Viele netzaffine ZEIT-Leser werden in den letzten drei Wochen die drei Ws in Form der Beilage „ZEIT Internet spezial“ gesammelt haben. Ich habe nicht genau nachgeschaut, ob alle Artikel auch online sind; der Artikel, zu dem auch Herr Spitzer wieder Beiträge geliefert hat (in Form eines offenbar im Hintergrund gehaltenen Interviews) aber schon: Unter dem Titel „Verzettelt im Netz“ (online hier) wird diskutiert, wie die Online-Welt unsere Sprache und unser Denken verändert. Eine durchaus sinnvolle Frage, denn natürlich ändern sich Menschen (sowie ihr Denken, Sprechen, wohl auch Handeln) auch mit technischen Entwicklungen. Leider aber schwingt sofort die kulturpessimistische Frage mit, ob am Ende nicht mehr wir den Computer beherrschen, sondern er uns (eine alte Angst, welche die Hüter z.B. von Kirche und Moral ja bekanntlich schon bei Büchern hatten).
Heute fragt man bei solchen Herausforderungen keineswegs mehr Soziologen, die die Gesellschaft beobachten, schon gar keine Pädagogen, wenn sie nicht dem PISA-Konsortium angehören, und Psychologen nur, wenn sie sich zur biologischen Psychologie bekennen. Nein, man fragt vor allem die Neurowissenschaftler, weil die auf harte Daten zurückgreifen und uns endlich erklären können, warum der Mensch ist, wie er ist und was man dagegen tun kann, dass ihn die Technik nicht auffrisst. Also zunächst mal sollte man laut Spitzer keinesfalls auf Medienpädagiogen hören, denn – wie man da lesen kann: „Diese sogenannten Medienpädagogen reden fast alle Stuss, weil sie von Softwarekonzernen finanziert werden.“ Oh Treffer – auch wir haben seit vier Jahren ein Projekt mit Intel laufen. Gut, das ist zwar kein Software-Hersteller, aber Chips braucht man ja auch für die Teufelsdinger. Alle Medienpädagogen sind also gekauft? Immerhin heißt es „fast alle“ … na dann.
Anbei, wen es interessiert, ein Kurzkommentar, um den mich vor einigen Wochen der Südkurier (gut, die Zeitung kannte ich vorher auch nicht, weil ich in Oberbayern südlich von München wohne) gebeten hatte: Anlass war mal wieder Spitzers legendäre Ausspruch, dass Computer dumm machen (hier der Text: machen-computer-dumm). Als Gegenseite sollte Herr Spittzer einen Kommentar liefern. Hat dann aber wohl (erheblich gemäßigter) eine Mitarbeiterin gemacht – das Blatt war wohl doch zu popelig.
22. Mai 2008 um 16:29
Danke! Da ich „alter“ Techniker bin, hatte ich keinen Mut dazu etwas zu schreiben ;=)).
22. Mai 2008 um 16:54
Hallo Herr Sievert,
einen interessanten Blog (http://hosi-kurse.blogspot.com/) haben Sie da – danke für den Kommentar, der mich auf Ihren Blog gelotst hat. Alex Florian, einer meiner Mitarbeiter, hat gute Erfahrungen mit der Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Senioren (ja, auch so was gibst an der Uni Ulm ;-)): Kann man hier nachlesen: http://medienpaedagogik.phil.uni-augsburg.de/randnotizen/?p=257
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23. Mai 2008 um 14:02
Liebe Gabi,
eigentlich hast du recht; man sollte Herrn Spitzer nicht unwidersprochen zu diesem Thema quasseln lassen! In deinem Südkurier-Beitrag hast du es so treffend formuliert: „einfache Antworten auf schwierige Fragen (werden) gerne für wahr gehalten“. Eines meiner Lieblingszitate (wenn ich recht erinnere von Dietrich Dörner) lautet „Komplexe Probleme sind wie Matrazen, man drückt an einer Stelle und es wackelt überall“. Traurig, dass ein renommierter Wissenschaftler wie Spitzer, der eigentlich mit komplexen Problemen angemessen umzugehen verstehen sollte, sich auf die Vereinfachungsmasche setzt.
27. Mai 2008 um 16:07
Sie kannten den legendären Südkurier nicht? Im Volksmund heisst er „Südgeschmier“. Aus Konstanzer Sicht handelt es sich um den journalistischen Nabel der Welt. Gehört übrigens zu Holtzbrinck. Wie die zitierte ZEIT.
27. Mai 2008 um 16:28
Es sei mir angesichts meines Wohnorts in Wolfratshausen verziehen 😉 Jetzt weiß ich es!
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