Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

S-Bahn-Grübeleien

Nächste Woche ist „Trimsterende“. Noch habe ich mich mental nicht so richtig auf die Trimesterstruktur eingestellt. Nahtlos geht es im neuen Jahr ins Wintertrimester und im Anschluss daran sofort ins Frühjahrstrimester. Das bedingt auch für mich neue Vorbereitungsverfahren. Unser Doktorandenkolloquium habe ich da ein wenig angepasst: Da haben wir nun den Herbstzyklus beendet und beginnen wieder im April. Letzte Woche war daher auch unser letzter Writers´ Workshop. Eine allererste Bilanz findet sich hier; im neuen Jahr werden wir die Evaluationsergebnisse auswerten und mehr sagen können.

Am Ende eines Doktorandenkolloquiums geht mir immer einiges durch den Kopf: was gelungen war, was nicht so, was ich hätte besser machen können, was sich als schwierig bei der Betreuung herausgestellt hat und woran das liegt etc. Das Ergebnis der diesjährigen Grübelei (die sich vorrangig in der S-Bahn abspielt ;-)) ist eine recht generelle Überlegung zur Heterogenität von Doktorandengruppen – jedenfalls wie ich sie erlebe. Diese Überlegung habe ich in Form einer „Doktoranden-Matrix“ versucht, deutlich zu machen, was ich an dieser Stelle gerne öffentlich zur Diskussion stelle. Vielleicht gibt es ja weitere Meinungen und Erfahrungen von „Doktorvätern und -müttern“, die helfen könnten, diesen Punkt (es ist nur ein Ausgnagspunkt!) weiterzudenken.

Doktoranden-Matrix

Nachtrag (20.12.2010): Natürlich freue ich mich auch über die Meinungen und Erfahrungen von Doktoranden, die sich beim Kommentieren in der Regel leichter tun als Professoren (von einigen Ausnahmen einmal abgesehen) 😉

12 Kommentare

  1. Hallo Gabi,
    das nenne ich mal eine Aufforderung 😉
    Uns ging es bei den (längeren oder kürzeren) S-Bahn-Fahrten ähnlich wie Dir: Wir haben dieses Semester überdurchschnittlich oft über die Zusammensetzung des Kolloquiums gesprochen. Und ich meine schon, dass daran die Writers Workshops ihren Anteil hatten. Immerhin werden durch diese die Fähigkeiten des einzelnen Doktoranden (um mal bewusst nicht von Stärken und Schwächen zu sprechen) sichtbar. Das ist auch der Gruppe nicht entgangen. Insofern finde ich die erste Fassung der Doktoranden-Matrix sehr treffend, und ich habe auch gleich versucht, mich einzuordnen, aber das tut an sich wenig zur Sache 😉
    Aufgefallen ist mir allerdings, dass in der Matrix bisher die Erfahrungen außerhalb der Universität vernachlässigt werden. Diese können disziplinnah oder -fern sein; in jedem Fall haben sie Einfluss darauf, wie man als Doktorand eine Dissertation angeht und mit Sicherheit auch darauf, wie stark Doktormutter/-vater lenkend eingreifen müssen. Das würde ich bewusst nicht unter Persönlichkeit fassen, was man könnte, wenn man z.B. den Umgang mit Zeit oder die kritische Haltung zur eigenen Arbeit als relevante Aspekte nimmt. Auch promovieren Doktoranden aus unterschiedlichen Gründen; mehr oder weniger explizit wird dieses jeweils unterschiedlich akzentuierte Ziel Einfluss auf die Betreuung nehmen; vielleicht gibt es sogar verschiedene Betreuungs- oder Förderniveaus, die sich zusätzlich zu den generellen Unterschieden nach Fach und Beruf aus diesen Zielen ergeben?
    Gedanklich hängen geblieben bin ich weniger an der Matrix als an Deinem Satz:
    „Es stellt sich mir die Frage, ob sich mit einer solchen Systematisierung eventuell auch die Erwartungen an die Art des resultierenden Produkts ändern.“
    Aus Sicht der Doktormutter ein total nachvollziehbarer Gedanke, der sich ja auch in allen Fragen der Leistungsbewertung in der Lehre stellt. Aus Sicht der Doktorandin lesen sich solche Zeilen allerdings mit gemischten Gefühlen. Denn natürlich besteht hier die Erwartung, dass alle Doktoranden „gleich“ sind und auch so behandelt werden – immerhin verfolgen alle ein Ziel. Dabei sollte es keine Rolle spielen, aus welcher Disziplin jemand stammt oder wo sie/er gerade arbeitet. Schließlich entscheidet sich jede(r) freiwillig für die Promotion und muss sich selbstständig in Themen, Fragestellungen und Kontroversen eindenken. Jedenfalls sehe ich Coaching, das im Verhältnis zu den anderen Doktoranden, die es selbst schaffen, Überhand nimmt, durchaus kritisch – solange primär die Lernergebnisse bei einer Doktorarbeit bewertet werden und eben nicht der -prozess.
    Soweit von mir – vielleicht melden sich ja noch weitere Doktoranden zu Wort 🙂
    Liebe Grüße,
    Sandra

