Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Jenseits der „Toll-Danke-sehe-ich-genauso“-Kommentare

Es ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre her, als ein Beitrag von Rolf Schulmeister zum Thema „Kommentarkultur in Weblogs“ ein wenig Aufregung unter einigen Bloggern verursacht hat – vor allem bei denjenigen, die in einer kleinen empirischen Studie zu den „Beforschten“ gehörten (z.B. hier, hier, hier und hier). In der Tat ist es in vielen Fällen nicht so weit her mit den Kommentaren auf Blog-Posts oder gar mit Diskursen, die dadurch angestoßen werden. Aber es gab und gibt Ausnahmen: Viel diskutiert (jenseits der einfachen „Toll-Danke-sehe-ich-genauso“-Kommentare) wird z.B. regelmäßig im Blog von Christian Spannagel oder auch im Lehrerblog von Herrn Rau. In meinem eigenem Blog geht diesbezüglich eher gemächlich zu – woran das genau liegt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls habe ich an diese Diskussion über Blogs als Medium der Selbstdarstellung versus als Medium der gegenseitigen Kommentierung denken müssen, als ich die umfängliche Auseinandersetzung im noch jungen Blog des „Netzwerks Innovation durch Bildung“ zu Werner Sesinks Ausführungen über seine Vorlesungserfahrungen gelesen habe. Gut, man trifft da wieder auf die alt bekannten Namen und das wiederum stützt Rolfs These von der Kommentarmüdigkeit in der Blogosphäre, wenn es nicht um Themen geht, die man als persönliches Hobby verfolgt, sondern um solche rund um Lehren, Lernen und Bildung (das sind dann halt immer nur SEHR wenige, die da aktiv sind). Dennoch zeigt dieses Beispiel aus meiner Sicht schön, dass und wie ein Diskurs öffentlich geführt werden kann. Und wer das genau mit verfolgt, kann daraus viel lernen und zum eignen Mit- und Nachdenken angeregt werden, ohne selbst mit zu diskutieren. Auch für Studierende könnte das interessant sein. Aber freilich dürfte hier wieder gelten: Selbst WENN Professoren bloggen (nur sehr wenige tun es), ist wohl die studentische Lesergruppe eher klein. Oder doch nicht?

26 Kommentare

  1. Danke – sehe ich genau so! 😉
    Tatsächlich: Genau darüber, ob es nicht gerade für Studierende sehr interessant sein müsste, eine Blog-Diskussion zu lesen, in der es um eine Veranstaltung geht, an der sie teilgenommen haben, musste ich auch nachdenken.
    Zur Zeit lese ich gerade die ca. 85 schriftlichen Bearbeitungen der Abschlussaufgabe durch, die eingereicht wurden (je ca. 4-10 Seiten). Da ich vorhabe, den Studierenden dazu eine generelle Rückmeldung zu schreiben, werde ich sie auch auf die Blog-Diskussion hinweisen.
    Dass Studierende kontinuierlich in Blogs reinschauen, die von ihren Profs geführt werden, kann ich mir auch eher nicht vorstellen.

  2. Ein herzliches Hallo,
    (auch an mich, da mein erster Kommentar hier?)
    Meine spontane Vermutung, warum es hier im Blog gemächlicher mit Kommentaren zugeht (trotz wahrscheinlich hoher Zugriffszahlen) ist diejenige, dass das nicht am Schreiber/der Schreiberin liegt, sondern vielmehr am wahrgenommenen Machtverhältnis aus Leser-/Leserinnen-Sicht.
    Man (ich?) tut sich halt schwerer, bei jemanden „seinen Senf beizugeben“, der sowohl im „real life“ als auch in der Community wesentlich einflussreicher ist.
    Wie sehen das die Andern?
    Herzliche Grüße
    m

  3. Ja, das verstehe ich schon. Das funktioniert wahrscheinlich auch nur dann wirklich gut, wenn man sich kennt und vertraut: Dann ist das allerdings völlig unabhängig von der Rolle durchaus möglich. Aber es wäre blauäugig anzunehmen, man könne so einfach bestehende Strukturen ignorieren – da stimme ich zu (obschon sich mein „Einfluss“ sicher ziemlich in Grenzen hält ;-)). Ich kann daher nur eines an der Stelle tun, nämlich betonen: Hier darf jeder gerne kommentieren (so lange es kein kommerziell motivierter oder beleidigender Beitrag ist – die fliegen raus)!
    Gabi

