Über Beat bin ich auf ein Werkzeug aufmerksam geworden, das Wikipedia-Nutzern insbesondere in Bildungskontexten (speziell Schule) dabei helfen soll, die Qualität von Wikipedia-Artikeln einzuschätzen: Wikibu. Es werden gewissermaßen Kriterien vorgegeben, an denen man sich bei einer Qualitätseinschätzung entlang hangeln kann (kann man hier genauer nachlesen). Dabei bleibt die Aufmachung gut an typischen Bewertungsmustern, wie man sie auch bei anderen Web 2.0-Anwendungen kennt, was womöglich die Akzeptanz erhöht. Die Entwickler kommen vom Zentrum für Bildungsinformatik der Pädagogischen Hochschule Bern; die Idee stammt von Werner Hartmann.
Ich stimme Beat zu, dass das ein konstruktiver Vorstoß nicht nur für die Schule ist (das könnte man der Uni ebenso einsetzen, finde ich), um den Umgang mit Wikipedia zu verbessern – statt fantasielose Verbote auszusprechen. Ebenso richtig ist aus meiner Sicht Beats Kritik, dass man sich dabei noch auf quantifizierbare Kriterien allein verlässt. Das ist nicht ganz ungefährlich, zumal da es den Glaube an die „Intelligenz der Massen“ bestärkt, an der ich meine erheblichen Zweifel habe. Auch wissen wir gerade im Wissenschaftsbereich, wie hartnäckig sich falsche oder nie belegte Aussagen halten (z.B. die Aufsummierung des Lernerfolgs mit Zunahme der beanspruchten Sinne). Trotzdem ist das Werkzeug ein guter und vor allem praktisch sofort umsetzbarer Anfang. Man könnte ja versuchen, die Kriterien zu ergänzen oder einige zu ersetzen, die mehr qualitative Urteile einfordern – auch wenn die dann natürlich stärker der subjektiven Verzerrung ausgeliefert sind. Hier wäre es dann natürlich nützlich, wenn eine gewisse kritische Masse ihr Urteil abgibt. Solche Kriterien zu finden, dürfte allerdings nicht gerade leicht sein. Da müssten sich mal mehrere zusammensetzen und darüber nachdenken – und die Vorschläge dann im Netz bewerten lassen ;-).
23. Juni 2009 um 11:52
Liebe Gabi, Dein Vorschlag, Wikibu um qualitative Kriterien zu ergänzen, hat den Nachteil, dass die Beurteilung von Wikipediaseiten damit einen Zusatzaufwand erfordern würde. In der jetzt vorliegenden Form werden nur Daten geeignet aufbereitet, die sowieso vorliegen. Nachdem Wikibu fertig entwickelt sein wird, ist keine Handarbeit mehr notwendig, alles geht automatisch.
Die menschliche Qualitätsbeurteilung findet meiner Ansicht ja schon in Wikipedia selbst statt, z.B. auf den Diskussionsseiten. Da wäre es kontraproduktiv, eine Parallelinfrastruktur aufziehen zu wollen.
Wichtig scheint mir, dass man die Punktezahl von Wikibu als Ausgangs- und nicht als Endpunkt einer Qualitätsbeurteilung von Wikipediaseiten betrachtet.
23. Juni 2009 um 11:58
Hallo Beat, ich sehe das anders: Man hat ja als Nutzer eine Meinung, ohne dass man zwingend schon an den Artikeln was ändern muss oder will – z.B. wenn es zwar nicht um Fehler, aber doch um einseitige Darstellungen oder ähnliches geht. Wir hatten dazu in unserer Session auf der IATEL auch eine kurze Diskussion: Insbesondere wenn man mit dem Grundtenor eines Beitrags aus fachlicher Sicht nicht zufrieden ist, bedeudet das meist NICHT, dass man selbst Änderungen macht, weil es zu grundsätzlich ist. Wohl aber könnte man das z.B. in einem qualitativen Urteil kundtun. Von daher denke ich schon, dass man es mal ausprobieren könnte, auch ein, zwei qualitative Urteile einzubauen, ohne in Kollision mit dem Wiki-Prinzip zu kommen.
Gabi
23. Juni 2009 um 17:47
Es freut mich natürlich, dass Wikibu hier auf ein positives Echo stösst. Es gibt auch sehr negative Reaktionen von Personen, die zuwenig genau lesen und glauben, wir würden für uns beanspruchen, Wikipedia-Artikel abschliessend beurteilen zu können. Das wäre etwa gleich absurd, wenn Google behaupten würde, ihr Pagerank-Algorithmus könne die Relevanz von Webseiten abschliessend beurteilen.
