Viele Dinge glaube ich immer erst, wenn sie auch wirklich eingetreten sind. Ernennungen gehören auch dazu. Jetzt habe ich sie in der Hand: exakt zum 01.04.2010 und keinen Tag früher – nämlich die Ernennungsurkunde. Wer denkt, es sei ein Leichtes, aus einem Beamtenverhältnis in ein neues zu treten, der irrt – offenbar liegen vor allem zwischen Bund und Ländern auch in dieser Hinsicht Gräben, die es zu überschreiten gilt. Phasenweise hätte ich am liebsten über den Graben geschrien, dass ich auf den ganzen Zirkus jetzt doch lieber verzichte. Aber nun ist es geschafft (ich habe nicht geschrien): Ich bin ab heute offiziell an der Universität der Bundeswehr München tätig und habe dort eine W3-Professur für Lehren und Lernen mit Medien an der Fakultät für Pädagogik. Vor wenigen Wochen habe ich bereits unseren Studierenden in Augsburg eine entsprechende Nachricht zukommen lassen (hier) – und ein Geheimnis ist ja längst nicht mehr, aber offiziell eben tatsächlich erst jetzt.
Ich weiß, dass nicht alle in meinem näheren und weiteren Umfeld meine Entscheidung nachvollziehen können: Ich habe einen Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg auf eine Professur für Lerninnovation (zugegebenermaßen die kürzeste und beste Bezeichnung) sowie einen Ruf an die Universität Hamburg auf eine Professur für „Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Hochschuldidaktik unter besonderer Berücksichtigung der Hochschulentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung“ (begrifflich so ungefähr das Gegenbeispiel zu Lerninnovation) und ein Bleibeangebot in Augsburg abgelehnt, um den Münchner Ruf anzunehmen. Es gibt zwei Universitäten der Bundeswehr in Deutschland: eine in Hamburg und eine München. Für deren Gründung hat sich Helmut Schmidt eingesetzt, weshalb die in Hamburg geschickter Weise „Helmut-Schmidt-Universität“ heißt. Das ist ein Jammer, dass man sich da für München nicht was ähnlich Attraktives in der Namensgebung hat einfallen lassen. Langjährige Professoren an der UniBw München (so die Abkürzung) haben mir leider versichert, dass der Rechtfertigungsdruck, auf SO EINER Uni zu sein, nicht aufhört – was aber hauptsächlich nur für die gelte, die nicht mit einem zusammenarbeiten und das Innenleben sowie die Forschungs- und Lehrbedingungen dort kennenlernen. Nun, ich lasse mich überraschen. Zuständig bin ich in München mit neun anderen Professoren/innen für den Studiengang „Bildungswissenschaft, insbesondere interkulturelle, Medien- und Erwachsenbildung“. Konzentrieren kann ich mich da auf das Lehren und Lernen mit Medien.
Neben den vielen rationalen Gründen, die man bei so einer Entscheidung monatelang hin- und her wälzt, sind es letztlich auch „Bauchgründe“, von denen man nur ahnt, dass es sie gibt, ohne sie richtig in Worte fassen oder gar anderen wirklich verständlich machen zu können. Wenn ich jetzt sage, ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, dann ist das einerseits falsch, weil ich mich selbstverständlich sehr intensiv mit jeder zur Debatte gestandenen Universität, der jeweiligen Professur und der Stadt beschäftigt habe. Es ist aber andererseits auch richtig, denn was man dann, wenn man vor Ort ist, mit Kollegen, Studierenden, Unileitung und Umfeld tatsächlich erlebt, welche Gestaltungsfreiheiten man hat, was man bewirken kann etc., lässt sich letztlich kaum verlässlich vorhersehen. Wie ich mich auch entschieden hätte, es wäre immer ein Restzweifel geblieben, ob es die richtige Entscheidung war.
Was Räume betrifft, ziehe ich immer einen besonderen Joker – vielleicht nehmen mich die Leute schon „semivirtuell“ wahr und verdrängen die Raumfrage (auch gut): In Augsburg waren wir immer 3 plus x in EINEM Raum. Was erst völlig unakzeptabel erschien, hat sich zu einem Lebens- und Arbeitskonzept entwickelt – über acht Jahre lang – acht Jahre, die ich auf keinen Fall missen möchte. Nun gut, während die einen zu Ostern Eier suchen, suchen die anderen eben Räume 😉 – aber das wird schon und wurde mir auch heute nochmal versichert. Ich glaub mal dran.
