Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Wenn zwei sich nicht streiten

Einer der ersten Aufsätze, die ich den 1990er Jahren mit Heinz Mandl geschrieben hatte, drehte sich um das problemorientierte Lernen. Es war die Zeit der Rezeption internationaler Forschung und Quellen zur Problemorientierung beim Lehren und Lernen, zum situierten, sozialen und verteilten Lernen, zu „alternativen“ Lerntheorien – alternativ vor allem zur Vorstellung vom Lernen als einem Informationsverarbeitungsprozess. Dass ein Kongress zum Problem-Based Learning auch 2016 (in Zürich) weit über 300 Besucher aus vielen Ländern anzieht, dürfte ein Beleg dafür sein, wie ungebrochen das Interesse an der Frage ist, wie problemorientiert gelernt und gelehrt werden kann.

Der gestrige Tag (Tag 1 der Veranstaltung) war gesäumt von großen Namen: Henk Schmidt, Annette Kolmos und John Sweller hielten über den Tag verteilt drei Keynotes, und wer die Autoren kennt, wird wissen, dass sie nicht alle drei dasselbe über Problem-based Learning (PBL) zu berichten haben.

Henk Schmidt führte kurzweilig in die Tagung mit einem Rückblick in die Anfänge von PBL ein – mit Fotos aus den 1970er Jahren, die sogleich anschaulich machen, wie sich die Zeiten doch geändert haben. Zu Schmidts Kernbotschaften gehörte, dass es bei PBL keineswegs darum gehe, ein überfachliches Problemlösen zu lernen, sondern dass PBL darauf abziele, die Aneignung von Wissen zu unterstützen. Annette Kolmos dagegen erweiterte den Rahmen auf curriculare Anforderungen für eine erfolgreiche Implementierung von PBL und erweiterte auch gleich das Verständnis von PBL: Ihrer Ansicht nach gibt es viele verschiedene Formen von PBL, sodass es sich weniger um ein konkretes didaktisches Modell, sondern eher um eine Philosophie handele. John Sweller schließlich – und wer seine Schriften kennt, wird nichts anderes erwartet haben – machte unmissverständlich klar, dass alle empirische Belege für eine direkte und explizite Instruktion sprächen, und das vor allem, wenn es um anspruchsvolles Wissen geht.

Elsbeth Stern moderierte dann den Abschluss eines als Schlagabtausch geplanten Dialogs zwischen Schmidt und Sweller, der dann aber in relativ viel Einmütigkeit mündete, was die Moderatorin etwas in Bedrängnis brachte. Warum man Anette Kolmos nicht auch beteiligt hat, habe ich nicht ganz verstanden – wollten die Männer unter sich streiten? Haben sie dann aber nicht (oder wollten nicht), wobei nicht ganz klar wurde, was das jetzt für PBL bedeutet: John Sweller schien irgendwie „gesiegt“ zu haben. 😉

Heute nun werde ich auch einen Vortrag beisteuern – nicht eben leicht nach so viel Prominenz. Eine Schriftfassung des Beitrags folgt in Bälde.

3 Kommentare

  1. …wenn zwei Jungs nicht streiten, fehlt die Dritte! Dies war auch mein Eindruck, von der kontradiktorischen Diskussion und doch habe ich gerne und mit Gewinn zugehört. Wie überhaupt das Zuhören auf dieser Tagung Freude bereitet hat, weil Engagement bei den Keynote Speakers und den Workshop gestaltenden TeilnehmerInnen und Teilnehmern vorhanden war. Als eingeladener Tagungsbeobachter hätte ich gerne nicht nur über den kognitiven Outcome, sondern auch die emotionale Seite von pbl besser kennengelernt und wäre auch bereit gewesen von Scheitererfahrungen zu hören.

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