Viele Studien (JIM-Studie, HIS-Studie zum Studierendenverhalten) kommen zu dem Schluss, dass selbst die netzaffinen Bevölkerungsgruppen (jung, hoher Bildungsgrad) keine überwältigenden „Produzenten“ in der Netzwelt sind, also z.B. Blogs schreiben, sich an Wikis beteiligen, Bookmarks öffentlich machen etc. Eine jetzt bei eleed veröffentlichte Studie mit Nachwuchswissenschaftlern (online hier abrufbar) kommt zu dem Schluss, dass es mit der aktiv-konstruktiven Nutzung des Web 2.0 auch im Wissenschaftsbetrieb nicht so weit her ist: „In unserer Studie konnten wir zeigen, dass auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Web 2.0 zurzeit noch hauptsächlich als Recherche-Tool und damit eher passiv nutzen“, heißt es im Fazit nach Darstellung der Befragungsergebnisse von immerhin 2361 Doktoranden. Auffällige Unterschied zwischen Fach und Geschlecht gibt es bei den Ergebnissen nicht, die durchaus Parallelen zu anderen Online-Studien mit anderen Bevölkerungsgruppen aufweisen, wenngleich auf einem höheren Nutzungsniveau. Interessant, aber nicht erstaunlich: Nur 3 % der Befragten geben an, in einem eigenen Blog über wissenschaftliche Themen zu schreiben.
Eine Generalisierbarkeit der Resultate auf „die“ Wissenschaft erscheint mir allerdings nicht gerechtfertigt: Immerhin konzentriert sich die Studie auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Professoren wurden nicht befragt; na ja, viele hätten wohl gar nicht geantwortet. Selbstreflexion auf dieser Ebene ist – das fürchte ich – nicht so gefragt: Vor zehn Jahren gab es an der LMU München mal den Versuch, eine interdisziplinäre Forschergruppe zum Wissensmanagement aufzubauen, was aber leider nicht geklappt hat: Immerhin aber waren wir schon so weit, dass jeder Fachbereich eine Projektidee entwickelt hatte. Für unseren Fachbereich hatte ich mich für die Idee stark gemacht, das Wissensmanagement in dieser Forschergruppe zu untersuchen. Das war allerdings nicht durchzusetzen: Zu groß war wohl die Sorge, wie diese Ergebnisse am Ende aussehen würden.
25. Juli 2009 um 09:07
Liebe Gabi,
natürlich provozieren solche Untersuchungen Fragen nach möglichen Ursachen. M.E. wäre jedoch ein Ansatzpunkt neben einem realistischen Blick auf das verfügbare Zeitbudget eventuell im zugeschriebenen Value zu suchen. Dabei stehe ich immer wieder vor der Schwierigkeit den subjektiv vorhandenen Mehrwert zu artikulieren – nur ein Blog inhaltlich zu führen ist die eine Seite – es als Teil einer Community zu verstehen die nächste. Und alles auch noch „anfechtbar öffentlich“ zu tun die dritte. Genau an der Stelle war mir folgendes aufgefallen, nämlich, dass viele der beobachtbaren Dinge erst nach einer „gewissen Zeit“ eintreten.
Und irgendwie überzeugen mich Ansätze, die jemandem zum Bloggen überreden nicht wirklich. Anders würde ich es einschätzen, wenn in institutionell aber offenen Angeboten ein Blog geführt wird und jemand darauf hin sein eigenes startet. Doch solches strategisches Ansinnen bedarf einfach einer dementsprechenden Kultur. Und eventuell ist dieser Weg in dieser Dauer ein sehr viel längerer.
Bis denne
Andreas
25. Juli 2009 um 10:24
Hallo Andreas,
nein, also ein „Blogzwang“ wäre auch die falsche Schlussfolgerung aus meinen Gedanken zur Studie. Einige Abschklussarbeiten bei uns am Institut haben ja gezeigt, dass die persönliche Autonomie entscheidend dafür ist, dass Blogs einen persönlichen Nutzen stiften. Eher habe ich ganz typische Aspekte/Kriterien der Wissenschaft im Blick, bei denen die „Web 2.0-Philosophie“ noch sehr weit weg ist, obschon es gute Anknüpfungspunkte gäbe: Transparenz und Nachprüfbarkeit z.B.; oder (Selbst-)Reflexion und gegenseitige Kritik“. Das muss nicht zwangsläufig auf Blogs hinauslaufen. Überhaupt tue ich mir schwer, hier genau zu sagen, was wir dank neuer Web-Anwendungen konkret anders machen könnten. Immerhin aber wäre es für Wissenschaftler sinnvoll, hier experimentierfreudig, zumindest aber offen zu sein, wenn es um genuin die Wissenschaft betreffende Prozesse geht. Das wars eigentlich vor allem, was ich zum Ausdruck bringen wollte 🙂
Gabi