Gestern war mein letzter Tag in Augsburg. Ich habe noch einige Prüfungen gemacht und den Schlüssel abgegeben. Es ist dann doch ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man allenfalls noch einmal zu Besuch kommen wird. Wichtige Wegmarken schwirrten mir gestern mehrfach durch den Kopf: Eine für mich damals (2001/02) unglaublich große Fachschaft, mit der ich mich anfangs jede Woche getroffen habe, weil die Probleme so groß waren. Es galt, einen völlig überfüllten Magisterhauptfach-Studiengang allein ohne festen Mitarbeiter irgendwie abzuwickeln. Erst allmählich lichtete sich die Dichte der Lehraufgaben und ich konnte mit engagierten und netten studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern langsam ein ausgesprochen arbeitsfähiges und kreatives Team aufbauen. Die Doktorandengruppe wuchs und die Kolloquien haben immer auch ein paar Gäste zu uns gelockt. Das hat immer Spaß gemacht – auch am Freitag Nachmittag! Der Bachelor und Master „Medien und Kommunikation“ hat allerdings auch viele Ressourcen gefressen, aber es entstand im Gegenzug ein anerkannter Studiengang. Bis zum Schluss allerdings habe ich mit dem Problem gekämpft, dass die meisten an sich am liebsten ausschließlich Kommunikationswissenschaft studieren würden. Dann 2007 die Gründung des Instituts für Medien und Bildungstechnologie – das war ein Kraftakt, weil nicht gerade jeder in der Fakultät/Universität von dieser Idee begeistert war. Dass das imb im September 2009 den Publikumspreis beim MedidaPrix gewonnen hat, war aus meiner „scheidenden Perspektive“ natürlich ein toller Abschluss. Da fragt man sich: Ist das ein guter oder ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um zu gehen? Aber die Frage ist müßig, denn nun BIN ich weg. Das „Heimweh“ werden Silvia, Alex, Tamara und eine kurze Zeit auch Marianne ebenso lindern helfen wie der größte Teil meiner Doktoranden, die den Sprung über den Graben ebenfalls wagen (und Frank natürlich auch!).
Ciao, Augsburg!
1. April 2010 um 19:01
Hallo Gabi,
an sich fehlen mir in solchen Momenten immer die Worte, denn nach wie vor finde ich Deinen Weggang sehr schade und Du wirst uns am imb sehr fehlen – auch wenn Du für mich jetzt nicht total „weg“ bist 😉
Alles in allem kann ich Deine Beweggründe aber sehr gut nachvollziehen – es war und ist nicht immer einfach in Augsburg. Insofern bin ich auf Deine Erfahrungen an der neuen Uni gespannt und wünsche Dir (wie allen anderen auch) einen guten Start in München… und hoffe auf viele Berichte, die für uns (Halb-)Außenstehende Licht ins UniBW-Dunkle bringen werden 🙂
Liebe Grüße,
Sandra
1. April 2010 um 20:35
Hallo Gabi,
na dann alle guten Wünsche, dass die Bauchentscheidung die richtige war und sich deine Erwartungen erfüllen. Uns Außenstehenden wünsche ich natürlich, dass du uns als eifrige und offene Bloggerin erhalten bleibst!
Gruß und auch gleich frohe Ostern,
Joachim
2. April 2010 um 08:43
Liebe Gabi,
mir fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich bedanke ich mich dafür, dass ich bei dir in den forderndsten und lehrreichsten Veranstaltungen meiner Studienzeit teilnehmen durfte, und für deinen überwältigenden Einsatz für uns Studierende. Ich wünsche dir für deinen weiteren Weg alles Gute! Ich bin gespannt über weitere Berichte von dir hier im e-Denkarium.
Viele Grüße,
Jan
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3. April 2010 um 08:54
Herzlichen Glückwünsch! Ich weiss, viele verstehen es nicht, aber die Universitäten des Bundes setzen sehr viel auf Didaktik (und die Leute da dürfen viel Spielzeug kaufen). Mich persönlich würde die ganzen uniformierten Studenten stören, aber das ist immer eine persönliche Entscheidung.