  4. „Reinmann“ ist einer der präsentesten Namen die mir in meinem Studium begegnet sind – Studienbriefe, weiterführende Literatur, in Blogrolls meiner bloggenden Mitstudierenden 🙂 Soviel zur Präsenz/ zum Einfluss /zur studentischen Mitleserschaft 😉
    Bei C. Spannagel könnte auch der Unterschied darin liegen, dass er aktiv twittert und viele der Kommentatoren aus seinem Blog ihn u.U. auch schon aus Twitter „kennen“, das gleiche gilt für Herrn Rau und dort der kommunikative Austausch bereits im Kleinen geschieht. Die Hemmschwelle im Blog zu kommentieren könnte so kleiner sein.
    Mal jetzt meine Vermutung dazu…

  5. Liebe Gabi,
    die Erfahrung, dass nur wenige Studierende meinen Blog kommentieren (auch wenn ich im Forum zur Veranstaltung und in Mailverteilern darauf hinweise) habe ich auch gemacht. Wie viele ihn lesen, kann ich kaum abschätzen. Es gibt aber immer mal wieder Sprechstunden, in denen mich Studierende (neben dem, was es eigentlich zu besprechen gibt) auf einen Blogbeitrag ansprechen… das müsste man eigentlich mal untersuchen. 🙂
    Ein paar Ideen, weshalb weniger Menschen auf deinem Blog kommentieren (vollkommen aus dem Bauch heraus):
    1) Deine Reputation (genauso wie Monika es beschreibt) in Kombination mit 2)
    2) dein Blog als dein einziges Online-Sprachrohr, in dem es überwiegend um inhaltliche Fragen geht.
    Ich würde vermuten: Würdest du dich in Twitter und Facebook „herumtreiben“ und dort gelegentlich auch mal Nicht-Inhaltliches schreiben, würde zum einen für viele vermutlich das Distanzgefühl reduziert werden, zum anderen hättest du ein größeres Netzwerk, um Aufmerksamkeit auf deine Beiträge zu ziehen (und nicht nur per RSS-Feed).
    Man kann sich natürlich fragen, ob Quantität wesentlich ist. Ich habe für mich entschieden: Ja, auch. Wenn ich „Netzeffekte“ ausnutzen will, dann zählt Quantität sehr wohl: Eine ausreichende Grundvernetzung ist notwendig (z.B. in Twitter), damit sich Informationen/Links/… schnell verbreiten, Menschen auf Artikel aufmerksam werden, die es sonst nicht würden, und dann eher auch Kommentare schreiben, die nicht „lobhudelnd“ sind. Denn solche werden (gefühlt) eher von Personen geschrieben, die nicht aus dem „nahen Netzbereich“ stammen, sondern eher aus entfernten Regionen. Und solche haben deinen RSS-Feed in der Regel nicht abonniert…

  6. Ich würde mir auch einen stärkeren Austausch mit Studierenden über das Blog wünschen, aber das ist nicht nur eine Frage des Status. Auch mit Kollegen die ähnliche Themen haben gibt es mal einen intensiveren Austausch und mal ist der Austausch praktisch nicht existent.
    Ich sehe ganz unterschiedliche Gründe.
    – Kennt man sich persönlich und beschäftigt man sich mit ähnlichen Themen steigt die Wahrscheinlichkeit des Austausches
    – Äußert sich jemand der bereits als Experte seines Faches gilt, so nimmt die Wahrscheinlichkeit des Kommentierens durch (noch) „Nicht-Experten“ ab
    – Artikel die wirken als seien sie für Hochglanzbroschüren geschrieben regen aus unterschiedlichen Gründen (ist der Autor noch an Kritik interessiert, „Was soll man dazu noch sagen?“, u.ä.) weniger zum Kommentieren an.
    – Zufall und PR: Der „richtige“ Zeitpunkt (haben diskutierfreudige Leser gerade die nötige zeitliche Flexibilität) und haben sie überhaupt vom Artikel erfahren? (z.B. via Twitter, Facebook, RSS, Mail, …)
    Insgesamt halte ich die Option für den Austausch über Kommentare für ein Kommunikatiosangebot und den Hinweis „Hey … Du darfst gerne Deinen Senf dazu geben“, Fragen dazu stellen usw.
    Die 90:9.1 regel scheint mir auch nach wie vor Gültigkeit zu haben, auch wenn man für „richtige“ Kommentare abseits einer „I like“ Bekundung vielleicht eher von einer 99:1 Verteilung ausgehen sollte 😉
    Grüße aus Hamburg,
    Ralf