  2. Hallo Sandra,
    erst mal vielen Dank, dass du das „Eis brichst“ und hier deine deine Einschätzung bringst.
    Ich bin mir nicht sicher, ob wirklich die Writers´ Workshops der entscheidende Anlass sind, dass auch einige Doktoranden über so etwas nachdenken. Meine Beobachtung ist eher, dass dies am Ende der Promotionszeit bei Doktoranden generell der Fall ist. Aber das Lesen konkreter Produkte der Doktoranden trägt dennoch sicher auch dazu bei.
    Ich denke, Erfahrungen außerhalb der Universität sind in dem Matrix-Vorschlag vor allem über die aktuelle berufliche Tätigkeit mit drin, wobei die IN der Wissenschaft oder Hochschule liegen, wenn man dort seinen Arbeitsplatz hat – das stimmt natürlich. Dieser Ordnungsversuch will aber auch keine „Vermessung von Doktoranden“ vornehmen, sondern nur zentrale Dimensionen zusammenfassen. Natürlich hat jeder Mensch auch außerhalb von Studium und Beruf zahlreiche Erfahrungsquellen. Ich hatte u.a. die familiäre Situation (z.B. Kinder) genannt (auf der ersten Seite des Dokuments), aber da könntest du dann auch die Freizeitgestaltung, Ehrenämter etc. dazu nehmen. In der individuellen Betreuung versucht man auch, diese Besonderheiten so gut es eben geht zu berücksichtigen, wobei man da an die Grenzen gerät und einem dann die ebenfalls erwähnte „Gleichbehandlung und -bewertung“ in die Quere kommt, die bis zu einem gewissen Grad ebenfalls ihre Berechtigung hat.
    Faktisch sind die Betreuungsmöglichkeiten leider auch begrenzt, wenn man mehr als zwei Doktoranden hat (an der UniBwM wird z.B. das Kolloquium nicht mal zum Lehrdeputat gezählt). Und wie das bei allen Formen von Lehre im weitesten Sinne der Fall ist, steht man dabei vor der großen Herausforderung, die rechte Balance zwischen direktem Fordern und freiem Angebot, zwischen individuellem Coaching und allgemeiner Beratung etc. zu treffen.
    Die Erwartung, dass alle Doktoranden “gleich” sind, führt leider total in die Irre. Und die Erwartung, man können und müsse auch alle gleich behandeln, weil sie ja alle ein Ziel verfolgen, muss wohl auch enttäuscht werden, wenn man die Sache ernst nimmt: Das ist ja auch die Chance einer nicht bis ins Detail geregelten Doktorandenausbildung, dass individualisieren kann. Das macht aus meiner Sicht die Bereicherung für alle Seiten aus, das erhöht die Chance, dass man nicht Einheitsbrei produziert, sondern Verschiedenes entsteht, das dann natürlich wiederum den Kriterien der Wissenschaftlich genügen muss. Diese aber sind weder eindeutig noch starr, sie sind ja auch in Bewegung, sonst gäbe es wissenschaftlichen Stillstand. Das Risiko des Scheiterns für beide Seiten ist mit so einer Haltung und so einem Verfahren deutlich größer.
    Ich persönlich behandle sicher nicht alle Doktoranden gleich. Ich kann sie gar nicht gleich behandeln, weil sie sehr verschieden sind und zudem mit verschiedenen Voraussetzungen kommen und unter verschiedenen Bedingungen promovieren – das ist ja einer der zentralen Hintergedanken für den Matrix-Versuch. Ich versuche aber zumindest, allen möglichst in gleicher Weise gerecht zu werden und das erfordert, die verschiedenen Kontexte der Doktoranden mit zu berücksichtigen. Dazu kommt, dass man (neben der Individualbetreuung) z.B. in Kolloquien nicht zwischen Anfängern, Fortgeschrittenen und Fast-Fertigen differenzieren kann und will, sondern dass man sich – im Idealfall – als Gemeinschaft versteht, die man an der Universität generell zwischen Lehrenden und Lernen gerne hätte. Im Bereich der Doktorandenausbildung ist das zumindest wahrscheinlicher zu erreichen, aber dennoch eine Herausforderung, weil jeder natürlich erst mal sein persönliches Fortkommen im Blick hat.
    Sagen wir es mal vereinfacht so: Ähnlich wie bei Studierenden im grundständigen Studium gibt es auch bei Doktoranden welche, die mit hohen Voraussetzungen kommen und während der Promotion zusätzlich sehr viel dazulernen. Das sind diejenigen, die relativ oft in der Wissenschaft bleiben. Dann gibt es auch welche, die mit hohen Voraussetzungen kommen, deren Lernzuwachs aber mäßig ist, was mitunter nicht auffällt, wenn sie eben schon vorher viel mitgebracht haben. Es gibt immer auch Abbrecher und darunter sind natürlich vor allem diejenigen, die mit weniger guten Voraussetzungen gekommen sind und es auch nicht geschafft haben, die Angebote so zu nutzen, dass sie viel dazulernen konnten. Aber – und die Gruppe empfinde ich als besondere Herausforderung – es gibt auch diejenigen, die (aus welchen Gründen auch immer) mit weniger günstigen Voraussetzungen kommen und dann enorm dazulernen. Das ist übrigens auch bei den Studierenden eine Gruppe, um die man sich aus meiner Sicht besonders bemühen muss, die zeigen, dass Lehre überhaupt sinnvoll ist und etwas bewirken kann. Genau diejenigen müssen aber auch eine Chance bekommen, brauchen vielleicht mal phasenweise ein „Coaching“, werden dann vielleicht nicht immer gleich behandelt usw. Dabei macht man Fehler, die man meist erst hinterher als solche erkennt. Würde man versuchen wollen, diese Fehler zu vermeiden, müsste man ganz klar auf strukturierte Doktorandenprogramme mit Eingangsprüfungen zurückgreifen. ICH möchte das nicht und mache lieber weiter ein paar Fehler 😉
    Gabi

