Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Wenn E-Mails nerven – eine Diskussion

Eine kleine Online-Diskussion kann man anlässlich meiner Ankündigung, E-Mails zu löschen, wenn ich sieben Tage oder länger offline bin, auf unserem Portal für persönliches Wissensmanagement (und zwar hier) nachverfolgen. In den Kommentaren zeigen sich unterschiedliche Meinungen dazu, wie man am besten verfährt, wenn einem der E-Mail-Verkehr bzw. die Mailbox vor allem bei längerer Abwesenheit über den Kopf wächst. Dabei greifen alle Kommentatoren einen Aspekt besonders auf: nämlich den Respekt vor dem E-Mail-Schreiber.

Ich bin dankbar für diese Diskussion, zeigt sich doch vor allem eins: Natürlich gibt es keinen Königsweg im Umgang mit E-Mails. Ich meine, es gilt da, eine ganze Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, die Einfluss darauf haben, welche Strategie im Einzelfall die beste ist: (a) die Anzahl der Mails, (b) die Art der üblicherweise eingehenden Mails; (c) die eigene Position, von der aus man E-Mails versendet; (d) der persönliche Arbeitsstil – und sicher noch eine ganze Menge mehr. Nun kann ich mir an der Stelle nicht über die zig Varianten Gedanken machen, die sich ergeben, wenn man bei jedem dieser Faktoren wenigstens zwei mögliche Ausprägungen annimmt …. sondern kann nur für mich sprechen:

Für mich hat dieser erste Versuch ganz gut funktioniert: also ein Löschen der eingegangen Mails anzukündigen mit der Bitte, diese nochmal zu senden, falls sich das Problem/die Frage noch nicht erledigt hat, bis ich wieder online bin. Im Vorfeld habe ich natürlich alle meine Mitarbeiter, Doktoranden und akut wichtigen Projekt-Partner vorab informiert und gebeten: „no input in den kommenden Tagen“ einschließlich der Vorwarnung, wie mein automatisches Reply aussehen wird. Das hat schon mal seine Wirkung gehabt – und mindert die mögliche Respektlosigkeit. Für Studierende, die Fragen an mich haben, ist mein Verfahren sicher auch ausreichend respektvoll, denn: Wenn ein klassisches „reply“ kommt, dass ich sieben Tage nicht antworten kann, dann versuchen die meisten ohnehin, ihr Problem erst mal anderweitig zu lösen – und das ist gut so. Leider bekomme ich in der Regel keine Benachrichtigung im Sinne von „hat sich erledigt“, sodass viel unnötige Arbeit bei der Aufarbeitung von an sich erledigten Mails anfällt. Und da diese Mails bei mir einen großen Teil ausmachen, hat das wirklich gut funktioniert! Unsere Studierenden wissen, dass sie von mir sehr rasch Antworten erhalten; das gebührt in der Tat der gegenseitige Respekt. Und ich finde es genau nicht so wie beim Brief (wie von Christian im Kommentar angemerkt), dass es egal ist, wann man antwortet. Mir jedenfalls geht es so, dass ich gar nicht mehr weiß, um was es ging, wenn Antworten auf Mails mehr als drei tage zurückliegen – und das nervt mich dann auch, weil es mich Zeit kostet zu rekonstruieren, worum es genau ging und wie ich in der jeweiligen Sache nun bereits verfahren bin. Ich denke also, die E-Mail-Schreiber werden es überleben, wenn Sie ein- bis zweimal im Jahr (öfter bin ich an sich nie als sieben Tage oder länger offline) eine solche Ankündigung von mir erhalten – wohl wissend, dass sie sich zu jeder anderen Zeit darauf verlassen können, dass ich antworte – und zwar gezielt und schnell. Und dass ich, wo immer ich auch bin, stets auf der Suche bin nach W-LAN, Internetcafés oder anderen Möglichkeiten, online zu gehen, das würde ich dann doch als Einschränkung meiner Autonomie empfinden, die mir wichtig ist – und die mich auch motiviert, all diesen Wahnsinn, den man sich bisweilen aufhalst, mit noch ausreichender Gelassenheit zu begegnen.

Fazit: Ich denke, beim Umgang mit E-Mails muss jeder seine Strategie finden. Rezepte oder auch Vorverurteilungen nach dem Motto „also DAS kann aber nicht machen“ halte ich nicht für sinnvoll. Insofern sollte man meinen Blogeintrag im Portal für persönliches Wissensmanagement bitte auch nicht als unbedingt nachahmungswürdiges Rezept, sondern allenfalls als EINE Möglichkeit sehen, über die man ja mal nachdenken kann und die unter ganz bestimmten Bedingungen auch funktionieren.