  7. Oha. Das mit der Listenformatierung im vorherigen Kommentar hat wohl nicht funktioniert. Sorry. Ich hoffe man wird trotzdem schlau draus. Vielleicht ist das auch ein Problem mit Kommentaren in Blogs. Der Kommentarautor kann nach drücken des „Senden“ Buttons keine Änderungen mehr am Kommentar vornehmen oder ihn löschen.

  8. Christian kam auf meinen Blog und schrieb als Kommentar „Ich habe gegen keinen Artikel etwas zu sagen.“
    Da habe ich mich gefragt: „Wieso soll mich das interessieren? Wer redet da?
    Dann ging ich auf seinen Blog unt entdeckte die Begeisterung seiner Studenten für JP Martin, den ich schon kannte.
    Da bin ich so etwas hängen geblieben.
    Deine Artikel verlinkt man, man lädt sie auch runter, aber mein Kommentar ist „Ich habe gegen keinen Artikel etwas zu sagen.“ und den schreibe ich nicht. Sollte ich velleicht.
    Aber willst du deshalb meinen Blog lesen? Kaum zu empfehlen.

  9. @Fontanefan Ich erinnere mich gar nicht, so etwas auf deinem Blog geschrieben zu haben? Wann und wo war das denn?

  10. Hallo zusammen,
    ja richtig – ich bin quasi ein „Nur-Blogger“ und halte mich bis dato mit eigenen Aktivitäten in Facebook ebenso wie auf Twitter zurück (Gäbe es da denn jetzt ein spezielles Interesse daran, dass ich bis zu fünf mal am Tag auf den Knopf unserer Espresso-Maschine drücke und mit Frank eine Stunde Laufen gehe, wenn wieder Mal irgendein Verwaltungswahnsinn oder mikropolitische Querelen meinen Blutdruck nach oben treiben ;-)). Und dass damit die Verbreitung sinkt (und vielleicht auch die Distanz wächst), ist nachvollziehbar. Mein Beitrag sollte auch nicht als Botschaft (miss-)verstanden werden, dass ich traurig bin, weil so wenig kommentiert wird! Auslöser war eher der für mich sehr interessante „Schlagabtausch“ zwischen Werner Sesink und Jean-Pol Martin (plus Christian) und da fiel mir Rolfs Kritik an der mangelnden Kommentarkultur (und er hatte vor allem einen „echten Diskurs“ im Blick) wieder ein. Genau dabei hatte ich auch den Gedanken, dass man sogar von solchen Dialogen profitieren kann, wenn man NICHT mitredet. Ich finde es im Übrigen völlig in Ordnung, nur dann zu kommentieren, wenn man das Gefühl hat, auch etwas zu sagen zu haben, wobei man das möglichst nicht an einem vermeintlichen Standard festmachen muss oder sollte – aber genau das dürfte dann manchmal wieder schwer sein.
    Was ich nun wirklich RICHTIG schade finde ist, dass wir in der Wissenschaft das Thema „Peer Review“ nicht öffentlich z.B. in dafür geeigneten Blogs betreiben – auch das nämlich könnte man wunderbar z.B. in der Lehre einbinden. In dieser Hinsicht bin ich unter anderem SEHR enttäuscht von der GMW. Die angekündigten Änderungen gingen gegen Null. Da traut sich einfach keiner was. Pro-Argumente für öffentliches Peer Review werden in der Regel sofort niedergebügelt. Und wenn man öffentlich mal auf hohem Niveau auch mit Kollegen etwas diskutieren möchte, ist das kaum möglich. Klar, lieber hebt man sich die Ressourcen für das „echte Journal mit Peer-Review“ auf – das Review, von dem nur zwei oder wenige etwas mitbekommen. Aber ich merk schon – da schreib ich mich in Rage und höre jetzt besser auf.
    @Florentina: Danke für die Blumen – macht das der Name? 🙂
    @Ralf: Sorry für die schlechte Technik, habe versucht, eine Art „Liste“ daraus zu machen
    Gabi