  3. Hallo ihr zwei
    Eine spannende Diskussion habt ihr da (die ja durchaus an der ein oder anderen Stelle auch schon f2f geführt wurde). Ich kann euch beide verstehen, und genau das ist die Schwierigkeit.
    Gerade die Individualisierung im Rahmen einer Promotion sehe ich auch als Chance.
    Als Doktorandin schliesse ich mich Sandra an: ich möchte natürlich auch, dass alle Leute im Kolloquium einigermassen gleich sein sollten. Doch diese Gleichheit ist ja nicht nur auf der Betreuungsseite, sondern schon innerhalb der Dissertation nicht gegeben: Einige Doktoranden promovieren in einem Forschungsprojekt, andere parallel zu Job und/oder Kind; einige Doktoranden greifen zur Datensammlung auf Seminare oder Hiwis zurück, andere müssen dies allein machen, usw.
    DIe Ungleichheit liegt m.E. nach jedoch nicht nur am Prozess, sondern auch am Produkt und den damit verbundenen Kriterien. Ich glaube, das Problem liegt darin, was Gabi mit „Kriterien der Wissenschaftlichkeit“ beschreibt, die eine Dissertation erfüllen muss. Und genau hier liegt das Problem: Was ist denn diese Wissenschaftlichkeit? Fokussiert man diese auf den Prozess, ist es noch recht einfach (Objektiv, Nachvollziehbar, usw.). Was ist allerdings mit dem Inhalt? Wann ist eine Dissertation inhaltlich tief, so dass sie Kriterien der (und jetzt kommt das Problem) jeweiligen Wissenschaftsdisziplin genügen kann? Denn schliesslich promovieren wir alle im Bereich Pädagogik und nicht in der BWL. Somit sollten sich die Arbeiten auch im Anspruch an den Inhalt in diesen Bereichen messen lassen.
    Aber die Gleichheit betrifft aauch das alte Problem der Entscheidung, welche Dissertation nun besser ist:
    a) eine sauber durchgeführte Replikationsstudie, die nach allen Regeln der Wissenschaft gemacht wurde, in ihrem Erkenntnisgehalt aber durchaus begrenzt ist oder
    b) eine innovative Arbeit, die zu neuen Erkenntnissen kommt, aber aufgrund der Innovation oder des nicht geraden Weges durchaus an einigen Stellen auch kritisch ist.
    Diese Frage steckt m.E. nach auch hinter den unterschiedlichen Typen von Doktoranden: Welche Form von Arbeit wird eigentlich erwartet? Und welchen Kriterien muss die Arbeit und der Prozess genügen? Und dazu zählt die Frage, inwieweit die Dissertationsphase eine eigenverantwortliche Forschungsphase ist oder als Lernumgebung geplant wird. Und je nachdem welchen Aspekt man fokussiert, ergeben sich daraus unterschiedliche Formen der Betrachtung von Unterstützungsleistung.
    Somit ist eine Doktoranden-Matrix das eine, es braucht m.E. nach aber auch den Diskurs über Ansprüche und Erwartungen an eine Disssertation – und die sollten für alle einigermassen gleich sein.
    Soweit meine abendlichen Gedanken zu diesem Thema.
    Liebe Grüsse zwischen den Jahren von
    Mandy
    PS Wir alle sind glaub ich froh, dass Gabi vor allem auch die Lernchancen in einer Dissertation sieht 😉

