Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Stromlinienförmige Geschäftigkeit

In einem Interview mit Zeit Campus (hier) beleuchtet der Soziologe Hartmut Rosa zum einen das heutige Lebensgefühl von Studierenden und zum anderen den Zustand unserer Universitäten, der dazu beitrage (danke an Sebastian für den Link-Tipp). Psychische Probleme und deren Folgen für das Studium führt Rosa unter anderem auf den Zeitgeist zurück, der Studium und Lehre (man könnte ergänzen: auch Forschung) seit Beginn der Bologna-Reform erfasst hat: Es werde, so Rosa, an Universitäten eine stromlinienförmige Geschäftigkeit gefördert: „Vieles läuft unter dem Begriff des Qualitätsmanagements, das Sicherstellen und Verfügbarmachen von Leistungen und Portfolio-Kompetenzen“. Die Folge sind zu viele Erwartungen, die in eine zu kurzer Zeit gepresst werden.

Vor allem aber vermisst Rosa an Universitäten eine gewisse Distanz zum operativen Geschehen, wofür Reflexion und Reflexionsinstanzen erforderlich seien: „Die Atemlosigkeit des wissenschaftlichen Betriebs existiert und betrifft Studierende und Lehrende. Ich denke, eine Gesellschaft, die glaubt, sich so eine Reflexionsinstanz nicht mehr leisten zu müssen, ist dem Untergang geweiht. Menschliche Lebensformen kennzeichnen sich auch dadurch, dass sie sich reflexiv weiterentwickeln, durch die Art und Weise, wie sie sich selbst interpretieren und verstehen. Und das erfordert eine gewisse Distanz zum operativen Geschehen. Wenn man die Universität als reine Ausbildungsinstitution betrachtet, verliert sie ihre Reflexions-, Korrektur- und Reparaturfunktion.“

Schließlich, und das scheint mir für die Hochschullehre ganz besonders wichtig zu sein, beobachtet Rosa eine Entfremdung und Beziehungslosigkeit gegenüber Kommilitonen, Dozenten und dem Stoff. Es fehle an Resonanz, wenn man feststellt: „All das berührt mich nicht, bewegt mich nicht, verwandelt mich in keiner Weise“. Mit Resonanz meint Rosa „keinen emotionalen Zustand, sondern eine Form der Weltbeziehung, der Bezugnahme auf Welt“. Rosas Schlussfolgerung lautet entsprechend: „Ich glaube, Studieren gelingt nur dort, wo es gelingt, Resonanzverhältnisse aufzubauen. Da steht in gewisser Weise auch das Ich auf dem Spiel. Sich auf Resonanzverhältnisse einzulassen, bedeutet immer auch, sich selbst verletzbar zu machen. […] Resonanzorientierung steht einer Dienstleistungsmentalität entschieden entgegen“.

Ich denke, die Forderung nach Reflexion und Resonanz sind für das universitäre Lehren und Lernen in hohem Maße berechtigt und sinnvoll. Und wir müssten bei der Gestaltung von Studiengängen und Veranstaltungen wie auch Prüfungen auf solche Kategorien (neben anderen) viel mehr achten. Das Problem dürften die überall geforderten Operationalisierungen sein, deren Grenzen wir deutlicher aufzeigen sollten.

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