  11. Liebe Frau Prof. Reinmann,
    mit Ihrem Denkanstoß fühlte ich mich nun sehr schuldig, da ich wohl häufig Posts oder Tweets anderen empfehle bzw. retweete, ohne mich beim Urheber bemerkbar zu machen. Ein „genau, sehe ich auch so“ von mir schließe ich aus, weil ich im Falle eines Bemerkbarmachens schon etwas Konstruktives beitragen und nicht das Gesagte abnicken möchte.
    Gründe für ein Schweigen bei für mich relevanten Themen wären für mich, dass ich mich nicht als Zielgruppe sehe oder kompetent genug für ein schriftliches und dazu noch öffentliches Statement fühle, aber auch, weil mir dieses o. g. Vertrauensverhältnis fehlt, man sich nicht kennt und die Gefahr besteht sich missverständlich zu äußern.
    Nun ja, jetzt weiß ich nicht, ob ich inhaltlich was beigetragen oder mich nur gerechtfertigt habe.
    Bisher sah ich meinen Part eher beim stummen Mit- und Nachdenken ohne Mitdiskutieren.
    Nach Ihrem letzten Post fühle mich jetzt auch wieder wohler damit. 🙂
    Beste Grüße aus Nürnberg
    Maria KaIsperger

  12. Aus der studentischen Nichtexpertengruppe: weil ich mich ausgerechnet heute mit dem Thema Mensch im Wissenschaftler beschäftigt habe, rufe ich hier ganz laut „ja, ich will mehr wissen“ (http://kristinalucius.wordpress.com/2012/02/23/mensch-in-sicht/#comment-215). Am besten noch mit erschöpften Lauffotos. Und, natürlich würde ich gerne die Blogs meiner Profs lesen. Ich finde sie nur nicht! Warum diese Geheimniskrämerei? Jeder Dozent an der Uni stellt sich in seiner Vorlesung vor: mit seinem Auftreten, der Sprache und dem Habitus. Warum wollen sich aber manche hinter sachlichen Texten verstecken? Das geht doch gar nicht, weil selbst daraus eine persönliche Haltung ablesbar ist. Dieses Blog war eines meiner ersten, die ich vor ein paar Wochen kennengelernt habe. Damals gefiel mir der Name sehr. Er hat mich sprachlich an ein Aquarium zum Denken erinnert. Das Problem: die meisten Menschen stehen staunend vor Aquarien, statt darin zu schwimmen, sofern sie das überhaupt gelernt haben. Es ist auch nur einseitig geöffnet, nämlich nach oben. Aus meiner Sicht wird es für andere dadurch fast unmöglich, dem Regenbogenfisch zu begegnen. Das könnten Studierende aber zunächst in einem geschützten Umfeld trainieren, um sich dann langsam ins offene Meer zu wagen. Aber, didaktische Einfälle waren ja gar nicht gefragt und bevor ich wieder völlig daneben liege, praktisch auf dem Trockenen nach Luft schnappe,und dann nicht mehr traue zu kommentieren, drücke ich jetzt mal lieber auf „Senden“.

