„Diversität: jenseits von sozialen Kategorien? Heterogenität von Studierenden und Lernerverschiedenheit neu denken“ – so lautete der Titel eines Expertengesprächs organisiert vom Projekt nexus (der HRK) im Universitätsclub Bonn am 01.04.2014. Bei der Veranstaltung handelte es sich um einen ganztätigen Workshop mit rund 30 eingeladenen Gästen. Es gab vier Vorträge und Diskussionen im gesamten Plenum. Die Veranstaltung beschäftigte sich mit Unterschieden (a) im Lernerverhalten (pädagogisches und psychologisches Thema) und (b) in der (soziale) Herkunft (soziologisches Thema) und der damit zusammenhängenden Frage, mit welchen Maßnahmen man der wachsenden Diversität an Hochschulen begegnen kann.
Im Vortrag von Rolf Schulmeister (Universität Hamburg) über „Lernerverschiedenheit und Studienerfolg“ wurde auf der Basis der Daten aus der ZEITLast-Studie noch einmal deutlich, dass einerseits der zeitliche Aufwand der Studierenden in Bachelor-Studiengängen in hohem Maße variiert, andererseits aber die reine Zeitinvestition selbst kein Prädiktor für Studienerfolg (gemessen in Noten) ist. Wichtiger sind vor allem Konzentration (also die Art, wie Zeit investiert wird), Gewissenhaftigkeit bzw. generell die „study habits“ und Motivation – also beeinflussbare Faktoren. Beeinflussbar sind diese Faktoren unter anderem durch die Lehrorganisation. Hier setzte auch der zweite Vortrag von Johann Haag (FH St. Pölten) an: Er berichtete über Erfahrungen an seiner Hochschule, in der Studienprogramme in der Informatik auf Blockunterricht umgestellt worden sind. Erhebungen an mehreren Hochschulen zeigen, dass geblockte Veranstaltungen bzw. geblockte Module Studierende in ihrem Präsenz- und Lernverhalten positiv beeinflussen. In der anschließenden Diskussion wurde allerdings auch darauf hingewiesen, dass sich nicht alle Lehr-Lerninhalte dafür eignen und dass es auch Lehr-Lernziele gibt, bei denen kontinuierliche (wöchentliche) Angebote besser sind. Möglich ist jedoch auch eine Kombination von Blockunterricht und verteiltem Unterricht.
Im Vortrag von Tino Bargl (Universität Konstanz) wurde die soziale Heterogenität im Studium und deren Einfluss auf den Studienerfolg näher beleuchtet. Ein Tenor des Vortrags war, dass sich die Art der Verschiedenheit im Laufe der Zeit ändert. Aktuell sind vor allem neue Zielgruppen für Hochschulen eine Herausforderung (z.B. mit anderen Eingangsvoraussetzungen – „non-traditional“). Neben der Studierfähigkeit müsse immer auch die Studierbarkeit (also die Voraussetzungen, die die Hochschulen bieten) berücksichtigt werden. Ein Praxisbeispiel steuerte Marcus Kottmann (Westfälische Hochschule) bei. Sein Stichwort war „Ausbildung von Talenten“: Er stellte das Modell „meine Talentförderung“ vor. Hervorgehoben wurde die Notwendigkeit, Heterogenität als produktive Chance und nicht als auszugleichendes Defizit zu sehen. Das Beispiel fiel mit seiner Marketing-Sprache etwas aus dem Rahmen, verwies aber auf durchaus wichtige (und andere) Momente im Umgang mit Diversität.
Die Diskussion nach den Beiträgen wie auch im letzten Teil der Veranstaltung bewegte sich auf recht unterschiedlichen Ebenen und driftete auch an einigen Stellen ab. Mehrfach aber wurde das Defizit einer didaktischen Hochschulforschung hervorgehoben. Unter anderem wurde festgehalten: Hochschuldidaktische Forschung ist für das Thema Diversität erforderlich, muss vor allem anwendungsbezogen sein, braucht interdisziplinäre Bezüge und sollte verstärkt in der Forschungsförderung berücksichtigt werden. Entsprechend ungünstig ist die Tatsache, dass sich Hochschuldidaktik – wie mehrere Teilnehmer betonten – nach wie vor im Nischenbereich tummelt.
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