  4. Hallo Ihr,
    natürlich sollte meine erste Antwort auch ein wenig provozieren, denn ich wünsche mir alles andere als ein strukturiertes Doktorandenprogramm, so viel vorweg. Ich finde nur wichtig, die Perspektiven auf die Promotion genauso zu differenzieren wie die Doktoranden und ihre Erfahrungen selbst. Denn natürlich existieren bei den einzelnen Beteiligten verschiedene Bezugsnormen – Mandy deutete das ja bereits an. Insofern fände ich einen Diskurs über Ansprüche wichtig, der besonders denjenigen helfen würde, die nicht über Jahre in eine Disziplin oder auch in Arbeitsweisen, Haltungen etc. hineingewachsen sind.
    Liebe Grüße,
    Sandra

  5. Beim Lesen eurer Kommentare geht mir Folgendes durch den Kopf:
    1. Es ist interessant, dass zwei Dinge offenbar nicht zu oder schwer zu trennen sind: Die Frage nach Herkunft und aktueller Tätigkeit von Doktoranden auf der einen Seite (im PISA-/Bologna-Jargon quasi die „Input-Variablen“, auf die allein sich meine „Matrix“ bezog) und die zu erwartenden Ergebnisse, sprich Dissertationen, auf der anderen Seite (sozusagen die „Output-Variablen“). Ich wolle ZUNÄCHST nur mal ersteres genauer betrachten. Und was ist dann übrigens mit dem „Outcome“? Das könnten ja (jenseits der „Produkte“) die mit Erfahrung und Kompetenz jetzt hoffentlich „reicheren“ Doktoranden bzw. Post-Docs und ihr Handeln nah der Dissertation sein. Gibt es für letzteres auch standardisierte Kriterien? Kriterien etwa für den „wissenschaftlich gebildeten Menschen“? 🙂
    2. Ebenfalls auffällig ist, wie schwer wir uns nach wie vor tun, „Wissenschaftlichkeit“ zu definieren. Für mich liegt Wissenschaftlichkeit keinesfalls vor allem oder besonders gut in „sauber durchgeführten Replikationsstudien“. Das ist EINE Variante von Wissenschaftlichkeit. Wäre es die Einzige, gäbe es Stillstand. Es mag die wichtigste Variante (je nach zeitlichem und domänenspezifischem Kontext) Variante für wissenschaftlichen Erfolg ohne großes Risiko sein. Das darf man nicht mit Wissenschaftlichkeit an sich verwechseln. Sobald man freilich den Mainstream verlässt, werden die Bewertungskriterien schwieriger, weil uneindeutiger: Und dann ist sie wieder dahin – die von euch erhoffte „Gleichheit“ zwischen den Doktoranden und ihren Produkten.
    Ich lese aus euren Zeilen heraus, dass ihr nach Sicherheit sucht – das ist nachvollziehbar. Sicherheit aber hat man immer nur in relativ geschlossenen Systemen, weil es da mehr Kontrolle und vorhersagbare Effekte gibt. Wer ein System öffnet, muss damit rechnen (so meine Erfahrung) dass es weniger Sicherheit und vor allem weniger Kontrolle gibt. Beides – Öffnung UND Sicherheit – gehen nur schwer zusammen.
    Gabi