  13. Ich lasse immer wieder mal Blogbeiträge von hier in meinem Feedreader stehen, um sie später mal zu kommentieren, und dann wird doch nie etwas daraus. Meine Gründe hatte ich nie analysiert, vermutlich ist es vor allem tatsächlich der, dass ich meine, hier etwas besonders Kluges zu schreiben, und das fällt mir nie ein ist mir dann zu anstrengend. Tse, hätte ich nicht gedacht, ist aber wohl so.
    Bei manchen anderen Bildungsblog kommentiere ich nicht, weil da immer dieselben Leute immer dieselben Kommentare schreiben zu denselben Themen. Aber vielleicht bilde ich mir das nur ein und das gilt nicht mehr (falls es das je tat), über meinen Feedreader kriege ich Kommentare in der Regel nicht mit.
    Ich glaube, ich kommentiere dann, wenn mich etwas provoziert, wenn ich etwas etwas beizutragen habe (außer: siehe oben) und vor allem: wenn mir eine Geschichte erzählt wurde.
    Es geht wohl eher darum, neue Kommentatoren zu gewinnen, als dass immer wieder die alten kommentieren. Die meisten Leute – Studenten, Freunde und Familienangehörige eingeschlossen – lesen einfach keine Blogs. Nicht mal die von ihren Professoren, selbst wenn sie studieren, wobei mich das damals kolossal interessiert hätte. (Ach ja, einen Informatikprofessor an der LMU kann ich noch anbieten, bei dem rege kommentiert wird.)
    Ziel müsste eher sein, dafür zu werben, überhaupt öffentlich im Web aufzutreten. Also nicht in Facebook. Und ohne Angst davor zu haben, danach nie wieder eine Stelle zu kriegen, weil man einen Tippfehler gemacht hat. So ähnlich wird das Schülern ja gerne mal suggeriert.

  14. Diese Diskussion passt gerade hervorragend. Ich habe nämlich in den letzten Tagen mal wieder beobachtet, dass ein Blogbeitrag von mir oft aufgerufen wird (ich nutze zur Analyse bitly), der Tweet zum Blogbeitrag häufig weitergetweetet und favorisiert wurde – und trotzdem gibt es keinen einzigen Kommentar. Das ist bei früheren Beiträgen auch schon so verlaufen. Ich finde das regelmäßig schade, denn ich bin sehr an Diskussionen interessiert.
    Was also hält die Menschen davon ab, einen Beitrag, der sie offensichtlich interessiert, zu kommentieren? Einige hier haben vermutet, dass man eine stärkere Netzpräsenz, z.B. via twitter, braucht. Habe ich. Ralf Appelt vermutet als eine mögliche Ursache, dass Blogartikel zu „glatt“ geschrieben sein können. Ein interessanter Aspekt! Aber trifft er zu?
    Was Herr Rau schreibt, nämlich dass das Kommentieren dann doch als zu anstrengend erlebt wird, kann ich wiederum aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen. Stehen sich das Interesse an einem Thema und die zur Verfügung stehende restliche Lebensenergie diametral gegenüber?

  15. „Die meisten Leute – Studenten, Freunde und Familienangehörige eingeschlossen – lesen einfach keine Blogs.“ Stimmt – und das ist ja auch nicht schlimm. Ich lese keine Sport-Zeitschriften und auch nicht den Wirtschaftsteil in der Zeitung. Ist DAS schlimm? Wahrscheinlich auch nicht. Etwas anderes ist es für mich, wenn wir uns in wissenschaftlichen Bereichen bewegen. Wissenschaft lebt davon, dass man sowohl theoretische als auch empirische Erkenntnisse UND die eigenen Gedanken als Wissenschaftler, wenn sie den im Kopf einigermaßen gereift sind, kommuniziert, wenn man das untereinander zur Kenntnis nimmt, abwägt und mit Argumenten kritisiert und untersützt. Dafür gibt es bewährte Organe – Tagungen und Zeitschriften z.B. Dass in diesem Kontext Web 2.0-Technologien allerdings so schleppend zum Einsatz kommen und dass man deren Potenziale – komplementär, an einigen Stellen vielleicht sogar ersetzend – neben den etablierten Möglichkeiten wenig nutzt, ist vielleicht schon eher schlimm – schlimm, weil damit Chancen für neue Erkenntnisse ebenso wie für neue Erkenntniswege (oder auch nur abgeänderte) verloren gehen.
    Natürlich spielt auch für so etwas die verfügbare „Lebensenergie“ eine Rolle – für jeden hat der Tag nur 24 Stunden. Das ist dann eine Frage der Prioritätensetzung. Und das wäre jetzt meine These: Für viele (die meisten?) Wissenschaftler in unserer Domäne hat das Bloggen und Blog-Lesen einfach keine hohe (oder gar keine) Priorität. Es gilt als Zeitverschwendung (vielleicht auch – wenn man mal ganz böse ist – als Ersatz, weil es zu Peer Review-Artikeln nicht reicht). Es lohnt sich einfach nicht. Und mal ehrlich: Selbst WENN jetzt z.B. viele Studierende einen Wissenschaftler-Blog lesen würden: Wen in einer Berufungskommission würde so etwas schon interessieren?

