irgendwo ankommen und weiter bewegt werden- von unten quasi- ein bisschen in dem von dir nicht sehr geliebten Edupunk Stil- was soll man denn sonst machen!?
    Ein ganz großes Hindernis für unsere Bemühungen sind aber nicht so sehr die äußeren Umstände, sondern eher die mangelnde Unterstützung,der Spott und die Ablehnung hinter unserem Rücken durch andere Kollegen. Dies erreicht dann natürlich auch unsere Schüler, die irgendwann bemerkt haben, dass es unbequemer ist, wenn man selbst für sein Lernen verantwortlcih ist und der Lehrer nicht alles vorkaut, was man dann bei der nächsten Arbeit wieder ausspucken darf – und vergisst. Ich erlebe es regelmässig, dass Schüler irgendwann gegen diese neuen Formen des Lernens rebellieren, meist, wenn in anderen Fächern dann die KAs sich häufen und der Druck steigt. Dann hört man nur allzugern auf andere Lehrer, die für diesen „neumodischen Kram “ wie virtuelle Klassenzimmer und EPortfolios überhaupt nichts übrig haben ( und meist auch garnicht wissen, was das ist und was man damit machen kann). Mein Rezept in diesem Fall: immer wieder mit den Schülern sprechen, sich Verbündete im Kollegium suchen ( sehr schwer, zugegeben) und den Schülern selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Sie sind ja nicht so dumm, dass sie nicht auch den Arbeitsaufwand eines Lehrers, der immer aktuelle Themen und abwechslungsreichen Unterricht bietet, erkennnen können. Mit der Übertragung der Verantwortung auf die Schüler muss man auch relativ gemächlich vorgehen, weils sie dies auch nicht gewohnt sind. Soweit meine (subjektiven?) Einschätzungen zu dem Thema. Ich könnte dazu einen Roman schreiben – oder besser ein Theaterstück ( bin mir nur noch nicht sicher, ob das dann ein Drama oder eine Komödie wird)
    Insgesamt kann ich sagen, daß es in der Tat nur darum gehen kann, Szenario III zu implementieren – zuerst aber mal in den Köpfen der Verantwortlichen auch und besonders in der Lehrerausbildung – sonst ist wieder mal eine Generation verloren….
    Nochmal vielen Dank für die Veröffentlichung deines Skripts. Es tut gut, von berufener Stelle diese Art von virtueller Unterstützung zu bekommen!

  2. liebe Gabi,
    an vielen Stellen sprichst du mir so aus dem Herzen! Eigentlich machen es sich die Vertreter von zwei der von dir genannten Positionen eben zu einfach: Schule abschaffen bzw. alles lassen wie es ist. Komplizierter wird es für Leute wie uns, die Unterricht und Schule mit digitalen Medien (durchaus auch drastisch) verändern wollen. Und genau, wenn wir nicht die Passung von Lernen und Prüfen dabei mit erreichen, dann brauchen wir uns über Ausbleiben der erwünschten Effekte doch nicht wundern.
    Gruß, Joachim

  3. Pingback: » New school - old school und digitale Medien School-Networking: …if we don’t grab the future, the future will grab us…

  4. Vielen Dank für diesen vorzüglichen Beitrag – weite Teile der Rede werden in meine Prolegomena zur Methoden&Medien-Ausbildung im Studienseminar Fulda integriert!)

  5. Hallo zusammen,
    vielen Dank fürs Feedback. Danke vor allem an Sigi für die authentischen Ergänzungen einer Betroffenen. Folgende Sätze sollte man sich unterstreichen: „Mein Rezept in diesem Fall: immer wieder mit den Schülern sprechen, sich Verbündete im Kollegium suchen (sehr schwer, zugegeben) und den Schülern selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Sie sind ja nicht so dumm, dass sie nicht auch den Arbeitsaufwand eines Lehrers, der immer aktuelle Themen und abwechslungsreichen Unterricht bietet, erkennnen können.“ Das scheint mir aktuell ebenfalls die einzig sinnvolle „Überlebensstrategie“.
    Gabi

  6. Hallo Gabi,
    ich bin ja von der Abschaffer-Fraktion (gleich mal als Vorwarnung 🙂 ).
    Abschaffen ist aber leichter gesagt als getan. Und ich denke, auch Du stellst die Frage in dem Vortrag nicht ehrlich. Die Schul-Abschaffer haben eine lange Tradition und teilweise sehr intelligente Alternativen, die alle unglaubliche Durchschlagskraft auf unsere Gesellschaft hätten.
    Die Schule verkauft „Lernen“ als Konsum. Je länger und mehr Schule man konsumiert desto gebildeter ist man. Jeder Pädagoge weiß, dass das nicht stimmt und dennoch gibt es keine Lösung für dieses Problem – innerhalb der Schulmauern. Ich würde mich freuen, wenn Du Dir die Frage des Abschaffens noch einmal ehrlich stellst. In dem Vortrag klingt es eher nach einer Alibi-Frage; nach dem Motto: „Gut dass wir darüber gesprochen haben“.
    Ich denke, das kannst Du am einfachsten nachprüfen indem Du Dich in Deiner Fakultät umschaust und jemanden suchst, der ernsthaft in Richtung Abschaffung der Schule forscht – oder zumindest eine Literaturliste zusammengetragen hat.
    Liebe Grüße von den Deschoolern
    1000Sunny

  7. Nein, ich bin auch nicht dafür, die Schule abzuschaffen. Ich halte sie für eine wichtige Errungenschaft und notwendig für eine funktionierende Demokratie. Abschaffen und Beibehalten sind für mich die beiden nicht akzeptablen Pole, die mir in meinem Vortrag dazu dienten, die Möglichkeiten der Veränderung von Schule deutlich zu machen. Es kann also auch von einer „Alibi-Funktion“ nicht die Rede sein. Das jedenfalls ist meine Position und der Vortrag sollte dazu dienen, diese zu begründen.
    Gabi