  6. Hallo Gabi,
    ich vermute, dass mit wachsender zeitlicher Distanz zum Studium das Vorwissen in der eigenen Disziplin schwieriger abgerufen werden kann. Daher könnte die Matrix neben der aktuellen (beruflichen) Situation die aktuelle Nähe zum wissenschaftlichen Arbeiten generell miteinbeziehen. Meine Einschätzung ist, dass dies die elegante Darstellung aber unnötig verkompliziert.
    Beim Lesen des Dokuments habe ich mir den Begriff „Qualitätsniveau“ / „Kriterien der Wissenschaftlichkeit“ ebenfalls notiert. Eine Systematisierung dieses Outcome einer Dissertation interessiert mich ebenso wie die Systematisierung der Input-Variablen im Hinblick auf den Betreuungsaufwand in der vorliegenden Matrix.
    Viele Grüße,
    Jan

  7. Liebe Gabi
    Ich finde, eine Doktorandenmatrix mit Betreuung macht ja nur dann Sinn, wenn es auch um den Output geht – ansonsten brauch ich Doktoranden ja nicht betreuen … und dabei gefällt mir die Betrachtung des Outcomes, also gebildeter Bürger i.S. auch eines Bildungsideals. Ich denke, das ist sicherlich auch ein Aspekt, der in der traditionellen Betrachtung von Dissertationen heraus meist wenig beachtet wird.
    Allerdings glaube ich nicht, dass es Sandra und mir um Sicherheit in irgendeiner Form geht, auch wenn das mit der Betonung der „Gleichheit“ vielleicht so ankam, denn auch ich denke, eine Gleichheit ist nicht herstellbar – wie will man denn diese ganz unterschiedlichen Arbeiten miteinander vergleichen? Hier ist sicherlich die individuelle Bezugsnorm am angebrachtesten: nämlich wie war der Input und was ist der Outcome/Output (um mal im Jargon zu bleiben 😉 )
    Dennoch ist und bleibt die Frage, welchen Qualitätskriterien eigentlich Dissertationen in der jeweiligen Disziplin genügen müssen und auch wie der Prozess dahin gestaltet ist.
    Ich denke, wir kommen auf die Frage nach dem Diskurs von (wissenschaftlichen) Ansprüchen eher über unsere Arbeiten her, die ja beide nicht unbedingt „mainstream“-Arbeiten sind. Und da fragt man sich schon öfter, was denn eigentlich der Anspruch daran ist.
    Liebe Grüsse
    Mandy