  16. Hallo Frau Reinmann,
    in einem aktuellen Blog-Beitrag habe ich mich ebenfalls mit dem Thema selbstkritisch auseinandergesetzt:
    http://www.alexanderstocker.at/2012/02/meine-social-media-lessons-learned.html
    Ich versuche dabei einen Bezug zu meinen Vermarktungsaktivitäten am Blog und sowie den unterstützenden Aktivitäten auf Social Media herzustellen. Soweit zur Einleitung..
    Was die sich ändernde Kommentarkultur betrifft, so ist meine These, dass Kommentare und Reaktionen in die Sozialen Netzwerke wie Facebook, Google+ und co. abwandern.
    Es hat sich bei vielen Bloggern die Praxis etabliert, dass Blog-Beiträge auf diversen Social Media-Portalen verlinkt (d.h. vermarktet) werden, um mehr Traffic auf diese von den sozialen Netzwerken heraus zu holen.
    Das reduziert aus meiner Sicht automatisch die Anzahl der Kommentare, die jetzt nicht mehr direkt in den Blog, sondern in das soziale Netzwerk, geschrieben werden. Ich sehe eine solche Praxis nun auch bei sehr populären Bloggern wie beispielsweise Klaus Eck, wo die Kommentare abnehmen.
    Viele Grüße aus Graz,
    Alexander Stocker

  17. „Ich lese keine Sport-Zeitschriften und auch nicht den Wirtschaftsteil in der Zeitung. Ist DAS schlimm?“
    Als Analogie sehe ich eher, dass Leute gar keine Blogs lesen und nicht nur bestimmte Blogs nicht. Schlimm ist das auch nicht, aber schon etwas schlimmer. Es müsste halt mal ein Blog geben mit so viel Renommee wie eine Zeitschrift.
    Zur Twitter-Theorie: Energie wandert sicher dorthin und zu Facebook. Ist auch okay so. Aber ein Netzwerk dort braucht man nicht, bei mir kommt wenig Besuch über Twitter, und ich verlinke dort auch keine neuen Artikel.

  18. Ein freitägliches Hallo in die Runde!
    Nicht nur wir persönlich entwickeln uns weiter, sondern auch „die Community“ tut es. Einige Mitglieder verschwinden, neue kommen hinzu. Deshalb ist es – nach dem gescheiterten Versuch mit der Peer-Review-mixxt-Community – an der Zeti, neu Anlauf zu nehmen. Z.B. im Kleinen. Hat jemand über den Hausarbeitsentwurf von Kristina hier mal drübergeschaut? Und – wenn auch nur einen kleinen oder nur einen – inhaltlichen Hinweis gegeben? Nein? Es besteht noch Gelegenheit hierzu. http://kristinalucius.wordpress.com/2012/02/23/mensch-in-sicht/
    Es liegt an uns. An jedem von uns.
    Ein schönes Wochenende wünscht
    Monika

  19. Ich glaube, in einem Wissenschaftlerblog sind die Beiträge in der Regel so speziell, dass man sich nicht traut, einen Beitrag zu leisten (s.o.), oder meint, man könne nichts „Vernünftiges“ beisteuern (s.o.). In meinem Blog gab es mal einen Beitrag zu „Weihnachtsbaumkette“, da konnten mehrere etwas zu sagen, eigene Erlebnisse beisteuern. Beim Thema Lehrerfahrung klappt das in der Regel auch gut (siehe Beiträge hier im Blog oder auch der Hinweis auf Herrn Sesink). Aber sonst? Zu speziellen didaktischen Konzepten, zu (bisweilen auch kritischen) politischen Standpunkten, zu Buchbesprechungen? Da fehlt vielleicht das Gemeinsame, das, was man teilen kann, deshalb der Mangel an Kommentaren.
    Schönen Abend! Frank