5 Kommentare

  1. Nun ich würde gleich eine pragmatischere Lösung vorschlagen -> den Mailaccount einfach überfüllen, dann werden sowieso keine Mails mehr angenommen („mailquota überschritten“) 🙂 …

  2. Liebe Gabi,
    ich finde Dein Vorgehen überhaupt nicht tragisch, ganz im Gegenteil: Jeder von uns wusste frühzeitig darüber Bescheid, dass Du abwesend sein wirst und konnte – so wie ich bei Bedarf – die eine oder andere Frage vorab klären. Mit entsprechender Vorwarnung kannst Du das also ruhig öfters machen 🙂
    Viele Grüße,
    Sandra

  3. Liebe Gabi,
    Prima – freut mich, dass es funktioniert hat und Du damit eine gute Lösung für Deine Mailbox gefunden hast!
    Ich möchte nur schnell zwei Dinge richtige stellen, da ich ja auch in diesem Post genannt wurde:
    1. Ich habe nicht von Respekt gesprochen – das ist missverstanden worden – mir ging es rein um die Funktion eines Briefkastens – nämlich erreichbar zu sein, wenn man eigentlich nicht erreichbar ist – und dass ein löschen (wegschmeissen) der Mail diese Funktion stören würde. Dabei war mein Argument aus Empfängersicht ebenso wie aus Sendersicht gedacht. Es geht mir hier nicht um Respekt noch um die Wertung einer Handlung. Ich finde es eben praktisch eine Mail senden zu können, wenn ich jemandem etwas mitteilen muss – und ich gehe davon aus, dass da auch mal Mails aus ferneren Kreisen kommen könnten – also Menschen, die mir aus irgendeinem Grund etwas mitteilen möchten – und die vielleicht 7 Tage später keine Mail mehr schreiben würden. Sicher ist dieses Risiko kalkulierbar – aber aus meiner Sicht stört dass dann eben die Funktion der Mailbox. Ob das nun Respektlos ist oder nicht – das ist eine ganz andere Frage – die man auch aus Empfängerperspektive diskutieren kann – denn schliesslich hat der Empfänger ja nicht darum gefragt, eine Mitteilung geschickt zu bekomme. Je nach Kontext ist es durchaus gutes Recht Mails einfach zu löschen oder nicht zu beantworten (Wobei es da natürlich eventuelle rechtliche Implikationen im professionellen Kontext zu beachten gilt – ich bin kein Anwalt – und spreche hier mal zunächst von rein privater Mail). Soviel also zum dem Thema Respekt an dieser Stelle. In der Tat habe ich aber Respekt vor Menschen, die mir schreiben und weis die Nachrichten zu schätzen – das sei nur angefügt, damit meine letzten Worte nicht missverstanden werden. Das leitet auch zur Richtigstellung Nummer 2 weiter:
    2. Ich habe nicht geschrieben, dass es egal sei, WANN eine Mail beantwortet wird. Ich habe lediglich geschrieben, dass dies nicht am gleichen Tag sein muss – um deutlich zu machen, dass es sich hier um eine asynchrone Form der Kommunikation handelt. Ich antworte auf Mails in meinem professionellen Kontext in der Regel sofort – da es ein wichtiges Kommunikationsmittel in meiner täglichen Arbeit ist. Es kann natürlich immer sein, dass das mal nicht klappt wenn aktuelle Arbeitsprozesse oder Abwesenheit dies unmöglich machen – aber das ist die Ausnahme – nicht die Regel.
    Soweit nur zwei kleine Korrekturen zu der Interpretation meiner Aussagen ;-).
    Viele Grüße
    Christian

  4. Nachtrag: Ich habe hier noch etwas ausführlicher über das Thema Respekt geschrieben: http://www.persoenliches-wissensmanagement.com/content/wenn-e-mails-nerven#comment-33
    In der Tat handelt es sich um eine Frage der Kultur und um eine Frage der genauen Kommunikationsflüsse, die es betrifft – was ich wiederrum spannend finde.
    Keinesfalls respektlos finde ich Dein Vorgehen.

  5. Ein ganz offensichtlich bewegendes Thema 🙂
    Danke für die Kommentare!
    Gabi