  8. Hallo zusammen,
    den Outcome näher „unter die Lupe“ zu nehmen, fände ich auch spannend. Immerhin würde man so die Promotion als Prozess stärker wertschätzen, als dies eine Outputfixierung jemals leisten könnte. Ob das dann in (weiteren) Kriterien münden muss, weiß ich nicht. Da müsste man vermutlich nochmals differenzieren, welches Ziel eine Promotion hat: Geht es ausschließlich um Qualifizierung, kann man Kriterien vorgeben, an denen sich Doktoranden entlang hangeln – nicht umsonst schreibt Baecker (2007) davon, dass man aktuell (noch) von einer Fakultät promoviert wird und nicht umgekehrt. Auf der Strecke bleibt in dieser Sichtweise nicht zwingend die Wissenschaftlichkeit, wohl aber die Erziehung zur Wissenschaft. Denn das Hineinwachsen in einen wissenschaftlichen Alltag kann unmöglich aus dem Abhaken von Kriterien bestehen, dies würde allenfalls noch fachdisziplinäre Arbeitsweisen betreffen, die man erlernen kann und soll. Betrachtet man eine Promotion aber auch als Entwicklungschance für die Person, würden dem Kriterien nicht gerecht; immerhin wollen wir keine Uniformierten produzieren, sondern selbstständig denkende Menschen bilden, die sich innerhalb oder (angesichts aktueller Hochschulpolitik meist) außerhalb der Wissenschaft bewegen und in der Lage sind, (gesellschaftliche) Phänomene und Problemlagen zu erkennen und zu lösen.
    Ob diese drei geschilderten Zielrichtungen einer Promotion nun auch Einfluss auf den Anspruch an eine Dissertation haben, kann man wohl nicht eindeutig feststellen – es ist aber zu vermuten, dass sie sich in dem Anspruch der Betreuenden und in dem Anspruch der Promovenden selbst äußern. Denn die eine oder der andere „verkünstelt“ sich gern mit ihrer/seiner Arbeit… habe ich gehört 😉
    Liebe Grüße,
    Sandra

  9. Die Diskussion schwankt zwischen Standardisierungs- und Personalisierungswunsch. Letztlich kommen wir aus diesem Dilemma nicht „sauber“ heraus, was Hybride wie „wissenschaftlich gebildeter Mensch“ andeuten. Aber wo im (echten) Leben geht es schon sauber zu? Was wäre, wenn wir jede Arbeit (Dissertation) als Kunstwerk betrachten? Da ist ein Höchstmaß an Proportionalität gefragt, die Farbwahl muss bestimmten Gesetzen folgen, begründete Motive und die Perspektive sind entscheidend (hier finden sich die sog. Standards). Gleichzeitig ist das Kunstwerk eine höchst subjektive Leistung, Ausdruck individueller Schaffenskraft, die nur einem Zweck folgt: der Meisterschaft.
    Ich rufe die Kunst – wie ich selber eingestehen muss – immer dann an, wenn es kompliziert wird (siehe Kunstmarkt), eine Flucht? Ich glaube im Ernst, dass die Kunst ein gutes Rahmenkonzept ist, mit der sich Individuelles und Überindividuelles, Verbindlichkeit und Originalität so miteinander verbinden lassen, dass „die Enden entgegengesetzter Pole“ zu ihrem Recht kommen.
    Warum bin ich skeptisch bezüglich der Standards? Sie sichern uns ein Mindestmaß an Qualität, keine Frage, das ist die untere Grenze. Sie stacheln uns aber nicht an, über uns hinaus zu wachsen, mehr und qualitativ Anderes zu schaffen. Darin sehe ich die Aufgabe der Wissenschaft, das verbinde ich mit dem Wort „wissenschaftliche Exzellenz“, eine Art Hochleistungssport. Mir wäre also wohler, wenn die Wissenschaftler auch Künstler wären, ihre Arbeiten auch Kunstwerke. Am Ende gilt: Kunst kommt von Können!
    Frank

  10. Lieber Frank
    Dein Vergleich beschäftigt mich nun schon eine Weile, wohl auch aus meinem zweiten Studienfach, der Kunstgeschichte heraus 😉
    Was mir eigentlich je länger je mehr gefällt: Wenn Dissertationen als Kunstwerke gelten, bedeutet das neben dem Können aber auch, dass die Werkgenese mit in die Bewertung einbezogen werden muss. Und damit bekommen auch Rahmen- und Entstehungsbedingungen in der Entstehung einen Platz, der ihnen aus meiner Sicht angemessen ist (vgl. mein Kommentar zu den unterschield. Bedingungen).
    Soweit erst mal kurz, es denkt weiter 😉
    Liebe Grüsse
    Mandy

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