Natürlich wäre es wünschenswert, bei Wikibu auch qualitative Kriterien zu berücksichtigen. Das machen wir auch in begrenztem Umfang. So fliessen die Wikipedia-internen Beurteilungen in das Ranking ein. Aber hier ist man dann gleich wieder mit den von Gabi Reinmann angesprochenen subjektiven Verzerrungen konfrontiert.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Performanz eines solchen Online-Tools. Die Resultate müssen schnell geliefert werden. Das hat zur Folge, dass keine aufwändigen Abfragen getätigt werden können. Man muss sich primär auf statistische Daten abstützen können, welche vorgängig bereitgestellt oder in Echtzeit abgerufen werden können.
Ev. von Interesse könnte sein, dass wir Wikibu nun einer Evaluation unterziehen. Expertinnen und Experten zu einem Themenbereich erhalten Wikipedia-Artikel zur Begutachtung und beurteilen diese ebenfalls auf der Skala von 0 bis 10. Schon jetzt zeigt sich, dass die Streuung der Expertenurteile deutlich grösser ist als die Abweichung des Durchschnitts der Expertenurteile vom Wikibu-Ranking. Das wiederum ist auch nicht weiter erstaunlich. Letztlich gilt immer noch Kant: „Hab Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Quelle: Wikipedia, 9 von 10 Wikibu-Punkten. Was aber nicht heisst, dass dieses Zitat wirklich von Kant stammt…
24. Juni 2009 um 15:36
Liebe Gabi,
vielen Dank für den Hinweis auf wikibu!
Ich denke auch (wie Beat), dass ich qualitative Urteile auf Wikipedia selbst äußern sollte – und zwar nicht unbedingt in Form einer Änderung der Seite selbst, sondern auf der Diskussionsseite. Genau dafür sind die nämlich da (auf einseitige Darstellungen aufmerksam machen usw.). Auf wikibu wird direkt auf die Diskussionsseite aufmerksam gemacht (und zwar besser als auf Wikipedia direkt). Aus meiner Sicht genügt das. Evtl. sollte man aber auch die Entwicklung auf der Diskussionsseite mit in die quantitativen Kriterien von wikibu übernehmen („zu diesem Artikel wurde in letzter Zeit viel diskutiert“) o.ä.
Viele Grüße,
Christian
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24. Juni 2009 um 20:47
Die Entwicklungen auf der Diskussionsseite fliessen in die quantitativen Kriterien von Wikibu ein. Wird einen Artikel aktuell stark diskutiert, wird auch ein entsprechender Hinweis angezeigt. Zurzeit ist das zum Beispiel der Fall beim Artikel über Mahmud Ahmadinedschad.
24. Juni 2009 um 21:18
Ja, ich hab’s vorhin auch entdeckt, als ich mir die Beschreibungen auf der Seite näher angeschaut habe. Genau das habe ich gemeint. Super!
25. Juni 2009 um 03:35
Da diskutieren jetzt die Experten, die ihr das sicher besser einschätzen könnt. Ich argumentiere da wohl eher seitens des Nutzers (z.B. Lehrende). Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Bedarf recht unterschieldich ausfällt, je nachdem, ob man aktive Wikipedia-Nutzer fragt (die auch selbst an der Contenterstellung partizipieren) und rezeptive Nutzer. Jetzt könnte man sagen, dass letztere halt aktiv im oben gemeinte Sinne werden müssten …. aber das dürfte schwer umsetzbar sein; ich selbst habe bislang ehrlich gesagt auch nur ein paar Fehler ausgebessert, aber keine größeren Änderungen gemacht oder auf Diskussionsseiten eingefordert. Was ich sagen will: Vielleicht kommen hier verschiedene Einschätzungen der bestehenden und möglichen Kriterien durch verschiedene Nutzersichten zustande.
Gabi
25. Juni 2009 um 11:53
Gabi Reinmann spricht einen wichtigen Punkt an: Bei der Wikipedia gibt es ganz viele Nutzende und im Verhältnis dazu nur sehr wenige, die zum Inhalt selbst beitragen. Auch ich ergänze nur ganz selten einen Wikipedia-Artikel, nicht weil ich nicht interessiert wäre, sondern schlicht weil Zeit heute ein sehr kostbares Gut ist.
Wikibu richtet sich an die vielen Nutzenden und soll diese für einen kritischen Umgang mit der Wikipedia sensibilisieren. Christian Spannagel bringt das in seinem Blog sehr schön auf den Punkt: Man kann im Unterricht beispielsweise Wikibu zum Anlass nehmen für eine Diskussion, inwieweit man Qualität automatisch messen kann.
Dass Wikibu unmittelbar einen Beitrag leistet zur Verbesserung der Qualität in der Wikipedia, halte ich aber auch eher für unwahrscheinlich. Und auch in den Schulen dürften sich nur wenige Lehrerinnen und Lehrer Zeit nehmen für das Thema kompetente Nutzung der Wikipedia. In welchen Schulen gibt es heute schon eine systematische Einführung in die Internetrecherche, welche über ein paar Trivialitäten hinausgeht? Informations- und Medienkompetenz fristet an den meisten Schulen noch ein Schattendasein.
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