Die Meldung, dass der Horizon Report 2014 nun auch auf Deutsch (hier) erschienen ist, ist schon einige Tage alt. Aber es dauert natürlich ein wenig, bis man die knapp 70 Seiten gelesen hat, und das wollte ich dann doch erst tun, bevor ich darauf hinweise. Großartige Überraschungen hält der Bericht nicht bereit, was aber auch nicht zu erwarten ist, wenn man die technologischen Trends jährlich fortschreibt. Vergleicht man die Berichte, die etwas weiter auseinanderliegen, fallen einem allerdings schon einige Veränderungen und Besonderheiten auf: Man fragt sich z.B., wo das Internet der Dinge geblieben ist und wann die ersten genug vom Spielen haben. Weiß man um die seit vielen Jahren bzw. fast schon Jahrzehnten anhaltenden Bemühungen, digitale Medien dazu zu nutzen, wertvolle Präsenzzeit für anderes als die Vermittlung von Inhalten frei zu halten, mutet der Trend „flipped classroom“ irgendwie anachronistisch an (aber vielleicht hat es einfach nur an flippigen Bezeichnungen gefehlt).. Erstaunlich schnell sind die MOOCs wieder verschwunden und konsequent schnell haben sich Trends wie „Learning Analytics“ auf der Basis des Kerntrends „Big Data“ ausgeweitet.
Eine dieser Ausweitungen heißt im neuen Horizon Report „quantified self“. Dass hier Datenschutzprobleme eine Rolle spielen könnten, wird zumindest erwähnt – als „Hürde“. Ansonsten aber dominieren die erhofften Vorteile: Mit täglich gesammelten Daten dank „Selbstbeobachtungstechnologien“ würden sich nicht nur das Lernen, sondern auch die Gesundheit und überhaupt das ganze Leben verbessern lassen. Nun sehe ich mich eigentlich nicht als jemanden, der digitalen Technologien besonders skeptisch gegenübersteht. Aber das quantifizierte Selbst macht mich jetzt doch unruhig und provoziert bei mir viele offene Fragen: Wo bleiben Intuition und implizites Wissen (embodied knowledge), wo bleiben die spezifisch menschlichen Fähigkeiten im Umgang mit sich und seinem sozialen und gegenständlichen Umfeld? Ist alles gut, wenn wir nur Zahlen haben, weil aus diesen unmittelbar hervorgeht, was angemessenes Handeln ist? Die Fixierung auf die Zahl ist ein seltsames Phänomen – und es breitet sich offenbar aus: in alle Ecken. Viele haben sich im Bereich der Hochschulbildung gegen die Berufsqualifizierung gewandt, weil Bildung halt mehr ist als die Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten. Angesichts des quantifizierten Selbst aber wünscht man sich dann doch wieder das qualifizierte Selbst zurück. Hoffen wir auf die Studierenden, dass sie sich lieber qualifizieren statt quantifizieren wollen – und wenn sie sich dann auch noch bilden wollen, müssen wir die Hoffnung auf einen vernünftigen Umgang mit digitalen Technologien noch nicht ganz aufgeben.