Warum nur ist mir das Wort „Digitalisierung“ im Kontext von Hochschulbildung so derart unsympathisch? Vielleicht, weil es in Wikipedia dazu heißt: „Der Begriff Digitalisierung bezeichnet die Überführung analoger Größen in diskrete (abgestufte) Werte, zu dem Zweck, sie elektronisch zu speichern oder zu verarbeiten.“ Die elektronische Speicherung und Verarbeitung analoger Größen aber kann ja nun nicht der Zweck des Einsatzes digitaler Medien in der Hochschule – speziell in der Hochschullehre (vielleicht in der Buchhaltung) – sein!
Weshalb daher die neue gemeinsame Initiative vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, dem Centrum für Hochschulentwicklung und der Hochschulrektorenkonferenz (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) für einen Dialog über Potenziale digitaler Medien für deutsche Hochschulen ausgerechnet „Hochschulforum Digitalisierung“ heißt, bleibt mir ein Rätsel.
Vielleicht ist der Grund simpel und darin zu suchen, dass das schön knapp formuliert ist und jeder ungefähr weiß oder ahnt, was damit gemeint sein könnte? Na ja, egal. Auf der neuen Web-Seite der Initiative heißt es: „Mit dem Hochschulforum Digitalisierung entsteht eine nationale, unabhängige Plattform, die den Dialog über die Digitalisierungspotentiale der deutschen Hochschulen bündelt und moderiert. Im Austausch mit Experten aus Politik, Hochschulpraxis, Wissenschaftsverwaltung, hochschulaffinen Unternehmen und Studierenden sollen die Chancen wahrgenommen werden, die die Digitalisierung der Lehre eröffnet.“ In sechs Arbeitsgruppen werden folgende Themen bearbeitet:
- Neue Geschäftsmodelle, Technologien & LLL (Wie verändern neue Technologien und Kooperationsmodelle die Hochschulwelt in Lehre und Weiterbildung?)
- Internationalisierung & Marketingstrategien (Wie lässt sich die Internationalisierung deutscher Hochschulen und ihre weltweite strategische Positionierung durch Digitalisierung gestalten?)
- Change Management & Organisationsentwicklung (Wie können digitale Bildungsangebote nachhaltig in den Hochschulen verankert werden?)
- Innovationen in Lern- und Prüfungsszenarien (Welche digitalen Lern-Formen und Prüfungskonzepte gibt es und wie können diese sinnvoll in der Hochschullehre eingesetzt werden?)
- Curriculum Design & Qualitätssicherung (Wie können intelligente Lerndesigns in bestehende Studienangebote integriert bzw. neue aufgebaut und deren Qualität gesichert werden?)
- Governance & Policies (Welche Rahmenbedingungen brauchen Hochschulen, um sich im Feld der Digitalisierung zu engagieren, und wie können Reformen und neue Regelungen aussehen, die Hochschulen und Lehrende darin unterstützen, sich stärker digital zu betätigen?)
Ich bin an der Themengruppe „Innovationen in Lern- und Prüfungsszenarien“ beteiligt bzw. werde mich daran beteiligen – in der Hoffnung, dass das nachhaltig etwas bringt, wenn sich gleich mehrere Institutionen zu einer gemeinsamen Aktion zusammenschließen. Letzte Woche war ein zweitägiges Auftakttreffen, das allerdings nur wenige Wochen vorher angekündigt worden war. Leider kollidierte das dann mit dem Haupttreffen unseres BMBF-Projekts zum Einsatz digitaler Medien in der Bildungsarbeit des deutschen Sports. Das konnte (und wollte) ich nicht absagen, sodass ich die Chance verpasst habe, die Design Thinking Academy des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam mal mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben, was bei einem „Kreativworkshop“ so alles herauskommt. Immerhin trifft sich die Themengruppe noch einmal separat Anfang Juli – wenn auch nicht inmitten eines so prominenten Ambientes. Das hab ich jetzt halt einfach verpasst … Gerne werde ich in meinem Blog ab und zu berichten, wie sich die Initiative aus meiner persönlichen Perspektive entwickelt. Im Moment bin ich einfach nur neugierig, was aus der „Digitalisierung“ entstehen wird und was sich da gestalten lässt.
5. Juni 2014 um 09:31
Liebe Gabi, als jemand, der den Begriff „Digitalisierung“ öfters verwendet, interessiert mich Dein Unwohlsein mit dem Begriff. Du zitierst die Wikipedia-Definition und kritisiert danach, dass Digitalisierung ja nicht Ziel und Zweck von Hochschullehre sein könne. Absolut einverstanden, aber das besagt der Begriff „Digitalisierung“ ja auch nicht. Für mich ist „Digitalisierung“ ein Auslöser grosser wirtschaftlicher, gestellschaftlicher und kultureller Veränderungen die auch die (Hochschul-)Bildung betreffen. Um diesen durchaus technologischen Auslöser zu beschreiben, benötige ich (und andere) einen Begriff. Früher war es „E-„, aktuell ist es „Digitalisierung“. Würde man mehr die Veränderungen statt den Auslöser betonen wollen, wäre es vielleicht „Leitmedienwechsel“. Was wäre denn für Dich ein sympathischer Begriff zur Beschreibung der Veränderungen, die zu Diskussionen im Bildungswesen anregen sollten?
Pingback: Bildung für Digitalisierung | Gabi Reinmann