Ehrliche Worte über die Tätigkeit eines Professors und die seit Jahren sich einschleichenden Veränderungen kann man von Peter Baumgartner an diesem Wochenende in seinem Blog lesen (nämlich hier). Manch einer mag geneigt sein, Peters Eintrag als vorwinterliche Depression und unnötige Klage („habt ihr es als Profs nicht schön genug?“) abzutun, aber das wäre wohl mehr als voreilig. Natürlich gibt es in jedem Beruf Höhen und Tiefen, Erfolg und Frustration und angesichts der Tatsache, dass viele Dinge in unserer Gesellschaft von Umwälzungen erfasst sind, ändern sich auch Berufsbilder. So dann also auch das des Hochschullehrers und Wissenschaftlers. Was – so könnte man fragen – sollte daran so schlimm sein? „Immer mehr werden wir Professoren zu artfremden Tätigkeiten verpflichtet“ – so Peters Einstiegsargument. Und weiter: „Wir haben immer weniger Zeit für inhaltliche Arbeit und müssen im Rahmen der viel gerühmten Autonomie der Universitäten immer mehr Verwaltungs- bzw. Leitungstätigkeiten übernehmen.“ Die Folge davon: „Verarmung von Forschungstätigkeiten“. Ich kann das nur mehrfach unterstreichen: Es ist mitunter ein Rattenrennen, das man da veranstaltet, und nicht nur ein Beitrag in meinem Blog beschäftigt sich mit dem alltäglichen Wahnsinn: angefangen bei der Verwaltung (Bsp.) über eigenes Projekt- und Forschungsmanagement (Bsp.) bis zur Forschungsförderung (Bsp.) – und das Ganze eingebettet in politisch als Heil daherkommende Reformen von Wissenschaft, Lehre und Forschung. Nur: Das ist – da stimme ich Peter zu – sicher keine „normale“ Veränderungen, die man halt hinnehmen sollte und die vielleicht ein bisschen unangenehm für die Betroffenen sind. Da ist ein Umbau unserer Forschungs- und Bildungslandschaft im Gange und das, was Peter beschreibt, sind die Symptome, die man dann eben als Professor ganz stark spürt. Nun mag es Professoren geben, die in diesem Punkt in ihrem Elemenet sind, die sich eben sowieso hin zu einem Forschungsmanager entwickeln wollen. Vielleicht brauchen wir solche auch – aber soll das der Endpunkt jeden Professors sein? Laufen wir da nicht Gefahr nur noch „Nachwuchsforschung“ mit Qualifizierungscharakter zu produzieren? Oder ist es gewollt, das man uns am Nachdenken hindert (weil vielleicht was dabei herauskäme, was kritisch – zu kritisch – ist?). Von daher kann man nur warnen, Darstellungen wie die von Peter als „persönliches Klagelied“ zu individualisieren.
Frank hat ein tolles T-Shirt, auf dem steht: „Jammern hilft nicht“. Das stimmt und umso interessanter sind Peters Reflexionen darüber zu lesen, was man denn tun kann, um zu den genuinen Aufgaben eines Professors (der sich immerhin der Forschung und Lehre verpflichtet hat) zurückzukehren: Rückzug aus den Gremien? Lockerung der zeitintensiven Netzwerke? Reflexion der eigenen Rolle im „Establishment“? Verzicht auf die Quick Wins und stattdessen Freude an einem neuen Buch (Achtung Peter: Bücher zählen nicht mehr – denk an den Impact!)? Das mag alles noch gehen – aber wenn man dann z.B. das Engagement einstellt, den „Jackpot“ bei der nächsten Förderrunde zu gewinnen, und den Nachwuchsleuten sagen muss „Sorry, kein Geld da“, geht’s plötzlich nicht mehr nur um den eigenen Seelenfrieden … das ist schwer. Ja, da mangelt es also noch an Strategien. Wahrscheinlich sind wir als Professoren schon so an die Autonomie gewohnt, dass wir stets meinen, jedes Problem allein lösen zu müssen … könnte auch ein Teil des Problems sein.
Peter zitiert am Ende Wittgenstein: „Ich glaube, einen Philosophen, einen der selbst denken kann, könnte es interessieren, meine Noten zu lesen. Denn wenn ich auch selten ins Schwarze getroffen habe, so würde er doch erkennen, nach welchen Zielen ich unablässig geschossen habe.“ Hmm – also ich weiß nicht, ob wir uns damit zufrieden geben sollten, uns wenigstens bemüht zu haben. Ganz so pessimistisch bin ich NOCH nicht …
22. Oktober 2009 um 22:28
Der Blick nach außen auf gesellschaftliche Entwicklungen, die sich (auch) in den Universitäten schnell im Jammerdiskurs spiegeln, könnte bei der Nordung der alltäglichen Erfahrungen hilfreich sein; z.B. dieser aktuelle graue Text: Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen. Arbeit und Leben in Organisationen 2008 (http://www.upress.uni-kassel.de/publik/Positionen%20Heft%201_2009.pdf ). Antworten und Lösungen sind damit noch nicht gefunden – zugegeben, aber vielleicht eines der Fadenenden, die beim geduldigen Aufwickeln …
Und zu der Frage „Oder ist es gewollt, das man uns am Nachdenken hindert“: ein Vorschlag für eine immer noch erhellende (satirische) Nachtlektüre: Jonathan Swifts Tonnenmärchen.
Es treibt mich noch immer um, auch nach ermüdenden Jahrzehnten in beruflichen Alltagsmühlen (nicht in der Universität) – und dieser Blog gehört zu den nächtlichen Anregungen, die mich weitermachen lassen. Danke!
23. Oktober 2009 um 04:26
Vielen Dank für den Link. Ich habe mir den Text gleich mal ausgedruckt :-). Dass generelle gesellschaftliche Entwicklungen nicht nur die Organisation Universität, sondern (wahrscheinlich sogar rascher und schon viel früher) viele andere, vor allem kommerziell tätige, Organisationen beeinflussen, ist wohl ein richtiger Hinweis. Für alle, die (wie ich) Jonathan Swift nicht kennen oder wieder vergessen haben (SChullektüre?) hier ein Erinnerungslink: http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_Swift
Gabi
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