  20. Ich stelle aber immerhin fest, dass man sich trefflich über Kommentare austauschen kann. Es lebe also der Meta-Kommentar!? 🙂
    Gabi

  21. Pingback: Feinarbeit | Forschungswege

  22. Das hier soviel kommentiert wird, zeigt meiner Ansicht nach vor allem, dass immer diejenigen Beiträge Zu- oder Widerspruch provozieren, von denen sich die Lesenden persönlich berührt fühlen.
    „Für viele (die meisten?) Wissenschaftler in unserer Domäne hat das Bloggen und Blog-Lesen einfach keine hohe (oder gar keine) Priorität.“
    Ich sehe eigentlich sehr viele von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geführte Blogs. Nicht so viele, wie Blogs zu irgendwelchen Lifestyle-Themen. Aber dennoch … Vielleicht gibt es einen Generationenunterschied – jüngere Akademiker und Akademikerinnen bloggen vielleicht mehr.
    Auf keinen Fall kann ein Blogbeitrag als „Ersatz“ für einen Fachartikel in einem Magazin mit Peer-Review angesehen werden, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das jemand so handhabt.
    Aber der Gedanke ruft auch Erinnerungen an Diskussionen wach, in denen das Peer-Review-Prinzip selber kritisiert wurde. Aber das ist dann wirklich eine ganz andere Geschichte.

  23. @Luka Peters: Da geht jetzt ein bisschen was durcheinander, was wohl daran liegt, dass ich zu viel in einen Kommentar gemischt habe: Blogs ersetzen keine Artikel (das habe ich auch nirgendwo geschrieben); Blogs sind ein Beispiel für öffentliche Kommunikation; und hier kommt die Verbindung: Peer Review-Verfahren könnten (teil-)öffentliche Aspekte haben! Das muss aber keineswegs etwas mit Blogs zu tun haben.
    Zum Thema Peer Review verweise ich auch mehrere Blog-Posts in diesem Text, z.B.:
    http://gabi-reinmann.de/?p=1420
    http://gabi-reinmann.de/?p=1478
    http://gabi-reinmann.de/?p=1664
    http://gabi-reinmann.de/?p=2954

  24. Pingback: Kritik kriegen, Kritik nehmen. Kritisches zur Kritikfähigkeit. « Lernspielwiese

  25. Als Lehrer und z.Zt. Referendar habe ich auf meinem Blog so gut wie gar keine Kommentare. Das liegt vielleicht an der Zielgruppe, die sich wenig Zeit für „Muße“ nimmt oder einfach daran, dass viele Material nehmen, Gedanken aufgreifen, aber nicht darüber schreiben. Es ist immer wieder eine Freude, einen Kommentar zu erhalten, das motiviert zum weitermachen. Ich muß gestehen, dass ich selbst nur sehr unregelmäßig zum Blog-Folgen komme und den Gedanken toll finde, sich zu vernetzen und auszutauschen, aber in der Praxis doch „drückendere“ Beschäftigungen habe. Das ist in der Wissenschaft vermutlich anders gelagert, obwohl es auch in der Schule sehr bereichernd wäre, sich intensiver auszutauschen und Ideen umzusetzen und zu reflektieren. Ich habe die bisherigen Kommentare zu diesem Posting (mal wieder) nur überflogen und meinen geplanten Kommentar seit Monaten vor mir her geschoben, weil ich das Thema sehr interessant fand aber nicht die Zeit, etwas hierzu zu schreiben.

  26. Nein, das ist in der Wissenschaft auch nicht anders 😉 Die digitalen Medien bieten uns sehr gute Möglichkeiten der Vernetzung; diese dann aber auch zu nutzen UND es inhaltlich so zu tun, dass es auch den Beteiligten etwas nutzt, ist einfach anstrengend und vielleicht auch noch keine Kultur. Aber die entwickelt sich ja vielleicht noch. 🙂
    Gabi