Viel Erfolg (besonders bei der Wohnungssuche!) in München!
3. April 2010 um 09:48
Da läuft im Studiengang niemand mit Uniform herum! Die Studierenden unterscheiden sich äußerlich nicht von anderen Studierenden. Sie werden wissenschaftlich für zivile Berufe ausgebildet – das ist der Zweck des Studiums.
Ich wohne Gott sei Dank ohnehin schon immer südlich von München 🙂
Gabi
3. April 2010 um 11:23
Ich wünsche ebenfalls alles Gute und viel Erfolg für den neuen Schritt in einen neuen Raum. Letztlich sind – wie im Beitrag ganz richtig angedeutet – doch immer das, was man aus ihnen macht. Und sicher kann man so einigen Dingen auch einen eigenen Anstrich geben – solange Stube und Spinnt ordentlich bleiben ;-).
Toi, toi, toi…
3. April 2010 um 11:39
Herzlichen Glückwunsch! Und alles Gute für den Start:
Michael Kerres
3. April 2010 um 12:51
Hallo zusammen,
danke für die guten Wünsche – kann man immer brauchen!
@Réné: Ich bin am Überlegen, ob man die naheliegenden Sprüche, die einem bei einer Bezeichnung wie „Universität der Bundeswehr“ nun mal so kommen, am besten offensiv in einer eigenen Rubrik sammelt …. Wie wärs z.B. mit „Lernen auf Befehl“? 😉
Ich hoffe aber, das gibt sich einfach und unser Team und unsere Arbeit erweisen sich für die Außenwahrnehmung als stärker als die Institution 🙂 (ist ja in Augsburg auch gelungen – jetzt ist es halt noch eine Stufe schwerer)
@Joachim: Selbstverständlich blogge ich weiter und sage hier weiter meine Meinung.
Gabi
4. April 2010 um 12:01
Herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche dir weiterhin so viel Engagement wie bisher und ebenso engagierte Studierende. Ich denke, dass es weniger von der Universität abhängig ist, was man machen kann, sondern von dem, was man selbst daraus macht an der Universität, die man gewählt hat.
Alles Gute, Stefan
4. April 2010 um 16:31
Liebe Frau Reinmann,
wir möchten uns auch an dieser Stelle für die sehr gute Zusammenarbeit über die letzen (sage und schreibe!) achteinhalb Jahre von ganzem Herzen bedanken.
Ohne Sie – und das ist keine Überteibung – wäre MuK niemals zu dem Studiengang geworden, der er heute ist.
Wir wünschen Ihnen im Namen aller Kommilitoninnen und Kommilitonen eine mindestens ebenso wunderbare Zeit in München mit begeisterten und engagierten Kollegen und Studierenden, wie Sie sie hier in Augsburg hatten.
Bleibt zu hoffen, dass wir Sie auch in Zukunft das eine oder andere Mal im imb wiedersehen dürfen.
Alles Gute, Ihre Fachschaft MuK
5. April 2010 um 20:26
Liebe Gabi
Auch ich wünsche Dir alles alles Gute, zumal du dir die Entscheidung wirklich nicht einfach gemacht hast. Aber um es mit Hesse zu sagen: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne … ich wünsche Dir ganz viel von diesem Zauber und bin gespannt, wie es dann in München weitergeht.
Liebe Grüsse und bis demnächst in München 😉
Mandy
6. April 2010 um 09:57
Liebe Gabi,
auch von Deiner ersten (Augsburger) Doktorandin alles Gute und viel Energie für den Neuanfang! Und auch wenns schon lange her ist, denk ich gerne an das „kleine“ Zimmer in Augsburg und das Kolloquium zurück und an die tolle Betreuung und die vielen Tipps von Dir.
Ab und an schaue ich mal in Deinen Blog und auch Christine hält mich auf dem Laufenden, was bei Dir so los ist… Bin gerade an der Bearbeitung der 2. Auflage des Storytelling-Buches für den Springer-Verlag und kann jetzt noch die Änderung bei Dir einbauen.
Liebe Grüße auch an Frank und bis bald mal in München (würde mich freuen),
Karin
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